GEW-Personalräte ziehen Corona-Bilanz

Landesregierung muss zurück zur gesetzeskonformen Beteiligung

HLZ 12/2021: Studieren in Hessen

Seit Mitte März 2020 befindet sich der schulische Bildungsbetrieb in Hessen nun schon unter Corona-Bedingungen und seitdem müssen auch die Personalräte der Lehrkräfte und sozialpädagogischen Fachkräfte im Schuldienst an den Schulen, Staatlichen Schulämtern, Studienseminaren und am Kultusministerium im „Corona-Modus“ arbeiten. Dieser war bis jetzt vor allem dadurch geprägt, dass die Schul- und Arbeitsorganisation sowie die Hygiene­maßnahmen für alle Schulformen in einem gewaltigen Tempo immer wieder neu an die jeweiligen Pandemiebedingungen angepasst werden mussten. Die Beteiligung der jeweils zuständigen Personalräte an den mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen blieb dabei allerdings oft auf der Strecke. Auf einer Pressekonferenz zogen in der GEW organisierte Personalräte eine erschreckende Bilanz. Dazu legten Katja Pohl (Gesamtpersonalrat Groß-Gerau Main-Taunus), Tony C. Schwarz (Gesamtpersonalrat Bergstraße-Odenwald), Peter Zeichner (Hauptpersonalrat) und der GEW-Landesvorsitzende Thilo Hartmann konkrete Beispiele vor.

Mitbestimmung im Corona-Modus
Für den öffentlichen Dienst in Hessen regelt das Hessische Personalvertretungsgesetz (HPVG) alles rund um die Personalvertretungen in den Dienststellen und insbesondere auch, auf welchen Gliederungsebenen des Schulsystems Personalvertretungen einzurichten sind und welche von der Dienststellenleitung geplanten Maßnahmen der Mitbestimmung der Personalräte unterliegen. So gibt es im Kultusbereich örtliche Personalräte an allen Schulen und Studienseminaren, Gesamtpersonalräte an allen 15 Staatlichen Schulämtern in Hessen und einen Hauptpersonalrat, der direkt beim Kultusministerium angesiedelt ist.

All diese Personalräte haben an ihren Dienststellen nach § 74 HPVG Mitbestimmungsrechte, wenn es um Fragen der Arbeitsorganisation oder um Arbeitsschutzmaßnahmen geht. Der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten unterliegen unter anderem Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufes, Regelungen der Ordnung und des Verhaltens der Beschäftigten an der Dienststelle sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Auch das Arbeitsschutzgesetz enthält grundlegende Pflichten der Arbeitgeber, die unter anderem nach § 3 ArbSchG für die Planung und Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen Vorkehrungen zu treffen haben, dass „die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können“.

Zeitdruck oft vorgeschoben
Viele Maßnahmen, die die Bundesregierung im Rahmen der „Bundesnotbremse“ oder die hessische Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie getroffen haben, betreffen alle gesellschaftlichen Bereiche und sind nicht schulspezifisch, so dass hier auch keine Mitbestimmungsrechte der örtlichen oder übergeordneten Schulpersonalräte bestehen. Einiges ergibt sich auch gesetzlich zwingend aus dem Infektionsschutzgesetz oder anderen gesetzlicher Vorgaben. Verständnis zeigten die GEW-Personalräte im Gespräch auch für das notwendige Tempo zu Beginn der Pandemie, mit dem Maßnahmen ergriffen werden mussten, wo selbst bei den besten Beteiligungsabsichten eine vorherige Beteiligung von Personalräten zeitlich schlicht nicht möglich war. Bei einigen Maßnahmen, die stärkere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften darstellen (wie z.B. die Masken- oder Testpflicht), mag es auch gute Gründe geben, diese rechtlich auf einer hohen Ebene zu verankern. Dennoch sind Personalräte je nach Vertretungsebene aber bei Arbeitsschutz- und Arbeitsorganisationsmaßnahmen (im oben spezifizierten Rahmen) prinzipiell im Vorfeld zu beteiligen, wenn Gesetze oder Verordnungen dafür Handlungsspielräume zur Ausgestaltung lassen. Und die gab es nach Auffassung der GEW-Personalräte auf jeder Personalvertretungsebene zu Genüge.

