Bericht von der LDV

HLZ Dezember 2014 | Harald Freiling

Die HLZ berichtet in der Dezember-Ausgabe auf den Seiten 7 bis 11 über den Verlauf, die Wahlen und die Beschlüsse der LDV, die vom 20. bis 22. November in Wetzlar stattfand. Die Berichterstattung wird in der Januar-Ausgabe der HLZ fortgesetzt. 

Inhaltlich befassten sich die fast dreihundert Delegierten aus den Kreisverbänden und den Fach- und Personengruppen vor allem mit den Herausforderungen der Tarifrunde 2015. Die LDV stimmte dem Antrag des Landesvorstands zu, „auf eine Arbeitsniederlegung der beamteten Lehrkräfte hinzuarbeiten, sollte die Landesregierung bei ihrer Ankündigung einer 18-monatigen Nullrunde bleiben und sich weigern, das Tarifergebnis auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen“.

Weitere Schwerpunkte waren die Besoldung der Grundschullehrkräfte, die Inklusionspolitik der Landesregierung und der Entwurf für das „Tarifeinheitsgesetz“.

Debatten, Wahlen und Beschlüsse

Landesgeschäftsführer Ulrich Märtin und die Beschäftigten in der Landesgeschäftsstelle vom Versand und der Druckerei über die Sekretariate bis zur Buchhaltung und Rechtsabteilung hatten harte Wochen der Vorbereitung hinter sich, als fast 300 Delegierte aus den Kreisverbänden und den Fach- und Personengruppen in der Wetzlarer Stadthalle eintrafen, um sich an zweieinhalb Tagen bei der 31. Landesdelegiertenversammlung (LDV) der GEW Hessen mit ihren satzungsmäßigen Aufgaben und den Schwerpunkten der Politik der GEW in den nächsten drei Jahren zu befassen.

Walter Schäfer begrüßte die Delegierten als Vorsitzender des gastgebenden GEW-Kreisverbands in der Stadt Wetzlar, die sich lieber mit Goethe schmücke als mit August Bebel, obwohl Goethe nur wenige Monate, Bebel aber sieben Jahre in Wetzlar gelebt hat. Mit einem Zitat von August Bebel (1840-1913) stimmte Schäfer die Delegierten auf einen zentralen Schwerpunkt der LDV, die Tarifauseinandersetzungen im Jahr 2015, ein. 1879 formulierte Bebel „drei Bedingungen bei der Arbeit“: „Erstens, daß die Arbeit im Zeitmaß mäßig sei und keinen überanstrengt; zweitens, daß sie möglichst angenehm ist und Abwechslung bietet; drittens, daß sie möglichst ergiebig ist, weil davon das Maß der Arbeitszeit und das Maß der Genüsse abhängt.“

GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe, die erstmals auf einer Delegiertenversammlung der GEW Hessen sprach, brachte verbale Blumen mit: Wenn die GEW auf dem Weg zur viertgrößten Einzelgewerkschaft demnächst die Marke von 270.000 Mitgliedern knacken werde, dann habe der Landesverband Hessen mit seiner außerordentlich positiven Mitgliederentwicklung daran einen wichtigen Anteil. Das Ziel „Mehr Geld für Bildung“ werde man nur erreichen, wenn die GEW weiter für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums kämpfe und dafür Bündnispartner gewinnen könne. Vom DGB fühle man sich manchmal  allein gelassen, aktuell vor allem in der Frage des Tarifeinheitsgesetzes. Der Gesetzentwurf werde in Gänze nur durch die DGB-Gewerkschaften GEW, NGG und ver.di abgelehnt.

Klare Worte fand Tepe auch für die Freihandelsabkommen TTIP und CETA: „Wir werden es nicht hinnehmen, dass alle Bereiche der Gesellschaft und damit auch die Bildung einem ungezügelten Gewinnstreben ausgesetzt werden.“

Als einzige DGB-Gewerkschaft ist die GEW Mitglied der europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA. Weiter setzte sich Tepe für die Aufhebung der Kooperationsvereinbarungen nicht nur des hessischen Kultusministeriums mit der Bundeswehr und eine „Willkommenspolitik“ ein: Flüchtlingskindern dürfe das Recht auf Bildung nicht verwehrt werden. Sehr persönlich berichtete Tepe über ihre Besuche in Israel und Palästina und die Traumatisierung von Kindern auf beiden Seiten der Grenzen. Sie wolle sich auch weiter für Kontakte zwischen israelischen und palästinensischen Lehrergewerkschaften einsetzen, die als einzige Einzelgewerkschaften diese verweigern.

