Offener Brief zum Landeshaushalt

an die Fraktionen im Hessischen Landtag

Angesichts der laufenden Beratungen über den Haushalt 2020 des Landes Hessen möchtendie GEW Hessen noch einmal an ihreForderung nach einem Sofortprogramm für Bildung in Höhe von 500 Millionen Euro erinnern. Die GEW hat diese im Rahmen der letzten Landtagswahl erhoben und angesichts der guten Finanzlage zusätzliche Landesausgaben in dieser Höhe gefordert – verteilt auf die Bereiche Kita, Schule und Hochschule.

Auszug aus dem Brief

"Leider sind – trotz guter Einnahmensituation – unsere Vorschläge so gut wie nicht aufgegriffen worden. Zu unserem Bedauern hält das Land sogar an der Reduzierung des Schuldenstandes fest. Dies ist ökonomisch nicht zu begründen, da aufgrund der Schuldenbremse die Schuldenstandsquote, die das relevante Maß für die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung darstellt, in den nächsten Jahren drastisch sinken wird. Aus unserer Sicht wäre es ein Gebot der Generationengerechtigkeit, das Bildungssystem ausreichend zu finanzieren, anstatt am Ziel der so genannten „schwarzen Null“ festzuhalten oder Kredite zu tilgen.

Generell fallen die Ausgaben für Bildung in Deutschland und auch in Hessen gemessen an den eigentlichen Erfordernissen viel zu gering aus. Zum einen ist die Bildungsinfrastruktur – also in erster Linie die Gebäudeinfrastruktur – häufig in keinem guten Zustand. In Deutschland insgesamt summiert sich der Investitionsstau gemäß der verfügbaren Studien auf rund 100 Milliarden Euro. Hiervon dürften wenigstens fünf Milliarden Euro auf Hessen entfallen. Wir möchten in diesem Zusammenhang nur an die drei wegen Einsturzgefahr geschlossenen hessischen Schulen im Jahr 2018 erinnern.

Zum anderen sieht es mit Blick auf die Personalausstattung in allen Teilsegmenten des hessischen Bildungssektors nicht gut aus – hier ist eine deutliche Steigerung erforderlich. So fehlen, wenn angemessene Personalschlüssel zugrunde gelegt werden, in Hessen zwischen 9.000 und 10.000 Erzieherinnen und Erzieher. 

Gerade die frühkindliche Bildung ist zu Recht in den vergangenen Jahren in den Fokus der Bildungsforschung gerückt: Bildungsprozesse in der frühen Kindheit legen die Grundlage für die Schulzeit und den weiteren Lebensweg. Für eine hohe Qualität in der frühen Bildung ist eine ausreichende Zahl von gut ausgebildeten Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen die zentrale Größe.

Im Schulbereich besteht ein erheblicher Mangel an ausgebildeten Lehrkräften, der sich in den nächsten Jahren erhöhen wird. An den allgemeinbildenden Schulen gilt dies insbesondere für die Grundschulen. Hier sollte Hessen endlich zur Besoldung nach A 13 wechseln. Aktuell bezahlen bereits sieben Bundesländer ihre Grundschullehrkräfte nach

A 13 und auch die Mehrheit der A 12-Bundesländer entlohnt ihre Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen besser. Hinzu kommt, dass Hessen die höchste Pflichtstundenzahl aller Bundesländer aufweist. Unter diesen Bedingungen dürfte Hessen zukünftig immer größere Schwierigkeiten bekommen, den Lehrkräftebedarf zu decken.

Zudem steht gerade der Schulbereich durch die Umsetzung der Inklusion und dem — auch von der Landesregierung zumindest angekündigten — Ausbau des Ganztags vor der Aufgabe, den steigenden Fachkräftebedarf in den kommenden Jahren zu sichern. Zu bedenken ist dabei, dass eine sehr große Zahl von Lehrkräften schon jetzt über einen kaum noch zu bewältigenden Anfall von Aufgaben klagt. In den zu Hauf gestellten Überlastungsanzeigen der vergangenen Jahre werden zahlreiche Punkte angeführt, die die Arbeitsbelastung massiv erhöht bzw. die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben – hierzu zählt unter anderem die Unterbesetzung an Schulen, zu große Klassen, die Erteilung von fachfremdem Unterricht, steigender Dokumentations- und Verwaltungsaufwand, befristete Beschäftigung, die weitgehende Verweigerung der Übernahme von Fortbildungskosten, die Übernahme von Hausmeistertätigkeiten und bauliche Mängel.

An den hessischen Hochschulen haben sich Betreuungsrelationen erheblich verschlechtert, da der Anstieg der Hochschulbeschäftigten deutlich hinter der Erhöhung der Studierendenzahlen zurückbleibt. Hinzu kommt, dass rund 85 Prozent der etwas mehr als 10.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den hessischen Hochschulen befristet beschäftigt sind und auch in der Verwaltung ein deutlicher Trend zu Befristungen zu beobachten ist. Dies ist mit massiven negativen Konsequenzen für die Qualität von Forschung, Lehre und Verwaltung sowie für die Lebens- und Karriereplanung der Beschäftigten verbunden ....

Offener Brief zum Landeshaushalt an die Fraktionen im Hessischen Landtag am 20. OKtober 2019