Ohne Moos nix los…

Die finanziellen Gestaltungsspielräume der neuen Landesregierung

Nach der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober sind – wie kaum anders zu erwarten – nur zwei Koalitionsoptionen denkbar. Entweder wird die noch amtierende schwarz-grüne Koalition fortgesetzt oder die CDU wechselt eher unwahrscheinlich den Koalitionspartner und schmiedet ein Regierungsbündnis mit der SPD. Bei Redaktionsschluss am 20. Oktober bestand hierüber noch keine Klarheit Eines ist auf jeden Fall klar: Die CDU wird mit Boris Rhein wieder den Ministerpräsidenten stellen. Zudem wird die Union aufgrund ihres Wahlergebnisses von rund 35 Prozent in der zukünftigen Landesregierung auch das größere Gewicht haben. Dies gilt umso mehr, als die CDU Stimmenanteile gewonnen und sowohl SPD als auch Grüne Stimmenanteile verloren haben.


Die Gestaltungsmöglichkeiten der kommenden Landesregierung hängen letztlich vom finanziellen Spielraum ab, den diese hat oder sich selbst einräumt. So kann eine gute Konjunkturentwicklung für wachsende Steuereinnahmen sorgen. Auch wenn aktuell eine Konjunkturflaute herrscht, so ist eine genaue Prognose für die kommende Legislaturperiode nicht möglich und damit die Einnahmenentwicklung im Konjunkturverlauf der kommenden Jahre nicht kalkulierbar. Deshalb ist zu erwarten, dass auch diesmal wie bereits im letzten Koalitionsvertrag vieles unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden wird.
 

Die CDU steht auf der (Schulden-)Bremse


Höhere Steuereinnahmen durch höhere Steuersätze oder neue Steuern (z.B. die Wiedererhebung der Vermögensteuer) kann das Land so gut wie nicht im Alleingang beschließen, dennn die Gesetzgebungshoheit im Steuerbereich liegt so gut wie ausschließlich auf der Bundesebene. Lediglich den Steuersatz der Grunderwerbsteuer können die Bundesländer festsetzen. Dieser Steuersatz liegt in Hessen aktuell bei sechs Prozent, die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer belaufen sich in diesem Jahr laut der Planung des Landes auf 1,6 Milliarden Euro. CDU und SPD haben in ihren Wahlprogrammen angekündigt, hier tätig werden zu wollen: Die CDU will den Ersterwerb einer selbstgenutzten Immobilie durch ein „Hessengeld“ fördern, und die SPD die Grunderwerbsteuer für förderungswürdige Gruppen senken – beides Maßnahmen, die besserverdienenden Personen zu Gute kommen und den finanziellen Ausgabenspielraum nicht ausweiten, sondern beschneiden würden.


Neben den Steuereinnahmen besteht für die öffentliche Hand auch die Möglichkeit, Ausgaben über Kredite zu finanzieren. Dies war bis zur Verankerung der Schuldenbremse in Hessen auch für investive Ausgaben möglich, ist aber zumindest im Kernhaushalt des Landes aufgrund der Schuldenbremse gegenwärtig keine Option.


Trotz dieser restriktiven Regelung kann das Land jenseits des Kernhaushalts mittels Krediten Investitionen tätigen. Dies würde dann auch indirekt den Spielraum im Kernhaushalt erhöhen, wenn Investitionen entsprechend verlagert werden. Dabei sind hier verschiedene Instrumente nutzbar, zum Beispiel die Schaffung eines Sondervermögens, die Errichtung von Investitionsgesellschaften oder Förderprogramme durch die landeseigene WIBank.


Aber auch mit Blick auf diese Möglichkeiten ist äußerst fraglich, ob die CDU dazu bereit ist. In ihrem Wahlprogramm findet sich dazu außer einem generellen Bekenntnis zur Schuldenbremse nichts. Es ist auch kaum zu vermuten, dass sich die Union in diesem Punkt in Koalitionsverhandlungen besonders gesprächsbereit zeigen wird. Schließlich haben die noch amtierende Landesregierung und insbesondere ihr Finanzminister Boddenberg mit dem Corona-Sondervermögen Schiffbruch vor dem Staatsgerichtshof erlitten. Und dem allgemeinen Vernehmen nach war dieses Sondervermögen auf Wunsch der Grünen aufgelegt worden, die CDU hat sich darauf wohl nur zögerlich eingelassen.
 

Gestalten geht nur mit Investitionen


Im Wahlprogramm der SPD ist zur Frage kreditfinanzierter Investitionen und zur Schuldenbremse gar nichts zu lesen. Zwar werden höhere Investitionen des Landes in Aussicht gestellt, aber ihre Finanzierung soll letztlich durch höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen erfolgen. So richtig dies nicht zuletzt aufgrund der hohen Ungleichverteilung insbesondere der Vermögen in Deutschland ist: Das Land Hessen hat keinen Hebel, dies im Alleingang umzusetzen. Und auf der Bundesebene erscheint eine entsprechende Steuerpolitik aktuell nicht durchsetzbar, in einer Koalition mit der CDU in Hessen dürfte nicht einmal eine Bundesrats­initiative der hessischen Landesregierung möglich sein.


Von den beiden potenziellen Koalitionspartnern der Union haben lediglich die Grünen einen klaren Reformbedarf bei der Schuldenbremse formuliert. Sie treten faktisch für eine Rückkehr zur so genannten „Goldenen Regel“ – also zum Zustand vor der Schuldenbremse – ein: eine Kreditfinanzierung von Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sowie in Klimaschutz soll wieder möglich sein. Solange eine solche aktuell nicht durchsetzbare Änderung der Schuldenbremse unterbleibt, plädieren die Grünen für die angesprochenen Möglichkeiten der Umgehung des Investitionsverbots im Kernhaushalt, insbesondere durch „öffentliche Investitionsgesellschaften, Förderprogramme unter dem Dach der landeseigenen WIBank und die Schaffung von Investitionsfonds mit privatem Kapital“.


Aufgrund der Stärke der CDU und aufgrund der ganz offen neoliberalen Ausrichtung ihres Wahlprogramms – als Ziele genannt werden etwa eine Senkung der Staatsquote und geringere Unternehmenssteuern – ist nicht mit einem durchgreifenden Kurswechsel in der Landespolitik zu rechnen. Ganz im Gegenteil: Die bestehenden Probleme etwa im Bildungsbereich werden in den kommenden fünf Jahren vermutlich wachsen.


Kai Eicker-Wolf

Dr. Kai Eicker-Wolf ist Referent der GEW Hessen für finanzpolitische Fragen.