Plädoyer für die Zukunft der Grundschulen

Forderung nach einer neuen Form der Ganztagsgrundschule mit einer verbindlichen Anwesenheit

Foto: Gerhard Kraft, Stefanie Lange, Manfred Schiwy und Walter Schnitzspan

In der HLZ 11/2020 veröffentlichten Gerhard Kraft, Stefanie Lange, Manfred Schiwy und Walter Schnitzspan ihr "Plädoyer für die Zukunft der Grundschulen". Darin fordern sie eine neue Form der Ganztagsgrundschule mit einer verbindlichen Anwesenheit aller Grundschüler*innen bis 14.30 Uhr und einer anschließenden Betreuungsoption bis 17 Uhr.

Hier die Langfassung ihres Beitrags, mit dem sie die Diskussion über die Ganztagsgrundschule jenseits von Billigmodellen auf der einen und einer verbindlichen Ganztagsschule bis zum späten Nachmittag neu beleben wollen:

Die Corona Krise hat zweifelsohne den Blick der Öffentlichkeit auf die „Systemrelevanz“ der Schulen geschärft, gleichzeitig aber auch Schwächen und Innovationsnotwendigkeiten offengelegt. Zukunftsweisende Konzepte – auf der Basis einer kritischen Bilanz – sind nicht nur dringend notwendig, sondern haben eine realistische Chance, beachtet (und nicht zuletzt auch finanziert) zu werden. Der folgende Beitrag soll diese Debatte bereichern. Dabei haben wir bewusst nicht alle Schulformen im Blick: Uns geht es in unseren Konzeptvorschlägen um die Zukunft der Grundschulen.

Plädoyer für eine neue Form der Ganztagsgrundschule: Verbindliche Anwesenheit aller Grundschülerinnen und -schüler bis 14.30 Uhr mit anschließender Betreuungsoption bis 17 Uhr

Was erwartet Sie im kommenden Beitrag?

Wir stellen ein neues Ganztagskonzept für die Grundschulen vor. Es beruht auf den mehrjährigen praktischen Erfahrungen an einer hessischen Grundschule, der Schlossschule in Weiterstadt-Gräfenhausen. Wir legen dar, welche Vorteile die für alle Kinder verbindliche Ganztagsgrundschule hat. Ausführlich beschreiben wir Gelingensbedingungen und – hier betreten wir Neuland – definieren wir quantitative und qualitative Standards. Das schließt detaillierte Kostenberechnungen mit ein.

Es gibt Unterschiede, die Unterschiede machen: Grundschulen arbeiten anders als Sekundarstufenschulen

Grundschulen nehmen keine Selektion vor. Im Unterschied zu den meisten weiterführenden Schulen werden sie von allen Kindern eines Schulbezirks gemeinsam besucht.
Schülerinnen und Schüler der Grundschule sind Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren. Die stehe am Anfang ihrer Schullaufbahn und brauchen sehr viel mehr Unterstützung und Anleitung durch Pädagoginnen und Pädagogen als ältere Schülerinnen und Schüler. Sie orientieren sich erfahrungsgemäß sehr stark an ihren Lehrkräften, erfolgreiches und vor allem nachhaltiges lernen ohne die Lehrerin ist unmöglich (das gilt nicht nur für Kinder aus bildungsfernen Familien!).

Wie schwierig und oft wenig erfolgreich Lernprozesse ohne professionelle Begleitung sind, konnten viele Eltern in den Phasen des Homeschoolings schmerzhaft erfahren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen: Lesen und schreiben lernen setzt professionelle Anleitung (und natürlich Mitschülerinnen und Mitschüler) voraus - wer das ignoriert riskiert dauerhaftes und nachhaltiges Schulversagen. Daran ändert auch das in der aktuellen Debatte so hochgelobte E-Learning nichts. In der Grundschule kann E-Learning allenfalls eine fruchtbare Ergänzung (die natürlich ausgebaut werden muss) zum Präsenz-Unterricht durch Lehrkräfte sein. Wer aber glaubt und postuliert, Investitionen in Hard- und Software würden die Probleme der Kinder in der Grundschule lösen, der hat offensichtlich wenig Ahnung von den Lernprozessen der Kinder in diesem Alter (oder er hat einfach nur handfeste Profitinteressen …)

Grundschulen haben vier grundlegende Aufgaben: unterrichten, erziehen, beraten, betreuen. Die Betreuungsfunktion hat in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen!

Für viele wurde erst durch ihre Schließung deutlich: Grundschulen haben neben der Vermittlung grundlegender Wissens- und Sozialkompetenzen mittlerweile auch die zentrale Aufgabe, Kinder zu betreuen. Diese sozial- und familienpolitische Funktion geht dabei schon seit Jahren für viele Familien über den reinen Schulvormittag hinaus – bis in den späten Nachmittag hinein (Bedarfsschätzung für Nachmittagsbetreuung bis 2025: bundesweit 69 Prozent der Grundschülerinnen und Grundschüler; in einigen Bundesländern liegt der Bedarf bei 95 Prozent, in Hessen bei 70 Prozent; Quelle: Bildungsbericht 2020).

