Schönfärberei zum Schuljahresbeginn

Zur Regierungserklärung von Kultusminister Lorz

Pressemitteilung 1. September 2020

Kultusminister Lorz vertritt in seiner Regierungserklärung am 1. September 2020 erneut die Ansicht, dass der Schulstart von den Schulen „in beeindruckender Weise gemeistert“ worden sei und die regionalen Regelungen zum Tragen von Masken sich „bewährt“ hätten. Die GEW Hessen begrüßt es, dass Kultusminister Lorz sich nun endlich mit den Schulträgern ins Benehmen setzen will, um das Problem der Schülerbeförderung anzugehen. Die GEW Hessen erwartet, dass diese Abstimmung mit den Schulen vor Ort erfolgt.

Maike Wiedwald, Vorsitzende GEW Hessen, sagte zur Einschätzung des Kultusministers zum Schuljahresbeginn: „Wir halten dieses Fazit von Kultusminister Lorz nach wenigen Unterrichtstagen für reine Schönfärberei. Die Sorgen von Eltern, Schülerinnen und Schülern und Pädagoginnen und Pädagogen und die Belastungen durch die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie  werden unter den Teppich gekehrt“.

Der GEW Hessen liegen zahlreiche Anfragen von Kolleginnen und Kollegen, die die Reaktionen der Gesundheitsämter auf Covid-19-Fälle an ihren Schulen nicht nachvollziehen können. Demnach scheint es eine sehr unterschiedliche Praxis bezüglich der Anordnung von notwendiger Quarantäne und weiterer Maßnahmen zu geben.

Wiedwald führte weiter aus: „Das eine ist es, vom „Grünen Tisch“ Hygienemaßnahmen anzuordnen, das andere sind die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten in den Schulen. Selbstverständlich wissen auch wir, dass es richtig ist, den Einzelfall zu prüfen und auf die einzelne Situation abgestimmte Maßnahmen anzuordnen. Für die Betroffenen, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen ergibt sich aber daraus ein Maßnahmechaos, das keiner mehr versteht. Wir setzen uns daher nach wie vor dafür ein, dass Transparenz für alle Beteiligten hergestellt und dass ein Stufenplan erstellt wird, der beschreibt, welche Maßnahmen aus unterrichtlicher Sicht bei welchem Infektionsgeschehen greifen sollte“.

In Anbetracht der Infektionszahlen halten einige Landkreise und Städte an bereits beschlossenen Verpflichtungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung fest, neue kommen hinzu. Zu ihnen gehört der Kreis Groß-Gerau. An mehreren Schulen ist der Sportunterricht im Präsenzunterricht mittlerweile ausgesetzt, ganze Jahrgangsstufen befinden sich in Quarantäne und im Distanzunterricht. Die GEW Hessen teilt die Ansicht des Groß-Gerauer Landrats, der „die Rückkehr zur Regelschule mit der ursprünglichen Klassengröße […] angesichts der steigenden Infektionszahlen ohne weitere Schutzmaßnahmen für zu riskant“ hält.

Birgit Koch, ebenfalls Vorsitzende der GEW Hessen, sagte dazu: „Wir sind als GEW Hessen nach wie vor der Ansicht, dass ein Unterrichten in kleinen Lerngruppen, in denen die Abstandsregelungen eingehalten werden können, der beste Schutz vor einer Infektion ist. Selbstverständlich muss dies mit einem Mund-Nasen-Schutz kombiniert werden, wenn zum Beispiel beim Kommen und Gehen ein Abstandhalten nicht möglich sein sollte. Schulen haben entsprechende Konzepte ausgearbeitet, die geeignete Maßnahmen vorsehen:  versetzte Unterrichts- und Pausenzeiten, Förderangebote am Nachmittag in kleineren Lerngruppen statt Unterricht mit Maske über den ganzen Tag, Kombinationen von Präsenzunterricht mit Phasen des Lernens zu Hause und vieles mehr. So kann Abstand gehalten werden und die Zumutung, die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes über Stunden hinweg bedeutet, verringert werden“.

Auf Empörung der GEW trifft daher das Verhalten des Kultusministeriums und der Schulaufsicht in den letzten zwei Wochen, solche Konzepte einfach vom Tisch zu wischen und für „unzulässig“ zu erklären.

Der GEW Hessen liegen konkrete Berichte aus vielen hessischen Schulen vor, dass sinnvolle Überlegungen „von oben“ untersagt wurden, um die Fiktion eines „normalen Schuljahres im Regelbetrieb“ zu retten.

Schulen, die anstelle von klassenübergreifendem Religionsunterricht Ethik im Klassenverband anbieten wollten, um Infektionsbrücken zu vermeiden, wurden angewiesen, dies zu unterlassen. Die selbe Erfahrung machten Schulen, die versetzte Anfangszeiten organisieren oder Lerngruppen teilen wollten oder den Nachmittagsunterricht durch Förderunterricht in kleineren Lerngruppen ersetzt haben, in denen der Abstand eingehalten werden kann. Auch Regelungen, in denen auf Kurssysteme an Gesamtschulen verzichtet und klassenintern differenziert werden sollte, wurden untersagt.

Maike Wiedwald sagte abschließend: „Gleichzeitig sieht aber der Hygieneplan vor, gleichbleibende Gruppen zu bilden und eine Mischung von Klassen und Jahrgängen als mögliche „Infektionsbrücken“ zu verhindern. Das passt alles nicht zusammen! Schultage, an denen Kinder und Jugendliche einschließlich der Zeit in überfüllten Schulbussen, im Nachmittagsunterricht und in der Ganztagsbetreuung bis zu acht Zeitstunden eine Maske tragen sollen, sind nicht zumutbar. Alle Schulen bemühen sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kräften, soviel Unterricht und Normalität wie möglich zu organisieren. Hierbei brauchen sie Unterstützung durch die Schulaufsicht und das Kultusministerium. Dass ihnen stattdessen alle Spielräume genommen werden, den Anspruch auf Bildung und den Gesundheitsschutz besser zu vereinbaren, ist für uns nicht hinnehmbar“.