Stellvertretend für die seit der letzten LDV verstorbenen Mitglieder gedachten die Delegierten der früheren Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats Kassel Barbara Kilian, der langjährigen Vorsitzenden der Landesfachgruppe Erwachsenenbildung Kornelia Hafner, des langjährigen Vorsitzenden des GEW-Bezirksverbands Frankfurt Adam „Adi“ Feuster, der Gründungsmitglieder der GEW Hessen Heinz Joachim Nagel und Erwin Knauß, der Vorsitzenden des GEW-Kreisvorstands Wiesbaden Ute Harlos und des Kollegen Klaus Rampold, der als Delegierter für die LDV in Wetzlar benannt worden war. Er hatte sich unter anderem im Bundesvorstand der GEW-Fachgruppe Erwachsenenbildung für die Anliegen der Volkshochschulen stark gemacht.

Bei den Ergänzungen zum Geschäftsbericht hob die bisherige stellvertretende Vorsitzende Birgit Koch das Engagement der GEW Hessen in der Kampagne „Wir wollen rein“ für das Recht der Kinder von zugewanderten Familien auf Bildung und in der Gruppe InklusionsBeobachtung GIB hervor. Karola Stötzel, die später in ihrer Funktion als stellvertretende Vorsitzende bestätigt wurde, wies darauf hin, dass die GEW 2015 einen „Tarifmarathon“ bewältigen muss. Neben den Tarifverhandlungen für die Landesbediensteten und dem Kampf für die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten steht auch die Forderung nach einer Eingruppierung der Sozial- und Erziehungsberufe (SuE) auf der Agenda.

Am Abend der LDV brachte das Theater "Grüne Soße" mit seiner Erzieher_innen-Revue die „Entgeltordnung SuE“ in kabarettistischer Form auf die Bühne.

Landesvorsitzender Jochen Nagel kündigte in seinem ergänzenden Bericht gar eine Reaktivierung „alter Häkel-Kenntnisse“ an, da ihm der hessische „Bildungsgipfel“ mit eher unverbindlichen Gesprächsrunden in regierungslastiger Zusammensetzung offensichtlich wenig Begeisterung entlockt.

Peter Eickelmann und Walter Otto-Holthey trugen den Kassenbericht vor. Die Revisoren lobten die Führung der Kasse und beantragten die Entlastung der Schatzmeister und des Vorstands.

In den Beratungen über die vorliegenden Anträge zur Änderung der Satzung der GEW Hessen kam nicht zum ersten Mal ein Problem zur Sprache, das die GEW mit anderen gesellschaftlichen Großorganisationen teilt: die Bewältigung des Generationenwechsels in den haupt- und ehrenamtlichen Funktionen. Trotz der guten Mitgliederentwicklung sind die Zeiten der Gegen- und Kampfkandidaturen vorbei. Schon lange vor der LDV begann die Suche nach einer Nachfolge für den Landesvorsitzenden Jochen Nagel, der bei der letzten LDV 2011 in Fulda seine „letzte Amtszeit“ angetreten hatte. Trotz vieler Gespräche hatte sich allerdings (noch) kein jüngerer Kollege und keine jüngere Kollegin bereit gefunden, diese herausgehobene Funktion im Vorsitz der GEW Hessen alleine zu übernehmen. Daraus entstand die Idee einer „Doppelspitze“ als einer zusätzlichen Option für die Gestaltung der Teamarbeit im Vorsitz. Die notwendige Satzungsänderung fand mit 244 von 287 Stimmen die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Weitere satzungsändernde Anträge betrafen die Bildung einer neuen Fachgruppe „Sozialpädagogische Fachkräfte in Schuldienst des Landes Hessen“ und die Umbenennung der Fachgruppe Berufliche Schulen in „Berufsbildende Schulen“. Außerdem erweiterte die GEW ihr Bekenntnis zum „Arbeitskampf als Mittel zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeiter“ auch auf „politische Forderungen“ im Sinn eines politischen Streiks.

Bei den Beratungen über den Haushalt der GEW für 2015 bis 2017 beschrieb Peter Eickelmann sein Selbstverständnis als alter und (im Team mit Ulrike Noll) auch neuer Schatzmeister als Mahner für einen zurückhaltenden und sparsamen Umgang mit den Mitgliedsbeiträgen. Trotz steigender Mitgliedszahlen stünden der GEW Hessen schwierige Jahre bevor. Zwei Haushaltstitel würde er jedoch gern ausweiten: die für Aktionen und zur Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit.