Kinderbetreuung als wichtige Zusatzaufgabe der Grundschule hat sich aus familien- und gesellschaftspolitischer Sicht im Verlaufe der Corona Krise als das zentrale Problem herausgestellt. Wenn die Grundschulkinder nicht versorgt sind, funktioniert die Arbeitsgesellschaft nur unzureichend. Eltern können nicht zu ihren Arbeitsstellen, weil die Kinder daheim betreut werden müssen; gleichzeitig ist aber auch Home-Office nur unter extremer Belastung durchführbar. Auch hier besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen den Grundschulkindern und älteren Kindern in weiterführenden Schulen.

Hortplätze, früher der Ort professioneller nachmittäglicher Betreuung von Kindern im Grundschulalter, wurden in den vergangenen Jahren in den meisten Bundesländern stark abgebaut – in einigen Bundesländern sind sie ganz abgeschafft. Mit unterschiedlichsten Modellen wird die Nachmittagsbetreuung immer stärker in die Schulen hinein verlagert; eine Entwicklung, die aus kosten - vor allem aber auch aus organisatorischen und pädagogischen Gründen erfolgt.

Nachmittägliche Angebote in den Schulen – von der freiwilligen Betreuung bis zum gebundenen Ganztag – ermöglichen multiprofessionelles Arbeiten. Lehrkräfte, Pädagogische Fachkräfte, Vereinsvertreterinnen und -vertreter und außerschulische Fachleute ergänzen sich in ihren Angeboten, gleichzeitig ist die für Kinder in dieser Altersgruppe so wichtige räumliche und personelle Kontinuität gesichert.

Die Grundschule der Zukunft: Gebundene, für alle Kinder verbindliche Grundschule bis 14.30 Uhr mit anschließender freiwilliger Betreuungsoption bis 17 Uhr

In der von uns vorgeschlagenen gebundenen Ganztagsgrundschule bleiben alle Schülerinnen und Schüler verbindlich bis 14.30 Uhr in der Schule, ein gemeinsames warmes Mittagessen ist selbstverständlich. Für Kinder, die darüber hinaus betreut werden müssen, gibt es in der Zeit von 14.30 bis 17 Uhr in den Räumen der Schule ein optionales Betreuungsangebot.

 Durch diese veränderte Zeitstruktur, Arbeit und Freizeit verteilen sich über den Tag, verändert sich das schulische Lernen insgesamt. Der notwendige Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Lernen und Freizeit, von Phasen gemeinsamen und solchen individuellen Lernens wird möglich, kurz: ein „rhythmisierter Unterricht“. Solche „rhythmisierten Ganztagsschulen“ liefern optimale Voraussetzungen für eine zeitgemäße Lernkultur, fächerübergreifendes, projekt- und handlungsorientiertes aber auch verstärkt individualisiertes Lernen wird für alle Kinder erleichtert. Hausaufgaben entfallen weitgehend. Sie werden durch individuelle Lernzeiten während der Schulzeit ersetzt, in denen die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder stärker Berücksichtigung finden und entsprechend der Fördergedanke im Vordergrund steht.

Die Entwicklung und Umsetzung eines derartigen integrierten Lernkonzepts, in dem Unterricht und sozialpädagogische Angebote, formales, non-formales und informelles Lernen zusammengeführt werden, setzt die Zusammenarbeit unterschiedlicher pädagogischer Professionen voraus. In einer engen Kooperation zwischen der Schule und einem (öffentlichen oder freien) Träger der Jugendhilfe gestalten multiprofessionelle Teams gemeinsam ein zeitgemäßes Arbeitskonzept, das kognitives, soziales und kulturelles Lernen verknüpft.

Was spricht für diese Form der gebundenen Ganztagsgrundschule, auch auf dem Hintergrund der Corona-Erfahrungen?

Sozial- und wirtschaftspolitische Gründe:

Die aktuellen Familien- und Erwerbsstrukturen sind nur schwer mit den Bedingungen einer sogenannten „Halbtagsgrundschule“ zu vereinbaren. Durch eine Erweiterung der Schul- bzw. Betreuungszeit erfahren die Familien nicht nur die dringend benötigte zeitliche, sondern auch eine inhaltliche Entlastung (Hausaufgaben werden in der Schule erledigt). Nachmittagsbetreuung ist während der Kindergartenzeit für viele Eltern zur (notwendigen) Selbstverständlichkeit geworden – sowohl die Eltern als auch in zunehmendem Maße die Wirtschaft erfahren den Mangel an solchen Angeboten als existenzbedrohend. Die Hortangebote der Städte und Gemeinden können – falls überhaupt vorhanden – den wachsenden Bedarf nicht mehr befriedigen.
Für einen steigenden Anteil von Schülerinnen und Schülern wird die Versorgung mit einem preiswerten (besser: kostenlosen!), gesundem Mittagessen immer wichtiger, weil die Elternhäuser dies aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr leisten können oder wollen. Schulen mit den entsprechenden Mensen
können dies gewährleisten.