Es gab viele Maßnahmen und Anordnungen, wie der Unterricht in Präsenz-, Hybrid- oder Distanzformen in den verschiedenen Schulformen und Jahrgangsstufen organisiert werden soll, für die dies aus Sicht der GEW-Personalräte gilt. Hier war der extreme Zeitdruck, mit dem dann auch noch die Missachtung der Personalratsrechte begründet wurde, schlicht hausgemacht. Hier hätten Irritationen, Missverständnisse, die anschließend wieder korrigiert werden mussten, und Fehlentscheidungen durch eine Beteiligung von Personalräten oder bei Verordnungen auch von Verbänden und Gewerkschaften der Lehrkräfte und sozialpädagogischen Fachkräfte vermieden werden können. Dies hätte darüber hinaus auch für mehr Akzeptanz der Planungen bei den im Schulwesen Beschäftigten gesorgt.

Die Gesamtpersonalräte waren ebenso wie der Hauptpersonalrat von der neuen Direktionskultur per Verordnung betroffen und hatten wie die Schulämter selbst kaum noch Spielräume für die Mitgestaltung. Das nicht nur zu Coronazeiten schwierige Zuständigkeitsgerangel zwischen den Schulträgern und den Schulämtern als untergeordneten Behörden des Kultusministeriums nahm noch einmal an Intensität zu.

Hier berichteten die GEW-Personalräte von den Problemen bei der Ausgabe der dienstlichen Leihgeräte an Lehrkräfte durch die Schulträger, die gar keine direkten Verhandlungspartner der Gesamtpersonalräte sind. Schließlich haben Gesamtpersonalräte derzeit oft hart darum zu kämpfen, überhaupt nur Informationen zum Infektionsgeschehen an den Schulen zu bekommen, obwohl diese minutiös und detailliert an das Kultusministerium gemeldet werden müssen.

Auch Schulpersonalräte berichten, dass Schulleitungen derzeit oft von oben „durchregieren“ und weder Personalräte noch andere schulische Gremien wie die Gesamtkonferenz oder die Schulkonferenz in ihre Planungen mit einbeziehen. Dabei gilt gerade an den Schulen, dass die Vorgaben des Kultusministeriums zur Schulorganisation sowie die stets zu aktualisierenden schulischen Hygienepläne sehr viel besser umgesetzt werden können, wenn die Interessen, Erfahrungen und Wahrnehmungen der Beschäftigten ausreichend berücksichtigt werden.

Erklärung hessischer Personalräte
Wir GEW-Personalräte wollen gar nicht die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen der Landesregierung grundsätzlich bestreiten und wir hatten zu Anfang der Pandemie durchaus Verständnis für die notwendige Geschwindigkeit, mit der Maßnahmen ergriffen werden mussten. Doch jetzt sind wir im zweiten Jahr der Pandemie und es kann nicht sein, dass die Mitbestimmung der Personalräte in einem Land, das die Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretungen in Artikel 37 seiner Verfassung festgeschrieben hat, immer wieder unterlaufen wird!

Es ist möglich und rechtlich notwendig, die Maßnahmen, die insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitsorganisation der Mitbestimmung unterliegen, aus den Corona-Allgemeinverordnungen der Landesregierung herauszulösen und die Personalratsgremien wieder gesetzeskonform nach dem HPVG vor der Umsetzung von Maßnahmen zu beteiligen. Dies ist aber nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern es führt auch zu praktikableren Maßnahmen und erhöht deren Akzeptanz bei den Kolleginnen und Kollegen vor Ort!

Gleichzeitig fordern wir die Landesregierung auf, jetzt endlich in den angekündigten und zugesagten Dialog mit den Gewerkschaften über eine Reform des HPVG einzutreten. Die DGB-Gewerkschaften haben dazu ein Positionspapier entwickelt, das die Forderungen für alle Ressorts der Landesverwaltung bündelt. Für den Kultusbereich fordern wir neben der Ausweitung von Mitbestimmungstatbeständen vor allem auch bessere Freistellungsregelungen für Personalräte insbesondere auf der örtlichen und der Gesamtpersonalratsebene, damit sie die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen in einem stetig komplexer werdenden Berufsfeld weiter kompetent vertreten und auf Augenhöhe mit ihren Dienststellenleitungen verhandeln können.