Sackgasse Privatisierung

GEW für Rekommunalisierung der Schulreinigung

HLZ 11/2021: GEW-Landesdelegiertenversammlung

In der HLZ 9-10/2021 beschrieb GEW-Referent Kai Eicker-Wolf die Folgen der Privatisierung der Schulreinigung. In der Diskussion des GEW-Landesvorstands über einen entsprechenden Antrag wurde deutlich, dass das Thema nicht nur für die Schulen, sondern auch für Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen von großer Relevanz ist. Die GEW Hessen beschloss das folgende Grundsatzpapier mit der Forderung nach einer Rekommunalisierung der Schulreinigung und wird sich auch an einer geplanten Kampagne des DGB für eine Rückführung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge in die öffentliche Verantwortung beteiligen.

Mit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die hygienische Situation in den Schulen in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten Schulträger haben darauf reagiert – mit Seife, Papierhandtüchern, Desinfektionsmittel, zusätzlichem Geld für Reparaturen der Sanitäranlagen und Präsenz-Reinigungskräften für Schultoiletten.

Das Problem von unsauberen Schulen ist allerdings schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der öffentlichen Berichterstattung präsent gewesen – und dieses Problem verlangt langfristig angelegte Lösungen. So wurde in den vergangenen Jahren immer wieder darüber berichtet, dass Kinder aufgrund von Hygienemängeln den Gang auf die Schultoilette scheuen. Bauliche und hygienische Unzulänglichkeiten gehen hier häufig Hand in Hand. Dabei sind verdreckte und stinkende Schultoiletten nur die Spitze des Eisbergs, denn Klagen über eine unzureichende Reinigung waren und sind auch mit Blick auf Klassen- und Lehrerzimmer oder Sporthallen zu hören. Wie groß das Problem ist, zeigt eine bundesweite und repräsentative Umfrage im Auftrag der GEW aus dem vergangenen Jahr, die auch Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer enthält. Gut 70 Prozent der Befragten in Hessen teilten die Einschätzung, dass die hygienische Grundausstattung an Schulen vor der Corona-Pandemie durch die Politik vernachlässigt wurde. Und 80 Prozent sind der Auffassung, dass die hessischen Schulen auch über die Pandemie hinaus stärker auf die hygienischen Grundvoraussetzungen achten sollten.

Verantwortlich für mangelnde Sauberkeit und Hygiene in den Schulen ist der Sparkurs vieler Schulträger. Die meisten haben die Reinigung schon vor vielen Jahren privatisiert – verbunden mit der Hoffnung, dass so die Kosten sinken. Dies ist in der Regel auch erreicht worden, allerdings auf Kosten der Qualität der Hygiene und zu Lasten der Beschäftigten. Oft können die externen Reinigungskräfte kaum mehr als oberflächlich die Schulböden putzen und hetzen von Raum zu Raum, da ihnen viel zu wenig Zeit für die Reinigung zur Verfügung steht. Eine zentrale Rolle spielt der enorme Verdrängungswettbewerb in der Reinigungsbranche, der vor allem über möglichst niedrige Personalkosten ausgetragen wird. Dort, wo die Schulen mit direkt beim Schulträger beschäftigten Arbeitskräften gereinigt werden, sind die Schulen in einem besseren hygienischen Zustand.


Forderungen der GEW Hessen


Vor diesem Hintergrund fordert die GEW:

  • die Rekommunalisierung der Schulreinigung in Hessen,
  • ausreichend Personal und Zeit für die Schulreinigung,
  • eine grundlegende Reinigung ohne Ausnahmen,
  • Entlohnung aller Reinigungskräfte nach dem TVöD,
  • mindestens eine Präsenzreinigungskraft in jeder Schule
  • sowie ausreichendes Hygienematerial an jeder Schule.

Die Frage, ob die öffentliche Hand eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen soll oder diese besser auf private Unternehmen übertragen werden sollte, ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr häufig zugunsten der Privatwirtschaft beantwortet worden. Privatisierungen – also die Verlagerung von bisher vom Staat durchgeführten Funktionen, Aufgaben oder Vermögenswerten in den privaten Sektor – wurden und werden in der Regel damit begründet, dass private Unternehmen wirtschaftlicher arbeiten und die entsprechenden Güter und Leistungen kostengünstiger bereitstellen würden. Zudem erfolgen Privatisierungen häufig aus fiskalischen Gründen: Werden Erlöse durch die Privatisierung erzielt, sollen so Defizite in öffentlichen Haushalten verringert werden.