Bildungspolitische Gründe:

Nach wie vor steht die Verbesserung der Förderung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler auf der bildungspolitischen Agenda, ebenso wie der Ausgleich spezifischer Benachteiligungen von Kindern aus sozial und ökonomisch weniger privilegierten Elternhäusern und die
Förderung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund. Wie unterschiedlich die Chancen in den Familien verteilt sind, bilanzieren die Bildungsberichte der letzten Jahrzehnte immer wieder eindrucksvoll.

Chancengleichheit ist nur durch professionelles Handeln herstellbar. Das wurde auch in den Home-School-Erfahrungen der letzten Monate deutlich. Dafür muss der Institution Schule aber mehr Zeit eingeräumt werden als in der traditionellen Vormittagsgrundschule vorgesehen ist.

Pädagogische Gründe:

Der enge zeitliche und strukturelle Rahmen der „Halbtagsschule“ wird erweitert, um ein zeitgemäßes Lern- und Bildungsverständnis in der modernen Wissensgesellschaft realisieren zu können. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer differenzierten und variablen Lernkultur, die Verbesserung der Möglichkeiten für fachliches und überfachliches Lernen, für individualisiertes und entdeckendes Lernen, inner- und außerschulische Kooperation, soziales Lernen und das Zusammenwirken unterschiedlicher Professionen im Bildungs- und Erziehungsprozess. Davon profitieren die Schülerinnen und Schüler aller Schichten, unabhängig davon wie gut oder schlecht die Bildungsvoraussetzungen in ihren Familien sind.

Warum gibt es bisher so wenige „richtige“ Ganztagsgrundschulen? … vom missverständlichen Gebrauch des Ganztagsschulbegriffs!

Kleiner Exkurs zur Entwicklung der Ganztagsgrundschulen

Im Grundschulbereich gab es im letzten Jahrzehnt auf den ersten Blick einen eindrucksvollen Anstieg an Ganztagsschulen. Was allerdings genau unter dem Begriff „Ganztagsschule“ verstanden wird, differiert je nach Bundesland. Fast ausnahmslos gilt in den Bundesländern eine Schule schon dann als „Ganztagsschule“, wenn Nachmittagsangebote nur ein einigen Wochentagen und/ oder für einige Schülerinnen und Schüler angeboten werden. Parallel zu den schulischen Angeboten, zum Teil auch mit ihnen verknüpft, hält die Mehrzahl der Bundesländer zusätzlich noch Horte als Bestandteil der Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder vor.

Bundesweit wird der Anteil an gebundenen Ganztagsgrundschulen mit einer verpflichtenden Anwesenheit aller Schülerinnen und Schüler (Laut KMK Beschluss: mindestens 7 Stunden tägl./über die gesamte Woche) auf lediglich 2 Prozent geschätzt (Bildungsbericht 2020 und KMK Statistiken 2019). Dabei formulieren einige Bundesländer, z.B. NRW, erst gar nicht den Anspruch, gebundene Ganztagsgrundschulen zu etablieren, sie beschränken sich auf „Offene Ganztagsschulen“ mit ausschließlich freiwilliger Teilnahme. So sehr sich einzelne Schulen auch anstrengen mögen, eine bildungspolitisch und  pädagogisch wünschenswertes ganzheitliches und rhythmisiertes Bildungsangebot ist in diesen Modellen nicht zu verwirklichen, da nur am Vormittag alle Kinder eine Klasse anwesend sind.

Mischformen, also „Ganztagsangebote“ auf freiwilliger Grundlage und gebundene Ganztagsgrundschulen werden von der Mehrzahl der Bundesländer angeboten. Aber auch hi er gilt: Der Anteil an „richtigen“ Ganztagsgrundschulen in vollgebundener (alle Kinder der Schule nehmen am Ganztag teil) oder zumindest teilgebundener Form (einzelne Klassen werden als Ganztagsklassen geführt) ist verschwindend gering. Rheinland-Pfalz erreicht mit 9 Prozent der Grundschulen einen einsamen Spitzenwert, gefolgt von Bremen und Niedersachsen mit 6 Prozent bzw. 3 Prozent; die restlichen Bundesländer bringen es auf lediglich 0 bis 2 Prozent.

Warum gelingt es offensichtlich nicht, die gebundene Ganztagsgrundschule stärker zu etablieren, obwohl doch so viele sozial- und wirtschaftspolitische, bildungspolitische und pädagogische Gründe dafür sprechen?

Das Beispiel Hessen zeigt Gründe dafür:

Seit fast 20 Jahren existieren dort mehrfach überarbeitete „Richtlinien für ganztägig arbeitende Schulen in Hessen“. Neben Schulen mit Ganztagsangeboten, bei denen die Teilnahme an Nachmittagsangeboten grundsätzlich freiwillig ist, können hessische Schulen auch das sog. Profil 3 wählen: Diese echten „Ganztagsschulen“ (Profil 3) bieten an fünf Tagen in der Woche Unterricht, Betreuung und verpflichtende Ganztagsangebote in der Zeit von 7.30 bis 16 oder 17 Uhr für alle ihre Schülerinnen und Schüler an. Die Teilnahme an den zusätzlichen Angeboten ist im Rahmen des jeweiligen Ganztagskonzepts verpflichtend.

