Schulische politische Bildung

Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Solidarität oder Nostalgie? | HLZ März 2024

Angesichts der politischen Entwicklungen in Deutschland in den letzten Monaten und der Umfragewerte für kommende Wahlen ist die konsequente Stärkung der politischen Bildung an Schulen wichtiger denn je, um der realen rechtsextremistischen Gefahr etwas entgegenzusetzen. Leider wird diese Gefahr im Koalitionsvertrag nicht konkret benannt, sondern allgemein von „Extremismus“ gesprochen. Die Großdemonstrationen von breiten Bündnissen gegen Rechtsextremismus in den letzten Wochen haben erfreulicherweise eine deutlichere Sprache gefunden. Eine konkretere Benennung, in welcher Form die historisch-politische Bildung durch Exkursionen zu „Orten der deutschen Demokratiegeschichte“ gefördert werden soll, wäre im Koalitionsvertrag ebenso wünschenswert gewesen.
 

In der vergangenen Legislaturperiode wurde der alten Forderung der GEW Hessen nach Stärkung und Ausbau der politischen Bildung an einigen Stellen entsprochen. Hierzu sind insbesondere die Stundenaufstockungen beim Fach Politik und Wirtschaft in den Schulformen der Sekundarstufe I und auch die neu eingeführte Belegverpflichtung im letzten Jahr der gymnasialen Oberstufe (Q3/Q4) zu zählen.
 

Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag, Präventionsprogramme zur Bekämpfung von Extremismus ausbauen zu wollen, die Anerkennung von Vielfalt an hessischen Schulen und die Betonung der Grundprinzipien Toleranz, Solidarität und Respekt sind allesamt zu begrüßen. Vage bleibt jedoch, was dies in Bezug auf die konkreten Inhalte tatsächlich bedeutet. So wird angekündigt, die Kerncurricula u.a. der Fächer Sachunterricht, Geschichte sowie Politik und Wirtschaft zu schärfen. Als Stoßrichtung werden allerdings nur bessere Vergleichbarkeit und die Stärkung von praktischer Lebenskompetenz und Verbraucher- und Finanzbildung genannt. Es bleibt also abzuwarten, ob die Schärfung der Curricula in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der proklamierten Stärkung der Toleranz und dem Entgegentreten gegenüber jeder Form von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ stehen wird.
 

An etlichen anderen Stellen des Koalitionsvertrages finden sich Passagen, die auf ein Weltbild rekurrieren, das bestenfalls „nostalgisch“ zu nennen ist. Die Identifikation mit „Heimat“ und eine entsprechende Kampagne „#hessenverliebt“, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wird, ist sicherlich keine ausreichende Grundlage für eine emanzipatorische politische Bildung im umfassenden Sinne, die sich durch Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Solidarität auszeichnen sollte.
 

* Der Autor ist Leiter des Referats Schule und Bildung der GEW Hessen.

 


Auszug aus dem Koalitionsvertrag

Gerade im ländlichen Raum trägt die Grundschule dazu bei, ein Bewusstsein für die regionale Umgebung, Kultur und Sprache zu schaffen und dadurch die Identifikation mit der Heimat zu fördern. Die soziale Verwurzelung stärkt die Integration in die Gemeinschaft, lehrt die Übernahme von Verantwortung und fördert dadurch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das demokratische Zusammenleben. Mit einer Kampagne „#hessenverliebt“ wollen wir Schülerinnen und Schüler ganz in diesem Sinne noch mehr für unser Land begeistern und Dialekte als Teil der regionalen Sprachkultur stärken. (…) Die Kerncurricula u.a. der Fächer Sachunterricht, Geschichte sowie Politik und Wirtschaft werden wir schärfen. Im Sinne einer noch besseren Vergleichbarkeit werden wir Schritt für Schritt Kerncurricula fortentwickeln und sie gleichzeitig auf Kohärenz, Konsistenz und Redundanzen überprüfen. Wir führen damit verbunden ein Update der Lehrinhalte durch, um in Zukunft mehr praktische Lebenskompetenzen sowie Verbraucher- und Finanzbildung in der Schule zu vermitteln. (S. 12)
 

Vielfalt als Realität an unseren Schulen erkennen wir an. Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Antislawismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit und jeder Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wirken wir entgegen. (...) Schulen müssen Orte der Wertevermittlung sein, an denen Grundprinzipien wie Toleranz, Solidarität und Respekt vermittelt werden, nicht nur im Unterricht. Wir setzen daher auch weiterhin in Schulen den Fokus auf Grundrechtsklarheit, Extremismusprävention, Wertevermittlung, Demokratieerziehung und politische Bildung. (…) Demokratiepädagogische Angebote als Querschnittsaufgabe sollen in den Curricula in allen Schulformen verankert sein. Präventionsprogramme zur Bekämpfung von politischem und religiösem Extremismus werden wir konsequent ausbauen. (S. 12)
 

Wir stärken die historisch-politische Bildung an hessischen Schulen, indem wir für alle Schülerinnen und Schüler die Vermittlung der deutschen Geschichte und der Grundlagen unserer Verfassungsordnung mit Exkursionen zu entsprechenden Orten der deutschen Demokratiegeschichte verbinden und Besuche in Gedenkstätten und Museen fördern. (S. 13)