Anpacken oder weiter ignorieren?

Investitionsstau beim Neubau und der Sanierung von Schulen

Am 19. September sollte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) im ARD-Morgenmagazin die Frage beantworten, wie er den baulichen Zustand der Schulen in Hessen beurteilt und was die Landesregierung tut, um die Schulträger zu unterstützen. Zu dem von der GEW Hessen errechneten Investitionsbedarf in Höhe von 5 Milliarden Euro wollte er sich nicht äußern: Die GEW müsse „überhaupt erst einmal darlegen, wie sie auf diese Zahl kommt und wie sie überhaupt auf dieses Volumen kommt“. Auch das Hessische Kultusministerium erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur, man könne die Zahlen der GEW „nicht einordnen oder kommentieren“. GEW-Vorsitzender Thilo Hartmann empfahl der Landesregierung, die sich übrigens seit Jahren hartnäckig weigert, den Investitionsbedarf auch nur zu erheben, den Blick in die Ende August veröffentlichte Studie der GEW, in der die seit Jahren erhobenen Zahlen aktualisiert wurden. Kai Eicker-Wolf fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.


Jedes Jahr im Frühsommer stellt die KfW-Bank ihr so genanntes Kommunalpanel vor, das unter anderem den durch eine Umfrage ermittelten Investitionsrückstand auf der kommunalen Ebene enthält. Laut aktuellem Kommunalpanel liegt dieser Investitionsrückstand bundesweit bei 166 Milliarden Euro. Den größten Investitionsstau mit fast 30 Prozent (47,5 Milliarden Euro) weisen dabei die Schulen auf.


Leider enthält das KfW-Kommunalpanel keine Daten für die  Bundesländer. Und auch in Hessen gibt es keine vergleichbare Abfrage durch die Landesregierung, müsste sie doch fürchten, dass ihr die Zahlen von der Opposition zum Vorwurf gemacht werden und die Forderung nach einer besseren Finanzausstattung der Schulträger erhoben wird. Aber auch wenn es keine exakten Daten zum Investitionsstau in den hessischen Schulen gibt, so dürfte dieser bei geschätzt rund fünf Milliarden Euro liegen. Dieser Schluss liegt aufgrund der wenigen verfügbaren Zahlen für den Investitionsstau einzelner hessischer Schulträger im Zusammenhang mit den Daten des KfW-Kommunalpanels nahe.


Gewisse Rückschlüsse lassen sich aus den laufenden Investitionen und den Unterhaltungsausgaben im Bereich der Schulgebäude ziehen. Entsprechende Daten für den vergleichsweise langen Zeitraum von 1992 bis 2021 lassen sich auf Grundlage einer Sonderauswertung des Hessischen Statistischen Landesamts und einer Abfrage bei den hessischen Schulträgern durch die GEW Hessen gewinnen. Danach fallen die Ausgaben im Bereich der Schulgebäude sehr ungleich aus. Die Spannweite ist enorm groß und lag in den letzten  30 Jahren nach den Durchschnittwerten pro Schülerin und Schüler zwischen 269 Euro in Kassel und 1.361 Euro im Hochtaunuskreis (siehe Tabelle).


Neben einem Vergleich zwischen den Landkreisen und den kreisfreien Städten ist auch die Entwicklung der gesamten Schulbauinvestitionen in Hessen interessant. So sind diese nach einem Tiefpunkt im Jahr 2015 mit knapp 313 Millionen Euro wieder gestiegen auf zuletzt 560 Millionen Euro (2021). Aber auch dieser Wert liegt noch beträchtlich hinter den Investitionsausgaben der Jahre 2010 und 2011 in Höhe von jeweils fast 900 Millionen Euro. Damals wurde mit staatlichen Förderprogrammen – unter anderem einem großen Sonderinvestitionsprogramm des Landes Hessen – dem Konjunktureinbruch im Zuge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich entgegengewirkt. Die hessischen Gewerkschaften forderten damals, die Investitionen der Kommunen auf dieser Höhe für mehrere Jahre zu verstetigen. Dann wären bis 2021 gut fünf Milliarden Euro mehr in die hessischen Schulgebäude geflossen und von einem Investitionsstau würde heute niemand mehr sprechen.


Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag für die letzte Legislaturperiode von 2018 bis 2023 war zu lesen, dass das Land die Kommunen im Rahmen eines weiteren kommunalen Investitionsprogramms bei der Sanierung der Schulen unterstützen werde. Tatsächlich ist ein solches Programm von Schwarz-Grün nicht umgesetzt worden.

Kai Eicker-Wolf
 
Alle Zahlen und Veröffentlichungen: www.gew-hessen.de/themen/einstuerzende-schulbauten