Von den fast 1200 Grundschulen in Hessen haben sich bislang lediglich 11 für diese echte Ganztagslösung entschieden.

Im Kern gibt es zwei Gründe für diese eindeutige Ablehnung der hessischen Ganztagsschulvariante durch die Grundschulgemeinden: Wesentlich ist sicherlich die unzureichende finanzielle Ausstattung.

Die Angebotserweiterung bis 16/17 Uhr soll mit einem Aufschlag von lediglich maximal 30 Prozent auf die  Grundunterrichtsversorgung realisiert werden. Mit diesen Mitteln eine Ganztagsschule zu verwirklichen ist pädagogisch und organisatorisch nicht zu verantworten – so der Konsens auch in den Schulgemeinden, die den Weg zur gebundenen Ganztagsgrundschule gerne gehen würden. Die wenigen Grundschulen, die zurzeit trotzdem im Profil
3 arbeiten, sind entweder nur teilgebunden, das heißt sie bieten den Ganztag nicht für alle Klassen an und/ oder konnten zusätzliche Mittel vom Schulträger, ihrer Gemeinde oder aus anderen Quellen generieren.

Der zentrale Grund, warum in Hessen die gebundene Ganztagsgrundschule keine Akzeptanz findet, liegt unserer Erfahrung nach aber in den vom Kultusministerium vorgegebenen Modalitäten. Der umfangreich verpflichtende Zeitrahmen für alle Kinder bis 16 bzw. 17 Uhr ist für viele Lehrkräfte, vor allem aber für viele Eltern, insbesondere diejenigen, die nicht auf eine Nachmittagsbetreuung angewiesen sind, zu weit gesteckt. Ein Schulbesuch bis 17 Uhr macht eine bedürfnisgerechte Nachmittagsgestaltung im Elternhaus unmöglich. Sportliche, kulturelle, freizeitpädagogische Angebote, die in dieser Altersgruppe überwiegend am Nachmittag angeboten werden, können nicht wahrgenommen werden.

Deshalb trifft diese Form der Ganztagsgrundschule bei Vereinen, Kultur- und Freizeitbetrieben, bei manchen Kirchenvertretern und - wenn auch mit abnehmender Tendenz - bei konservativen Parteien auf Ablehnung, stellt sie doch ein in unserer Gesellschaft seit Jahrzehnten tief verwurzeltes Angebotsmodell in Frage. Kurz gesagt: Die verpflichtende Anwesenheitszeit im Hessischen Modell einer gebundenen Ganztagsgrundschule bis 16/17 Uhr ist einfach zu lang!

Vorteile der gebundenen Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr

Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn man ein modifiziertes Angebot macht: Eine verpflichtende Anwesenheit aller Schülerinnen und Schüler bis 14.30 Uhr. In dieser Zeit arbeiten multiprofessionelle Teams, d.h. Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte und Honorarkräfte mit einer gemeinsamen am Kind orientierten Zielsetzung. Sie verwirklichen integrierte Lernkonzepte in rhythmisierter Form, d.h. eine Verzahnung von Unterricht, Bildung, Betreuung, wobei durch die Einbindung von Lernzeiten auf die klassischen Hausaufgaben verzichtet wird.

Nach 14.30 Uhr ist die Ganztagsschule beendet und der Nachmittag zur freien Verfügung für die familiären Vorhaben. Hausaufgaben sind gemacht, selbstverständlich war auch Zeit für ein warmes Mittagsessen und eine entsprechende Mittagspause. Für die Eltern, die eine weitergehende Betreuung brauchen, gibt es im Anschluss ein Betreuungsangebot bis 17 Uhr, das bei möglichst hoher personeller Kontinuität kostenpflichtig am selben Standort stattfindet und eine Ferienbetreuung miteinschließt.

In zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem mit dem Ganztagsschulverband, der Agentur für ganztägig Lernen und der Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, haben wir dieses Modell vorgestellt und sowohl bei den Eltern als auch den Pädagoginnen und Pädagogen sehr hohe Zustimmung erfahren. Vor allem ist es geeignet, die Interessen unterschiedlicher Elterngruppen in Einklang zu bringen: Eltern, die hohen Betreuungsbedarf bis in den späten Nachmittag hinein haben, erhalten ein vollwertiges Angebot vor Ort der Schule, mit qualifiziertem Personal, das den Kindern dem gesamten Tag über vertraut ist. Eltern, die für ihre Kinder am Nachmittag keinen oder nur eingeschränkten Betreuungsbedarf haben, erhalten ein pädagogisch hochwertiges Ganztagsangebot und können trotzdem über den Nachmittag frei verfügen. Durch den Wegfall der Hausaufgaben und die Gewährleistung des warmen Mittagessens entsteht praktisch kein Zeitverlust – eher ein Gewinn!

