Die Strukturen der GEW Hessen und ihre Entwicklung

HLZ Juli/August 2023: 75 Jahre GEW & HLZ

Strukturen einer Organisation sind oder sollten kein Selbstzweck sein. Der folgende Beitrag des langjährigen Landesgeschäftsführers der GEW Ulrich Märtin gibt einen groben Überblick über die Veränderungen der organisatorischen Strukturen der GEW Hessen insbesondere in den letzten 25 Jahren.


Die Gliederung der hessischen GEW folgt bis heute vor allem den Strukturen der Schulverwaltung, denn die meisten Mitglieder der GEW waren und sind beamtete und mit zunehmender Zahl auch angestellte Lehrkräfte an staatlichen Schulen, die vor der Einrichtung der Staatlichen Schulämter von den Landkreisen und den kreisfreien Städten verwaltet wurden. Entsprechend wurden in den Landkreisen und Städten GEW-Kreisverbände eingerichtet, die bis heute das Rückgrat der GEW Hessen sind. Durch die Gebietsreform reduzierte sich die Zahl der Landkreise bis 1977 von 39 auf 21, die der kreisfreien Städte von 9 auf 5. Auf der GEW-Ebene verringerte sich die Zahl der Kreisverbände durch Zusammenschlüsse von 46 auf 38.


GEW-Gliederung folgt staatlichen Strukturen


Mit der Überleitung der inneren Schulverwaltung von den kommunalen Schulämtern in die Zuständigkeit des Hessischen Kultusministeriums (HKM) wurden die – derzeit 15 – Staatlichen Schulämter eingerichtet, so dass seitdem häufig mehrere GEW-Kreisverbände demselben Schulamt gegenüberstehen. Auch deshalb haben einzelne Kreisverbände durch Zusammenschlüsse diese Strukturveränderung in der Schulverwaltung nachvollzogen.


Die nächsthöhere Organisationsebene der GEW-Bezirksverbände resultiert zum einen aus der Gründungsphase der GEW Hessen. So wurde der Allgemeine Deutsche Lehrerinnen- und Lehrerverband Kurhessen (ADLLV) schon 1947 in Marburg gegründet. Vor allem orientierten sich die Bezirksverbände in ihrer räumlichen Form jedoch an den Regierungsbezirken des Landes Hessen mit ihren jeweiligen Schulabteilungen. Analog zu den zunächst drei Regierungsbezirken Darmstadt, Wiesbaden und Kassel gründete die GEW drei Bezirksverbände. Zusätzlich entstand der Bezirksverband Frankfurt, auch wenn der staatlicherseits dem Regierungsbezirk Darmstadt zugeordnet ist. Die GEW-Bezirksverbände waren zudem die gewerkschaftliche Basis für die den Regierungspräsidien zugeordneten Bezirkspersonalräte.


Und auch nach der Auflösung des Regierungsbezirks Wiesbaden (1968), der in die Regierungsbezirke Darmstadt und Kassel eingegliedert wurde, und der Schaffung eines neuen Regierungsbezirks Gießen (1981), für den die Regierungsbezirke Darmstadt und Kassel Gebiete abgeben mussten, folgte die GEW diesen staatlichen Strukturveränderungen, so dass sich jetzt beispielsweise der Kreisverband Marburg, der traditionell zum Beispiel zu Nordhessen gehörte, nun im neuen Bezirksverband Mittelhessen wiederfand.


Mit der Überleitung der Aufgaben der Schulabteilungen der Regierungspräsidien auf die Staatlichen Schulämter entfielen auch die Bezirkspersonalräte, deren Aufgaben als Zwischenebene zwischen den Schulpersonalräten und dem Hauptpersonalrat auf die Gesamtpersonalräte bei den Staatlichen Schulämtern übergingen, die wiederum in engerer Bindung zur Kreisverbandsebene stehen.


1980er Jahre: Die GEW in Bewegung


In den 1980er Jahren war die GEW in großer Bewegung. Die Organisationsbereiche Weiterbildung, Sozialpädagogik und Hochschule und Forschung erhielten ein größeres Gewicht, die Tarifarbeit und die Fragen der Arbeitsplatzgestaltung rückten in den Vordergrund.


