Hessen: Mehr Geld für Bildung

Finanzpolitische Spielräume nutzen und erweitern 

HLZ 4/2018: Hessen vor der Wahl

Vor allem aufgrund der unerwartet guten und anhaltenden Konjunkturerholung nach der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2010 ergaben sich auch für die Finanzpolitik in Hessen immer wieder positive Überraschungen durch stärker als erwartet steigende Steuereinnahmen. Dadurch konnte das Land sein Haushaltsdefizit immer weiter verkleinern und in den letzten beiden Jahren sogar Überschüsse erzielen, ohne eine rigorose Sparpolitik fahren oder gegen die Schuldenbremse verstoßen zu müssen. Das bedeutet aber nicht, dass dem Land nun mehr Geld zur Verfügung stünde, als eigentlich gebraucht würde: Insbesondere der Bildungsbereich in Hessen muss als chronisch unterfinanziert angesehen werden. Dies gilt sowohl für das Personal als auch für die Infrastruktur auf der Landes- und auf der Gemeindeebene. Da das Konjunkturglück nicht ewig anhalten wird, muss die Finanzierung der Ausgabenbedarfe langfristig bundespolitisch durch eine strukturelle Verbesserung der Steuereinnahmen sichergestellt werden. Angesichts der Versäumnisse der Vergangenheit und der gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen gerade an die Bildungspolitik lässt sich dies auch gut rechtfertigen. 

Bildungsinvestitionen: Die Versprechen der GroKo

Aber auch kurz- bis mittelfristig finden sich auf Basis der Mittelfristigen Finanzplanung des Landes noch einige Spielräume für eine moderate, aber spürbare Erhöhung der Bildungsausgaben. Und auch die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorgesehenen Maßnahmen haben Auswirkungen auf den hessischen Landeshaushalt und die Mittel, die für die frühkindliche Bildung, für Schulen und für Hochschulen ausgegeben werden können. 

Im Koalitionsvertrag sind elf Milliarden Euro mehr für Bildung vorgesehen. Hiervon entfällt ein Teil auch auf Bereiche, die in der Verantwortung der Länder oder Kommunen liegen. Zum Ausbau des Kita-Angebots und zur Steigerung der Qualität will die neue Bundesregierung 3,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen: 0,5 Milliarden Euro im Jahr 2019, eine Milliarde Euro im Jahr 2020 und zwei Milliarden Euro im Jahr 2021. Legt man aus Gründen der Vereinfachung den Anteil der hessischen Bevölkerung an der deutschen Gesamtbevölkerung von 7,5 Prozent zugrunde, stehen für die hessischen Kitas knapp 38 Millionen Euro im Jahr 2019, 75 Millionen Euro 2020 und 150 Millionen Euro im Jahr 2021 zur Verfügung.

Weitere zwei Milliarden Euro sieht der Koalitionsvertrag für die Ganztagsbetreuung in den Jahren 2018 bis 2021 vor. Auf Hessen würden hiervon etwa 150 Millionen Euro entfallen, das wären pro Jahr rund 38 Millionen Euro. Als Nachfolgemittel für den Hochschulpakt sind ab 2021 insgesamt 600 Millionen Euro vorgesehen.

Allerdings kommen auf den Landeshaushalt auch Mindereinnahmen zu. Zwar sind Länder und Kommunen nicht von der geplanten teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags betroffen, aber bei den Ländern werden die Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge – dies ist in zwei Schritten geplant – die Steuereinnahmen schmälern. Das Gleiche gilt für die steuerliche Förderung von mehr Wohneigentum. Für die Jahre 2019 und 2020 ist hier in Hessen nach einer Überschlagsrechnung mit einem Minus von jeweils rund 100 Millionen Euro und im Jahr 2021 mit rund 300 Millionen Euro zu rechnen. 

Mittelfristige Finanzplanung in Hessen

Die aktuelle Mittelfristige Finanzplanung (MifriFi) für Hessen für die Jahre 2017 bis 2021 stammt aus dem September 2017 (1). Die Planung sieht für die Jahre 2018 bis 2021 Haushaltsüberschüsse und jeweils eine deutliche Übererfüllung der Kreditaufnahmegrenzen der Schuldenbremse von jeweils über 400 Millionen Euro pro Jahr vor. Zudem sind in der Planung für die Jahre 2020 und 2021 vorsorglich so genannte „globale Mindereinnahmen“ in Höhe von 423 Millionen Euro bzw. 740 Millionen Euro enthalten. Damit wollte die Landesregierung laut eigener Aussage Vorsorge für bestehende Haushaltsrisiken treffen, unter anderem für die Auswirkungen einer möglichen Steuerreform nach der Bundestagswahl 2017. 

Die vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2021 vorgesehenen spürbaren Haushaltsüberschüsse sollen für die Tilgung von Landesschulden verwendet werden: 100 Millionen Euro im Jahr 2019 und jeweils 200 Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021. Dies wird unter anderem mit der „finanzpolitischen Verantwortung für künftige Generationen“ begründet. Angesicht des Tatsache, dass die Schuldenstandsquote, das Verhältnis von Schulden und Bruttoinlandsprodukt, ohnehin im Laufe der nächsten Jahre kontinuierlich sinken wird, sind solche Tilgungen angesichts erheblicher Ausgabenbedarfe zu Gunsten zukünftiger Generationen gerade im Bildungsbereich unsinnig. Denn eine sinkende Schuldenstandsquote bedeutet, dass sich die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung entsprechend kontinuierlich erhöhen wird. 