Um eine Ganztagsgrundschule für alle Kinder verwirklichen zu können, ist die Akzeptanz gerade der Eltern notwendig, die keinen oder nur geringen Betreuungsbedarf haben. Kann man sie nicht gewinnen, bleibt nur die Option einer klassischen Vormittagsgrundschule mit anschließender Nachmittagsbetreuung oder die einer teilgebundenen Ganztagsgrundschule, die sich auf die Kinder mit Betreuungsbedarf am Nachmittag beschränkt, also keine „natürliche“ Mischung der Klassenzusammensetzung ermöglicht. Beide Varianten sind unbefriedigend.

Wie eine so beschriebene Ganztagsgrundschule zur großen Zufriedenheit aller Beteiligten in der Praxis funktioniert zeigt die Schlossschule in Weiterstadt-Gräfenhausen.

Alle bis 14.30 Uhr – Einige bis 17 Uhr

Schloss-Schule-Gräfenhausen erfährt hohe Akzeptanz

Seit 2013 arbeitet die Schloss-Schule-Gräfenhausen, eine Grundschule im Weiterstädter Stadtteil Gräfenhausen, nach einem bundesweit einzigartigen Ganztagsmodell. Das Modell ist so erfolgreich, dass die Schulträger Stadt Darmstadt und Landkreis Darmstadt-Dieburg für ihre 91 Grundschulen diesen Weg ermöglichen wollen.

Alle ca. 270 Schülerinnen und Schüler sind bis 14.30 Uhr verbindlich in der Schule. Diese Zeit umfasst 36 Unterrichtstunden in der Woche, wovon 28 Std. im Klassenverband sind. Danach bestehender zusätzlicher Betreuungsbedarf ist bis 17 Uhr kostenpflichtig abgedeckt.

Der Schultag ist rhythmisiert, es gibt Phasen von Anspannung und Entspannung, von Konzentration und Erholung. Mittagessen und Pausen und nach Tagesinteresse gewählte Angebote sind selbstverständlich. Lehrkräfte arbeiten mit pädagogischen Fachkräften in multiprofessionellen Teams zusammen. Statt der traditionellen Hausaufgaben gibt es Lernzeiten, in denen auf Stärken und Schwächen eines Kindes eingegangen werden kann. Schulträger, Kommune, Schulamt und Kultusministerium unterstützen die Schule. Eine Umfrage zeigt bei Eltern hohe Zufriedenheit. Die Schülerinnen und Schüler kommen gerne in ihre Schule. Das Personal nutzt die in dieser Ganztagsschule besonderen pädagogischen Möglichkeiten und arbeitet gerne in multiprofessionellen Jahrgangs-Teams.

Möglich wurde dieses Ganztagsmodell durch die enge Zusammenarbeit von Kultusministerium, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg als Schulträger und der Stadt Weiterstadt, die für „ihre“ Kinder mit in die Verantwortung geht.

Was braucht eine solche Ganztagsschule?

Mit der Schloss-Schule-Gräfenhausen liegen inzwischen mehrjährige, belastbare Daten über nötige Mindest-Ausstattungen an Personal, an Finanzen, an Räumen vor. Darauf basierend lassen sich allgemeine Ganztags-Grundschul-Ausstattungen formulieren. Möglichst alle Schülerinnen und Schüler an Grundschulen sollen die zeitgemäßen und zukunftsorientierten Entwicklungsmöglichkeiten einer gebundenen Ganztagsschule bekommen und Lehrkräfte die Möglichkeit, eine Schule zu gestalten, die den aktuellen gesellschaftlichen Erfordernissen entspricht!

Standards - Kosten - Finanzierung

In den bisherigen Abschnitten wurde deutlich worum es geht, jetzt soll detailliert dargestellt werden wie es geht, d.h. um Standards, Kosten, Finanzierungsmodelle, Rahmenbedingungen. Hierbei beziehen wir uns auf Modelle, wie z.B. der Schloss-Schule aber auch auf langjährige Prozesse in der Bildungsregion sowie auf intensive Diskussionen in bundes- und landesweiten Veranstaltungen.

Nicht zuletzt fließen hier aber auch noch Erfahrungen ein, die Schulen und Jugendhilfeträger in der Pilotphase des Ganztagsmodells „Pakt für den Nachmittag“ (PfdN) in Hessen seit 2014 machen konnten. Hier wurde u.a. deutlich, dass eine Reihe von Aufgaben – insbesondere in den Bereichen Koordination, Administration, Fortbildungen und Sonderaufwendungen – bislang unterfinanziert sind.

Grundlage für die hier vorgelegten Kostenkalkulationen, die in einem Fachgremium der o.a. Bildungsregion ausführlich beraten wurden, sind die allgemein anerkannten Berechnungen der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, Stand 9/ 2018). Weiterhin berücksichtigen wir die Hessische Rahmenvereinbarung für die Gestaltung der Einzelvereinbarungen über Leistungsangebote, Qualitätsentwicklung und Entgelte nach §§ 78a ff SGB VIII (KJHG), speziell § 12 Personalschlüssel / Qualifikation Punkt (18), der für Leitung und Verwaltung jeweils einen Zuschlag von 10 Prozent vorsieht.

