Der Landesausländerbeirat Hessen, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V., die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Hessen sowie die GEW Hessen weisen auf den Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember hin. Im Jahr 2018 besteht besonderer Anlass, diesen Tag bewusst zu begehen. Zum einen jährt sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in diesem Jahr zum 70. Mal. Diese wurde am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris verkündet. Zum anderen sind aktuell besorgniserweckende politische Strömungen zu beobachten – global und auch in Deutschland – welche die unveräußerlichen Rechte eines jeden einzelnen Menschen zu relativieren trachten.
Am Beispiel des in Artikel 26 verankerten Rechts auf Bildung lässt sich aufzeigen, dass es auch in der Bundesrepublik nach wie vor gilt, an einer vollumfänglichen Einlösung der verbrieften Menschenrechte zu arbeiten. Dazu erklärt Birgit Koch, Vorsitzende der GEW Hessen: „Vernor Muñoz, der ehemalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung, hat bereits vor zehn Jahren einen sehr kritischen Bericht zum deutschen Bildungssystem vorgelegt. In seinem Bericht hat er moniert, dass dieses den menschenrechtlich begründeten Ansprüchen an Bildungsgerechtigkeit angesichts ausgesprochen ungleich verteilter Bildungschancen nicht gerecht wird. So attestierte er einen eingeschränkten Zugang zu Bildung und deutlich geringere Bildungserfolge, insbesondere in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft sowie von einem bestehenden Migrationshintergrund. An diesem Grundproblem hat sich leider wenig geändert, wie zum Beispiel jüngst der Nationale Bildungsbericht 2018 aufgezeigt hat.“
Eine besondere Herausforderung für das deutsche Bildungssystem besteht auch in der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund in und durch Bildung. Diesem Thema hat sich jüngst auch die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, in ihrem Weltbildungsbericht gewidmet. An dessen Ergebnisse erinnert Inge Müller, Referentin für Jugend und Migration der Diakonie Hessen: „Die UNESCO hat vor wenigen Tagen in ihrem Weltbildungsbericht ‚Migration, Flucht und Bildung: Brücken bauen statt Mauern‘ auf die hohe Bedeutung von Bildung für die Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen hingewiesen. Der Bericht spricht auch eindeutige Handlungsempfehlungen an die bildungspolitischen Akteure aus, an denen sich auch die hessische Bildungspolitik orientieren muss. So fordert die UNESCO, dass Geflüchtete in die nationalen Bildungssysteme eingebunden werden. Daher müsse unter anderem eine möglichst umfassende Integration in die regulären Bildungseinrichtungen erfolgen. Hier sehen wir zum Beispiel das Problem, dass die Schulpflicht in hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen nicht gilt – und damit der faktische Zugang zum regulären Bildungssystem bis zu sechs Monate, für Menschen aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern sogar unbegrenzt, ausgesetzt bleibt. Eine generell bildungsausschließende Wirkung hat das geltende Schulrecht für die jungen Menschen, die die Altersgrenze von 18 Jahren überschritten haben.“
Über die Frage des Zugangs zu Bildung hinaus fordert der Weltbildungsbericht aber auch eine sachliche Auseinandersetzung mit Migration und Flucht im Unterricht, um so Vorurteile zu hinterfragen. Diesen Auftrag sieht Enis Gülegen, Vorsitzender des Landesausländerbeirats, als einen Bestandteil der aus vielen Gründen dringend zu stärkenden politischen Bildung: „Die politische Bildung und die Demokratieerziehung an der Schule haben unter anderem den höchstwichtigen Auftrag, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, an demokratischen Willensbildungsprozessen reflektiert teilzuhaben. Die Auseinandersetzung mit den Menschenrechten ist für uns ein zentraler Bestandteil der Demokratieerziehung. Daher begrüßen wir es, dass der Gesetzgeber bei der letzten Novellierung des Hessischen Schulgesetzes die Menschenrechtsbildung ausdrücklich als Bildungs- und Erziehungsaufgabe der Schulen verankert hat. Diese rechtliche Vorgabe muss nun auch in der praktischen Umsetzung mit Leben gefüllt werden.“