Privatisierung kommt uns teuer zu stehen

Private Unternehmen und ihre Verbände haben ein ausgeprägtes Interesse, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, weil sie sich hiervon Gewinne versprechen: in der Ver- und Entsorgung, bei Krankenhäusern und in Reinigungsdienstleistungen. Sie wollen von öffentlichen Zahlungen profitieren, die durch einen regelmäßigen und verlässlichen Geldfluss im Vergleich zu ihrer anderen Betätigung kaum risikobehaftet sind – zu denken ist etwa an Betreuungs- und Pflegeaufgaben oder das Gebäudemanagement von Schulen.

Tatsächlich jedoch halten Privatisierungen in der Regel nicht, was sie versprechen. Steigende Preise durch Gewinnaufschläge, Qualitätsmängel und eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten kennzeichnen im Wesentlichen die Folgen von Privatisierungen. Mit Privatisierungen ist auch der Rückzug der öffentlichen Steuerung durch die Politik verbunden – oder diese wird zumindest erschwert, da aufgrund von bestehenden Vertragslaufzeiten häufig nicht flexibel auf Änderungen reagiert werden kann. Deshalb werden Privatisierungen in vielen Fällen auch wieder rückgängig gemacht – auf der kommunalen Ebene wird dies als Rekommunalisierung bezeichnet. Auch in der Gebäudereinigung ist es in der jüngeren Vergangenheit zu Rekommunalisierungen gekommen.

Die Gebäudereinigung ist das beschäftigungsstärkste Handwerk in Deutschland. Der große Beschäftigungszuwachs der Branche in den vergangenen Jahrzehnten hat seine Ursache in der seit den 1970er Jahren wachsenden Auslagerung der Reinigung und deren Vergabe an private Dienstleistungsunternehmen durch öffentliche Einrichtungen und Kommunen. Gebäudereinigungsdienstleistungen werden nicht mehr von Beschäftigten des eigenen Hauses oder der eigenen Einrichtung durchgeführt, sondern von beauftragten Dienstleistungsunternehmen.

In der Gebäudereinigung mit rund 680.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dominieren geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Form von Minijobs (33,5 Prozent im Jahr 2018) und kleinen Teilzeitbeschäftigungen mit Arbeitszeiten am Rande des Tages oder in der Nacht. Nach dem Einzelhandel und der Gastronomie ist die Gebäudereinigung die Branche mit den meisten geringfügig entlohnten Beschäftigten. Hiervon haben fast 40 Prozent zusätzlich einen sozialversicherungspflichtigen Job, befristete Verträge sind stark verbreitet.

Etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen (26.000) beschäftigt weniger als fünf Arbeitskräfte. Lediglich in knapp neun Prozent der Unternehmen sind 50 und mehr Personen tätig. Entsprechend stark konzentrieren sich auch die Umsätze: 629 Unternehmen im Reinigungshandwerk – das sind 2,6 Prozent aller Reinigungsunternehmen – erzielen 54 Prozent des gesamten Branchenumsatzes.

Missachtung von Tarifverträgen

Die Wettbewerbsintensität in der Reinigungsbranche ist sehr hoch. Der Wettbewerb erfolgt vor allem über die Personalkosten, da diese bei über 70 Prozent liegen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitskräfte arbeitet trotz des allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrages im Niedriglohnsektor.

Durch den erwähnten hohen Einsatz von geringfügig Beschäftigten versuchen Unternehmen Lohnkosten einzusparen, indem keine oder lediglich eine unvollständige Vergütung von Überstunden, Urlaub und Krankheit gewährt wird – obwohl der Rahmentarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks genau dies vorgibt. Im Wettbewerb um Aufträge versuchen Unternehmen der Reinigungsbranche in der Regel über den niedrigsten Preis erfolgreich zu sein. Über die sogenannte Flächenleistungsverdichtung werden die Angebots­preise gesenkt. Die kalkulierte Arbeitszeit wird verkürzt, indem der Preis bezüglich der Flächenleistung gesenkt wird. Die Arbeit wird massiv verdichtet, der Zeitdruck für die Reinigungskräfte nimmt zu und letztlich leiden so die Qualität der Leistung und die Arbeitszufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten. Verbreitet sind zudem Vergütungen nach gereinigten Objekten, Zimmern oder Flächen, für deren Reinigung zu wenig Zeit einkalkuliert wird (sogenannte „Objektlöhne“). Dies führt unter Umständen dazu, dass gesetzeswidrig der Mindestlohn unterlaufen wird.

  • Dass die Privatisierung der Reinigung von Bildungseinrichtungen nicht unumkehrbar ist, zeigen die auf dieser Seite dokumentierten erfolgreichen Initiativen von Personalräten, Gewerkschaften und Eltern aus Berlin und Düsseldorf.