Empfehlung für Standards in der gebundenen Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr (mit anschließender Betreuung bis 17 Uhr) in der Bildungsregion

In der Bildungsregion Stadt Darmstadt und Landkreis Darmstadt-Dieburg herrscht Konsens, dass die inklusiv arbeitende gebundene Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr mit anschließender optionaler Betreuung bis 17 Uhr eine neue pädagogische und organisatorische Qualität darstellt, die über eine bloße Verlängerung des Schulvormittags hinausgeht. Wie schon in der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Hessen und den Schulträgern im Rahmen des Paktes für den Nachmittag ausgeführt wird, müssen dabei auch Vorgaben des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches (HKJGB) berücksichtigt werden. Beide Schulträger haben diesen Vorgaben in ihren verabschiedeten qualitativen Standards und den daraus resultierenden Finanzierungskonzepten für die Schulen im Pakt für den Nachmittag schon Rechnung getragen.

Bedingt durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen beider Gebietskörperschaften in der Bildungsregion, unterscheiden sich die Standards nur geringfügig. Eine Vereinheitlichung der zurzeit noch geringfügig unterschiedlichen Standards wäre wünschenswert.

 

Stadt Darmstadt

Landkreis Darmstadt-Dieburg

Kinder pro Gruppe (rechnerisch)

25

22

Betreuungstage (außer Ferien)

195

198

Betreuungsstunden täglich

2,5

2,875 (mit Übergabezeiten)

Betreuungsschlüssel (Personen pro Gruppe)

1,6

1,5

Anteil Fachkräfte (Soz.Päd., Erzieher*innen…)

75%

50%

Anteil Ergänzungskräfte

25%

50%

Zuschlag Fachkraft (Vorbereitung, Koordination, etc.)

20%

20%

Zuschlag Ergänzungskraft (Vorbereitung, Koordination)

10%

10%

Zuschlag Leitungsstellenanteil

5%

5%

Anteil Sachkosten

8%

8%

Anteil Verwaltungskosten

15%

15%

Die zentrale Frage nach den Kosten

Bei Zugrundelegung dieser Standards und der Berechnungen der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, Stand 9/ 2018) für die Arbeitszeit und die Lohnkosten der Fach- und Ergänzungskräfte, ergeben sich für die Ganztagsgrundschule die in der folgenden Tabelle dargestellten Kosten, sowohl ohne eine Kalkulation für die Küchenkräfte an der Essensausgabe als auch mit einer.

Kalkulationen

 

 

 

 

 

Stadt DA

Stadt DA

Kreis DADI

Kreis DADI

Gruppen

1

 

1

 

Kinder pro Gruppe

25

 

22

 

Personalstd. Pro Jahr

1584

 

1584

 

Lohnkosten S8a/3 Stand 9-2018

 

56.500 €

 

56.500 €

Lohnkosten S3a/3 Stand 9-2018

 

45.500 €

 

45.500 €

Lohnkosten E3 Stand 9-2018

 

42.900 €

 

42.900 €

Schultage

195

 

198

 

Schulwochen

39

 

39,6

 

Betreuungsstunden/Tag

2,5

 

2,875

 

Betreuungsstunden/Jahr

487,5

 

569,3

 

Betreuungsschlüssel

1,6 pro Gruppe                             1,5 pro Gruppe

Betreuungsstunden Personal

780

780

854

 

Fachkräfteanteil

75%

 

50%

 

Ergänzungskräfteanteil

25%

 

50%

 

Fachkraftstunden pro Jahr

585

 

427

 

Ergänzungskraftstunden pro Jahr

195

 

427

 

Fachkraft Zuschlag

20%

 

20%

 

Ergänzungskraft Zuschlag

10%

 

10%

 

Arbeitszeit Fachkraft/Jahr

702

 

512

 

Arbeitszeit Ergänzungskraft/Jahr

214,5

 

470

 

Stellenanteil Fachkraft

0,44

25.040 €

0,32

18.274 €

Stellenanteil Ergänzungskraft

0,14

6.161 €

0,30

13.490 €

Personalkosten

 

31.201 €

 

31.764 €

zuzüglich Leitungsstellenanteil

5%

1.560 €

5%

1.588 €

zuzüglich Sachkostenanteil

8%

2.496 €

8%

2.541 €

zuzügl.Verwaltungskostenanteil

15%

4.680 €

15%

4.765 €

Gesamtkosten ohne Hauswirtschaft

 

39.938 €

 

40.658 €

Kosten pro Kind pro Jahr

 

1.598 €

 

1.848 €

 

 

 

 

 

Hauswirtschaft: 7 WochenStd./ Gruppe

273 Stunden

7.394 €

 

7.394 €

Gesamtkosten mit Hauswirtschaft

 

47.331 €

 

48.052 €

Kosten pro Kind pro Jahr

 

1.893 €

 

2.184 €

 

Eine Alternativrechnung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen

Die GEW Hessen geht in ihren Kalkulationen von einem notwendigen 60% Zuschlag auf die Grundunterrichtsversorgung aus. Am Beispiel der o.a. Schloss-Schule soll das hier exemplarisch dargestellt werden.