Im Vorfeld der LDV war ein konsensfähiger Vorschlag für das neue Landesvorsitzendenteam entwickelt worden, der auch die Delegierten überzeugte. Dass Jochen Nagel nach sechs Jahren als stellvertretender Vorsitzender und zwölf Jahren als Landesvorsitzender gemeinsam mit der bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Birgit Koch für die neu geschaffene „Doppelspitze“ kandidierte, war der beschriebenen Kandidatenlage geschuldet. 2014 nicht mehr anzutreten, sei allerdings das einzige von ihm gebrochene Versprechen: „Es hat sich anders ergeben und ich mache mit derselben Lust und Kraft weiter wie bisher. Ich stehe für die Streitkultur der hessischen GEW: Wir streiten, aber am Ende fassen wir einen Beschluss, den wir dann gemeinsam und kraftvoll vertreten und umsetzen.“

Mit Birgit Koch habe er seit ihrer Wahl zur stellvertretenden Vorsitzenden 2011 unabhängig von der Hierarchie der Satzung immer gleichberechtigt zusammengearbeitet. Zum neuen „Team“ gehören auch die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Karola Stötzel, die mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde, und Maike Wiedwald, die erstmals für dieses Amt kandidierte. Maike ist eine der beiden Vorsitzenden des GEW-Bezirksverbands Frankfurt. In ihrer Vorstellung wurde deutlich, wie eng der berufliche Werdegang der 47-jährigen Gymnasiallehrerin (Sport, Biologie) mit ihrem politischen und gewerkschaftlichen Engagement verbunden ist: Politisierung an der Universität Hamburg („als es an Hochschulen noch die Drittelparität gab“), Schulsozialarbeit, feministische Mädchenarbeit, Referendariat in ihrer hessischen Heimat, Personalratsarbeit in der Schule und im Gesamtpersonalrat Frankfurt. Ernüchternde Erfahrungen sammelte sie beim Aufbau von Ganztagsangeboten an drei Schulen: „Die Bedingungen gehen zu Lasten der Beschäftigten und der Kinder.“

Engagierte Debatten entzündeten sich am Grundsatzantrag zur Positionsbestimmung der hessischen GEW und zu den Herausforderungen der Tarifrunde 2015. Ausführlich diskutierten die Delegierten über die Stimmung in den Lehrerkollegien, die steigenden Arbeitsbelastungen und die Möglichkeiten, für Aktionen gegen die geplante Nullrunde und die Deckelung der Besoldungserhöhungen ab Juli 2016 zu mobilisieren. Delegierte machten deutlich, dass neben Aktionen gegen das „Besoldungsdiktat“ auch der Kampf um Arbeitsentlastung und Arbeitszeitreduzierung unverzichtbar ist. Der Antrag, auf eine Arbeitsniederlegung der beamteten Lehrkräfte hinzuarbeiten, wenn die Landesregierung die Übertragung der Tariferhöhungen verweigert, wurde fast einstimmig angenommen.

Die GEW erneuerte ihre Forderung nach einer Höherstufung der Grundschullehrkräfte nach A13 und verabschiedete einen Aktionsplan (B1). Die Tarifrunde soll genutzt werden, „um die Öffentlichkeit auf die ungerechten Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte an Grundschulen aufmerksam zu machen und die Kolleginnen und Kollegen für die Forderung A 13 für alle! zu sensibilisieren und sie darin zu unterstützen.“

Zustimmung fanden auch die Forderungen der Jungen GEW und des Landesstudierendenausschusses zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (B2) und zum „Entfachen eines Diskurses über die sogenannten ‚Frauenberufe‘“ (B3, B4).

Ausführlich befasste sich die LDV mit der verheerenden Inklusionspolitik des Kultusministeriums, die Lehrkräfte an Regelschulen und Förderschullehrkräfte gleichermaßen verschleißt. „An allen Ecken und Enden fehlen die Ressourcen“, erklärte Harald Freiling bei der Begründung des Antrags des Kreisverbands Groß-Gerau, in der die Forderung der GEW nach einen „Aktionsplan und Sofortprogramm der Landesregierung zur Umsetzung des Rechts auf inklusive Beschulung“ konkretisiert wird. Die GEW fordert die Inklusion „vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Dazu gehören eine grundlegende Novellierung der Verordnung zur sonderpädagogischen Förderung, die Zuweisung einer Förderschullehrkraft für jeweils drei Klassen mit inklusivem Unterricht, die Versorgung der Schulen mit sozialpädagogischen Fachkräften und die verlässliche und dauerhafte Integration der Förderschullehrkräfte in die Kollegien der Regelschulen.

Große Zustimmung fand auch der Antrag der Arbeitsgruppe LesBiSchwuler Lehrkräfte in der GEW zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt mit der Forderung nach einem „wertschätzenden Umgang“ mit unterschiedlichen Lebenskonzepten in der Schule, im Unterricht, in den Schulbüchern und in der Gewerkschaft.

Harald Freiling