Öffnung des Fachkraftkatalogs in Kitas

HLZ September/Oktober 2023: Die Landtagswahl am 8. Oktober 2023

Die schwarz-grüne Koalition hat einige Änderungen im Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJHG) auf den Weg gebracht, die vom Landtag am 20. 7. beschlossen wurden und am 1. 8. 2023 in Kraft treten. Mit den Gesetzesänderungen soll dem Fachkraftmangel in der frühkindlichen Bildung begegnet werden. Die vermeintlichen Lösungsmöglichkeiten hierfür haben es allerdings in sich und gehen aus Sicht der GEW in die völlig falsche Richtung. Und die GEW steht damit nicht allein, wie das Positionspapier eines neuen „Bündnisses für frühkindliche Bildung in Hessen“ belegt. Der DGB Hessen-Thüringen, die GEW Hessen, der Kita-Fachkräfteverband Hessen (KFV) und ver.di Hessen fordern die Landesregierung auf, die Maßnahmen auf Eis zu legen, insbesondere

  • die Erweiterung des Fachkraftkatalogs durch sonstige Personen, deren Eignung das für Jugendhilfe zuständige Ministerium festgestellt hat (§ 25b Abs.1 Nr.16),
  • die Erweiterung des Personenkreises der sonstigen Personen um solche mit Ausbildungsniveau DQR 4 (§ 25b Abs.2)
  • und die erhöhte Anrechenbarkeit dieser sonstigen Personen auf den Mindestpersonalbedarf (§ 25b Abs.2 Nr.1) von bisher 15 auf nunmehr 25 Prozent.

Durch die Erweiterung bereits bestehender Möglichkeiten können in Zukunft noch mehr fachfremd ausgebildete Personen in den Kitas eingesetzt werden. Ein Viertel des Personalbedarfs kann durch fachfremd ausgebildete Personen abgedeckt werden, die überdies dann als Fachkräfte gezählt werden. Zynisch ließe sich anmerken, dass es bei konsequenter Beibehaltung dieses Weges dann eines schönen Tags mit dem Fachkraftmangel vorbei ist, weil schlussendlich alle und jede und jeder zur Fachkraft erklärt werden.


Durch die Gesetzesänderungen werden die bedenklichen Entwicklungen in der frühkindlichen Bildung weiter vorangetrieben: die deutliche Minderung der Qualität pädagogischer Arbeit, die Dequalifizierung des Berufsfeldes und in der Konsequenz eine Abwärtsspirale in Richtung der Aufbewahrung von Kindern.


Unverständnis im Berufsfeld

In den Kitas selbst wird das Ganze mit großer Besorgnis und Unverständnis wahrgenommen. Nach den Zumutungen der Corona-Pandemie (Arbeitsverdichtung, Sorgen um die eigene Gesundheit und das Wohlergehen anderer) erfolgt nun auch noch ein Angriff auf die Profession. Viele Kolleg:innen fragen sich, ob sie bei den absehbaren Verschlechterungen noch eine Perspektive für sich im Beruf sehen. Die eigene Qualifizierung wird entwertet, es drohen weitere Mehrarbeit zur Einarbeitung fachfremder Kolleg:innen und ein Qualitätsverlust in der pädagogischen Arbeit. All das lässt Zweifel aufkommen und wird dazu führen, das sich manche erfahrene Fachkraft anderweitig umsieht.


Um Missverständnissen vorzubeugen: Fachfremd ausgebildete Personen können im Kitaalltag sicher wichtige und gute Beiträge leisten, persönlich geeignet und hoch motiviert sein. Dies macht sie aber nicht zu Expert:innen frühkindlicher Bildung, wie es ausgebildete Erzieher:innen nun einmal sind. Dem Fachkraftmangel kann begegnet werden, indem Menschen zu Fachkräften ausgebildet werden. Der richtige Weg wäre aus gewerkschaftlicher Sicht, die in Kitas fachfremd arbeitenden Menschen so fort- und weiterzubilden, dass sie am Ende die staatliche Anerkennung erhalten. Grundsätzlich sollten durch verbesserte Ausbildungsbedingungen, bezahlte Ausbildungswege sowie attraktivere Arbeitsbedingungen mehr Fachkräfte gewonnen werden. Die Lösung liegt in einem „Mehr an Qualität“, nicht in einer zunehmenden Dequalifizierung der Profession.


Am 20. September auf die Straße gehen!

Um dieses „Mehr an Qualität“ zu erreichen, braucht es im Wesentlichen mehr Ressourcen für und in der frühkindlichen Bildung. Um politisch Druck zu machen, die Gesellschaft weiter zu sensibilisieren und Entscheidungsträger zu beeindrucken, bieten die Bildungsdemonstrationen am 20.9. eine gute Gelegenheit. Im Bündnis mit Eltern- und Schüler:innenvertretungen und dem DGB sollten gerade auch Erzieher:innen gemeinsam unübersehbar und unüberhörbar klarmachen: Schluss mit dem „Weiter so“! Gute Bildung braucht gute Bedingungen!


Dr. Isabel Carqueville und Andreas Werther,

Referentin bzw. Referent für Sozialpädagogik und Weiterbildung der GEW Hessen