Wenn man hier von der Grundunterrichtsversorgung ausgeht, die sich auf etwa 10 Stellen beläuft, so wären das sechs Stellen. Zur Umrechnung dieses Stellenvolumens in einen Geldbetrag bietet sich die vom Hessischen Ministerium der Finanzen aufgestellte Personalkostentabelle an (Staatsanzeiger für das Land Hessen – 27. Mai 2019, S. 509ff.). Von dieser werden für die Beamtinnen und Beamten neben der durchschnittlich ausgezahlten Besoldung der jeweiligen Besoldungsgruppe auch Versorgungsbezüge, Personalnebenkosten sowie indirekte Kosten (Leitung, Aufsichtsbehörden und allgemeine Dienste) als Zuschlagssatz in Höhe von 15 Prozent berücksichtigt. Bei den Angestellten werden unter Berücksichtigung der tarifvertraglichen Regelungen für jede Entgeltgruppe stufenunabhängige Durchschnittswerte ermittelt. Hinzu kommen Zulagen, Zuschläge, die Jahressonderzahlung, vermögenswirksame Leistungen sowie die Arbeitgeberanteile zur Sozial- versicherung und die Umlagen zur Zusatzversorgung. Darüber hinaus können für beide Gruppen auch die durchschnittlichen Arbeitsplatzkosten in Höhe von 15.335 Euro berücksichtigt werden.

 

A 12 (ohne

Arbeitsplatz- kosten)

A 12 (mit

Arbeitsplatz- kosten)

E 11 (ohne

Arbeitsplatz- kosten)

E 11 (mit

Arbeitsplatz- kosten)

Jährliche Kosten (gemäß

Personalkostentabelle 2018)

95 .212 €

110 .547 €

79 .264 €

94 .599 €

Entspricht bei 6 Stellen

einem Gegenwert von

571.272 €

663.282 €

475.584 €

567.594 €

 

Am sachgerechtesten erscheint es, als Vergleich die Personalkosten für A12 ohne Arbeitsplatzkosten heranzuziehen, da hier ebenfalls die Nebenkosten Berücksichtigung finden, was zu einem jährlichen Betrag von 571.272 Euro führt. Rechnet man das am o.a. Beispiel der Schloss-Schule mit ihren 264 Schüler*innen auf die Kosten pro Kind und Jahr um ergibt sich ein Betrag von 2164€. Dieser Betrag liegt in der gleichen Größenordnung wie die o.a. Kalkulation mit den errechneten Kosten von 2184€ pro Kind und Jahr für den Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Pragmatismus und Zukunftsvisionen in der Bildungsregion

Aktuell unterstützt das Land Hessen die Schulen, die sich im Pakt für den Nachmittag befinden mit einem Zuschlag von 0,0095 Lehrerstellen pro Schüler*in, unabhängig von der Teilnahmequote am Pakt.

Diese spezielle hessische Variante soll ausgebaut werden – wie u.a. in der Koalitionsvereinbarung der hessischen Regierungsparteien formuliert.

„Im Zusammenhang mit der Einführung des auf Bundesebene vereinbarten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter wollen wir die Schulen in Hessen in die Lage versetzen, dass sie den Rechtsanspruch erfüllen können.

Dafür werden wir allen Grundschulen und Grundstufen von Förderschulen den Weg in den

„Pakt für den Ganztag“ eröffnen und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen. Außerdem wollen wir den Schulträgern die Option eröffnen, die Einrichtung ganztägig arbeitender Schulen verbindlich in ihren Schulentwicklungsplänen zu regeln.

In Fortsetzung der bewährten Praxis aus der vergangenen Legislaturperiode werden wir das vielfältige Angebot ganztägig arbeitender Schulen weiter ausbauen, um die Bildungsentwicklung von Kindern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Den erfolgreichen Pakt für den Nachmittag entwickeln wir weiter zum Pakt für den Ganztag. Wir bleiben bei dem erfolgreichen Prinzip, dass das Land und die Kommunen zusammenwirken, um ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot von 7.30 bis 17 Uhr sicherzustellen. Mit dem Pakt für den Ganztag sollen nun die Schulen die Möglichkeit erhalten, das Ganztagsangebot bis 14.30 Uhr auf ihren Wunsch hin auch als gebundenes oder teilgebundenes Modell auszugestalten. Damit können auch Schulen am Pakt teilnehmen, die für die ganze Schule (gebundenes Modell) oder einzelne Klassen (teilgebunden) an bestimmten Tagen der Woche ein Angebot über den Vormittag hinaus verpflichtend machen. Für alle Varianten, egal ob freiwillig oder verpflichtend, gilt: Für den vom Land verantworteten Teil des Pakts stellen wir die Gebührenfreiheit bis mindestens 14.30 Uhr sicher.“

Die Realität an vielen hessischen Grundschulen ist da schon weiter: Unabhängig vom offiziellen Status und Ganztagsprofil gibt es bereits jetzt Ganztagsklassen, d.h. teilgebundene Systeme und viele Schulen und Träger kommen bei Betreuungsbedarfen von über 80% an ihre Grenzen.