Insbesondere für die Vorbereitung und Durchführung von politischen Kampagnen und Arbeitskampfmaßnahmen erwies sich die Struktur des Landesvorstands als nicht tragfähig. Den Fach- und Personengruppen fehlten die Verankerung in der Fläche und die Kapazitäten, auf der Ebene der Betriebe tätig zu werden. Die Kreisverbände, die die Entscheidungen vor Ort umsetzen sollen, waren im Landesvorstand nicht vertreten.


Um diesem Manko abzuhelfen, wurde der Landesvorstand 1992 in seiner Zusammensetzung grundlegend umgestaltet. Seitdem sind alle Kreis- und Regionalverbände mit jeweils einer Stimme Mitglied im Landesvorstand. Gleichzeitig verloren die Fachgruppen ihr Stimmrecht im Landesvorstand. Damit konnten die Voraussetzungen für eine erfolgreichere Umsetzung der Beschlüsse in die Praxis geschaffen werden.

Die Leiterinnen und Leiter der Referate für Tarif und Besoldung, Schule und Bildung, Aus- und Fortbildung, Hochschule und Forschung, Weiterbildung sowie Sozialpädagogik werden nun ebenso wie die Schriftleitung der HLZ und die Leitung der Landesrechtsstelle direkt von der Landesdelegiertenversammlung gewählt.
Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, fast alle gewerkschaftlichen Mandate auch als Team auszuüben. Hier hat die GEW Hessen also eine gesellschaftliche Vorreiterrolle eingenommen.


Später kam die Option dazu, dass die Funktion des oder der Landesvorsitzenden auch im „Tandem“ von zwei Personen ausgeübt werden kann. 2014 bildeten Jochen Nagel und Birgit Koch das erste Tandem an der Spitze der GEW, 2017 wurden Birgit Koch und Maike Wiedwald als Tandem gewählt.


Die Landesdelegiertenversammlung (LDV) ist das höchste Beschlussorgan der GEW Hessen. Die Vorsitzenden und der geschäftsführende Vorstand werden alle drei Jahre auf einer ordentlichen LDV gewählt, die auch über den Haushalt der GEW und den Stellenplan für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle beschließt. 2020 wurde die Neuwahl der Vorsitzenden aufgrund der Pandemie um ein Jahr verschoben und deren Amtszeit einmalig um ein Jahr verlängert.  


Tarifkämpfe und Tarifkommissionen


Die GEW hat schon von ihrer Gründung an, die Notwendigkeit von Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfen gesehen. Dies machten bereits die Diskussionen über das Streikrecht in den fünfziger Jahren deutlich, die auch in der HLZ geführt wurden (HLZ S. 9). Die Tarifauseinandersetzungen haben in den letzten 30 Jahren an Bedeutung gewonnen: Es gibt mehr angestellte Lehrkräfte im Schulbereich, mehr Mitglieder in außerschulischen Einrichtungen und mehr Mitglieder im sozialpädagogischen Bereich (HLZ S.14).


Zur Vorbereitung und Durchführung von Tarifauseinandersetzungen werden Tarifkommissionen gebraucht, die unter Einbeziehung von Beschäftigten des jeweiligen Tarifbereichs gebildet werden.


Welchen Stellenwert gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen schon in den fünfziger Jahren in der GEW Hessen hatten, zeigen auch die Debatten um die Einrichtung eines Kampffonds in der Gründungszeit der GEW Hessen. „Gedenket stets des Kampffonds“ – mit diesen Worten endet ein kämpferischer Aufruf in der HLZ 8/9-1951 (S. 89):
„Die Empörung unter der Beamten- und Lehrerschaft über die völlig ungenügenden Teuerungszuschläge, wie sie von der Bundesregierung vorgeschlagen wurden, ist ungeheuer, die Erregung über das treulose Beiseiteschieben der Ruheständler grenzenlos. Nur durch heißesten Kampf gegen das soziale Unrecht kann ein weiteres Absinken der Beamtenschaft und ihrer berechtigten Ansprüche verhindert werden.“


Ulrich Märtin