Zusätzliche Bildungsausgaben sind finanzierbar 

Der auf Basis der MifriFi ableitbare Ausgabenspielraum würde vom Jahr 2020 an bei mindestens etwa 500 Millionen Euro pro Jahr liegen – und zwar unter Berücksichtigung der Mindereinnahmen aufgrund der geplanten Maßnahmen im Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bund. Im Jahr 2020 würde ein Verzicht auf die Tilgung mit 200 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die getroffene Vorsorge gegen steuerpolitische Maßnahmen auf Bundesebene von 423 Millionen Euro übersteigt die aufgrund des Koalitionsvertrages tatsächlich zu erwartenden Mindereinnahmen um 323 Millionen Euro. Im Jahr 2021 lägen die entsprechenden Beträge bei ebenfalls 200 Millionen Euro aus dem Verzicht auf die Tilgung und sogar 440 Millionen Euro aus den globalen Mindereinnahmen (740 Millionen minus 300 Millionen). Wenn Mehrausgaben von 500 Millionen Euro in zentralen Zukunftsbereichen geleistet würden, bliebe dennoch ein Sicherheitsabstand von jeweils über 200 Millionen Euro zu den Grenzen der Schuldenbremse. Hinzu kommt, dass auf Basis der aktuelleren Steuerschätzung vom November 2017 die Gesamtheit der Bundesländer 2018 und 2019 jeweils mit Mehreinnahmen gegenüber der vorherigen Schätzung von knapp 3 Milliarden Euro rechnen kann (2). Auf Hessen entfielen davon gut 200 Millionen Euro, die zum Beispiel zur Speisung eines Vorsorgefonds für die Folgejahre genutzt werden könnten, sollte es etwa aufgrund des Wegfalls der erhöhten Gewerbesteuerumlage für das Land zu Netto-Mehrbelastungen kommen. 

Der Ausgabenspielraum könnte gezielt für eine Steigerung der Bildungsausgaben vom Jahr 2020 an um 500 Millionen Euro pro Jahr eingesetzt werden. So könnten den Kommunen etwa 100 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zu den Bundesmitteln für den Kita-Bereich zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis wäre es möglich – ausgehend von den aktuellen Personalschlüsseln – über 4.000 Erzieherinnen und Erzieher einzustellen. Damit würde sich Hessen deutlich an die in der pädagogischen Forschung empfohlenen Personalschlüssel annähern (3).

Spielräume durch gerechte Steuerpolitik erweitern 

Für den Schulbereich könnten 250 Millionen Euro zusätzlich verwendet werden, unter anderem um auch Grundschullehrkräfte nach A13 zu besolden. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um der für die nächsten Jahre prognostizierten Personalnot im Grundschulbereich zu begegnen (HLZ S.12). Dies würde das Land nach Aussagen von Kultusminister Alexander Lorz vom August 2017 70 Millionen Euro kosten. Außerdem könnte das Land zusätzlich zu den Bundesmitteln Geld für den Ausbau des Ganztagschulangebots und die inklusive Beschulung zur Verfügung stellen. Auch im Hochschulbereich wären angesichts einer schlechten Betreuungssituation gerade in Hessen zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Personalausstattung sinnvoll (4). 

Tatsächlich besteht im Bildungsbereich ein deutlich höherer Bedarf, als durch die vorgeschlagenen zusätzlichen Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro gedeckt werden kann. Zu denken ist etwa an den Investitionsstau im Bereich der Bildungsinfrastruktur. Dabei ist es um die gesamte öffentliche Infrastruktur in Deutschland nicht gut bestellt. Aufgrund der Schuldenbremse und wegen einer unzureichenden Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen fehlten der öffentlichen Hand die Mittel, um Straßen, Schulen oder Krankenhäuser in einem sachgerechten Zustand zu halten oder gestiegenen Bedarfen anzupassen. 

Dabei steht dem Verfall des öffentlichen Vermögens ein steigendes privates (Netto-)Vermögen in Höhe von rund 9 Billionen Euro gegenüber. Hiervon konzentrieren sich mehr als 60 Prozent bei den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Diese extrem ungleiche Vermögensverteilung sollte durch die Steuerpolitik korrigiert werden. Zu denken ist hier in erster Linie an die Wiedererhebung der Vermögensteuer, aber auch an eine höhere Besteuerung von hohen Erbschaften. Das Aufkommen sowohl aus der Vermögen- als auch der Erbschaftsteuer fließt in die Kassen der Bundesländer. Auf Grundlage der so zu erzielenden Mehreinnahmen könnte dann auch der erhebliche Investitionsstau im Bereich der öffentlichen Infrastruktur aufgelöst werden. 


Kai Eicker-Wolf ist finanzpolitischer Referent der GEW Hessen. Achim Truger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

(1) Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2017 bis 2021 (Stand September 2017), Wiesbaden 2017. 

(2) Bundesministerium der Finanzen, Ergebnis der 152. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 7. bis 9. November 2017 in Braunschweig, Berlin 2017.

(3) Kathrin Bock-Famulla, Eva Strunz und Anna Löhle: Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2017, Gütersloh 2017. 

(4) Tobias Cepok und Roman George: Hessen hinten. Zur Betreuungssituation der Studierenden in Hessen, HLZ 12/2016.