Beide Schulträger in der Bildungsregion stimmen überein, dass neu aufgebaute Grundschulen als „inklusive gebundene Ganztagsgrundschulen bis 14.30 Uhr“ im vorab skizzierten Sinne starten. Darüber hinaus sollen ausgewählte Bestandsschulen in das Modellprojekt aufgenommen werden, wenn die entsprechenden Schulkonferenzbeschlüsse für gebundene bzw. teilgebundene (bei Teilnahme einiger aber nicht aller Klassen eines Jahrgangs) vorliegen. Hier kann eine zahlenmäßige Begrenzung der am Modellprojekt teilnehmenden Schulen mit dem Kultusministerium vereinbart werden.

Ganztagsschule kann ohne Kooperation und Öffnung in den Sozialraum nicht gelingen. Daher sind Sozialraumorientierung sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Kontext Ganztagsgrundschule wesentliche Bausteine der Umsetzung des Modellprojektes „Inklusive gebundene Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr“.

Wie können Umsetzungsstrategien im Land Hessen aussehen?

Als Übergang sind „gebundene Ganztagsklassen“ denkbar und parallel dazu existierende Klassen mit einer Betreuung im Rahmen des bisherigen Pakts für den Nachmittag. Sollten sich Schulen nach eingehender Prüfung dazu entscheiden, ist ebenso eine komplette Transformation zu gebundenen inklusiven Schulen bis 14:30 Uhr möglich. Die Entwicklung bedarfsorientierter Umsetzungsmodelle und -prozesse ist Bestandteil des Modellprojektes und ein wertvoller Transferbeitrag für den Ausbau der Ganztagsschullandschaft im Land Hessen.

Wer soll das bezahlen?

Obwohl die Hessische Verfassung die Unentgeltlichkeit des Unterrichts vorsieht, ist nicht davon auszugehen, dass die Kosten für eine inklusive gebundene Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr mit den oben beschriebenen Standards derzeit vollständig vom Land Hessen übernommen werden.

Das Modellprojekt basiert auf einer Mischfinanzierung, an der sich das Land Hessen, die Schulträger und gegebenenfalls die Kommunen der Standortschulen beteiligen.

Elternbeiträge sollen in der Ganztagsgrundschule nicht erhoben werden. Das schließt Elternbeiträge für die optionale Betreuung nach 14.30 Uhr und die Ferienbetreuung nicht aus. Hier werden sich die Umsetzungsmöglichkeiten in Stadt und Landkreis unterscheiden.

Als Gelingensbedingung für ein erfolgreiches Modellprojekt sieht die Bildungsregion Darmstadt & Darmstadt-Dieburg zunächst drei wesentliche Aspekte auf Seiten des Kultusministeriums:

  • Grundsätzlich: Es gibt Zustimmung zu dem Konzept, dass die „inklusive gebundene Ganztagsgrundschule bis 14.30 Uhr“ mit anschließender optionaler Betreuung bis 17.00 Uhr eine verbesserte pädagogische sowie organisatorische Qualität darstellt, die über eine bloße Verlängerung des Schulvormittags hinausgeht. Wie in der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Hessen und den Schulträgern ausgeführt wird, sind Vorgaben des HKJSG zu berücksichtigen.
  • Finanziell: Das Hessische Kultusministerium und die Bildungsregion Darmstadt & Darmstadt- Dieburg stimmen überein, dass die im PfdN derzeit vorgesehene Finanzierung nicht ausreicht für die weiter oben formulierten Standards einer „inklusiven gebundenen Ganztagsgrundschule bis 14.30“.
  • Juristisch: Für die Entscheidung der Schule eine Organisationsänderung hin zu einer

„inklusiven gebundenen Ganztagsschule bis 14.30“ oder für gebundene Ganztagsklassen muss ein entsprechender Schulkonferenzbeschluss genügen. Insbesondere wird es als erforderlich angesehen, rechtliche Klärungen auf den Weg zu bringen, wenn Eltern den Besuch einer Ganztagsklasse bzw. Ganztagsschule für ihr Kind nicht wünschen.

Die Autorengruppe Gerhard Kraft/Stefanie Lange/Manfred Schiwy/ Walter Schnitzspan freut sich über Nachfragen, Hinweise, Kritik und Lob und ist zu erreichen per E-Mail

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Plädoyer für die Zukunft der Grundschulen | Langtext

Plädoyer für die Zukunft der Grundschulen | Kürzerer Text erschienen in der HLZ 11/2020 | zur HLZ 2020