Zur Entfristung eines Wissenschaftlers der Justus-Liebig-Universität Gießen

durch das Arbeitsgericht nach 16 befristeten Arbeitsverträgen

PM 4. August 2014

 

„Die Hochschulen müssen zu einer verantwortungsbewussten Personalpolitik zurückkehren und dem Missbrauch der Befristung endlich ein Ende bereiten!“

Karola Stötzel, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Hessen, erklärt aus diesem Anlass: „Wir betrachten das Gießener Urteil als ein starkes  Signal an die Hessischen Hochschulen und das Land Hessen, endlich zu einer verantwortungsbewussten Personalpolitik zurückzukehren und  dem Missbrauch immer wieder erneut befristeter Arbeitsverträge endlich ein Ende zu bereiten!

Die Hochschulen nutzen das Befristungsrecht des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gnadenlos auf Kosten der Beschäftigten aus. Inzwischen sind neun von zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern befristet tätig – oft mit Vertragslaufzeiten von nur wenigen Monaten. Wir freuen uns, dass das Arbeitsgericht Gießen dem nun entgegentritt und damit auch die GEW-Forderung nach der dringend gebotenen  Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes unterstützt.“

Am Freitag (1. August) hat das Arbeitsgericht Gießen von der Justus-Liebig Universität die unbefristete Einstellung eines Wissenschaftlers gefordert, der über zehn Jahre auf der Grundlage von 16 befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt worden ist. Die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses war dem Arbeitsgericht Gießen zufolge unrechtmäßig, da sie im Rahmen des landeseigenen Drittmittelprojekts LOEWE stattgefunden hat. Aus dem Landeshaushalt finanzierte Projekte dürfen dem Urteil zufolge jedoch nicht als Drittmittel gewertet werden, für die das Wissenschaftszeitvertragsgesetz besonders weitgehende Befristungsmöglichkeiten eröffnet.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ermöglicht es Hochschulen, wissenschaftliches Personal deutlich länger zu befristen, als das bei anderen Beschäftigungsverhältnissen nach dem Teilzeit- und Befristungsrecht möglich ist. So können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Regel über insgesamt sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion befristet eingestellt werden. In Drittmittelprojekten ist sogar unbegrenztes Befristen erlaubt.

Da Beschäftigte in LOEWE-Projekten nach diesem Urteil nicht mehr als Drittmittelbeschäftigte gewertet werden können, dürfte sich für eine größere Zahl ein Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung ergeben. Ob ein solcher Anspruch besteht, lässt sich nur auf der Grundlage der noch ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung und unter Berücksichtigung der individuellen Beschäftigungsbiographie abschließend klären.

Den aktuellsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2012 zufolge dürfte dies für eine größere Beschäftigtenzahl gelten: So waren 2012 hessenweit unter anderem 721 Doktorandinnen und Doktoranden, 305 Postdoktoranden und 263 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen LOEWE-Projekten tätig. Hinzu kommen 277 nicht-wissenschaftliche Beschäftigte mit technischen und administrativen Aufgaben.

Karola Stötzel sagte abschließend: „Die Hessischen Hochschulen müssen deutlich mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine dauerhafte Perspektive eröffnen – sie sind gefordert, den Betroffenen eine unbefristete Beschäftigung anzubieten.  Die GEW wird das Urteil prüfen und ihre Mitglieder über ihre möglichen rechtlichen Ansprüche informieren.“