Das Ersatzschulfinanzierungsgesetz in der Kritik: Eine Entgegnung

HLZ September/Oktober 2023: Die Landtagswahl am 8. Oktober

In ihrer Ausgabe 6/2023 berichtete die HLZ über die Novellierung des hessischen Ersatzschulfinanzierungsgesetzes und die Stellungnahme der GEW. Als größter Träger von Ersatzschulen ist die katholische Kirche in der Auseinandersetzung um die Verteilung staatlicher Mittel besonders betroffen. Der Einsatz für eine bessere finanzielle Ausgestaltung ihrer Schulen ist daher durchaus nachvollziehbar. Widerspruch löste dagegen die im Auftrag des Kommissariats der Katholischen Bischöfe in Hessen verfasste Stellungnahme von Dr. Markus Kremer aus, die in der HLZ 7-8/2023 veröffentlicht wurde.


Natürlich ist es zutreffend, dass an vielen Ersatzschulen sehr gute Arbeit geleistet wird. Gerade im Bereich der Förderschulen ersetzen sie häufig mit großem Engagement fehlende staatliche Angebote - wobei sich für uns die Frage stellt, warum entsprechende staatliche Angebote fehlen. Die Kritik an der Gesetzesnovelle in unserem HLZ-Artikel ist ausdrücklich keine Kritik an der in den Schulen geleisteten Arbeit und dem dort beschäftigten Personal.


Der Argumentation von Dr. Kremer ist aus unserer Sicht widersprüchlich. Entweder waren die Bedingungen der Ersatzschulen, wie behauptet, seit Jahren so schlecht, dass sie deutlich hinter denen der öffentlichen Schulen zurückgeblieben sind. Oder es gibt einen massiven Zuwachs bei den Ersatzschulen bei der Zahl der Schüler:innen und der Schulen, weil die (besseren) Voraussetzungen es für bestimmte Schichten attraktiv machte, ihre Kinder dort anzumelden. Tatsächlich ist die Zahl der  Schulen und der Schüler:innen angewachsen, wie die Tabelle zeigt. Das jahrelange, ungebrochene Wachstum des Privatschulsektors in Hessen ist jedenfalls nicht vereinbar mit finanziellen Problemen.  


Und selbst wenn die finanzielle Ausstattung so schlecht gewesen wäre, dass sie im Sinne des neuen Ersatzschulfinanzierungsgesetzes dringend „reformiert“ werden musste: Warum ist die Kritik der GEW dann Ausdruck einer „Neiddebatte“, wie Herr Kremer im letzten Satz seines Briefs an die GEW formuliert? Die Begrifflichkeit wird im politischen Diskurs seit Jahrzehnten verwendet, wenn es darum geht, einer Verringerung ökonomischer Ungleichheit durch Umverteilung  – etwa durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer – entgegenzutreten. Ist im Verhältnis von öffentlichem und privatem Schulwesen dieser so verstandene „Neid“ also durchaus angebracht? Auch der Hinweis auf die Staffelungs- und Stipendiatenprogramme ändert nichts an der nachweislich ökonomisch deutlich bessergestellten Schülerschaft, die Privatschulen besucht: Denn befinden sich private Schulen in der Nähe, so hat es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zuletzt erneut festgestellt, dann schicken einkommensstarke Haushalte ihre Kinder eher dorthin als Haushalte mit geringerem Einkommen.


Problematisch ist aus unserer Sicht zudem, dass in Hessen eine staatliche Kontrolle der Aufnahme der Schüler:innen auf Privatschulen nicht stattfindet. Eine effektive staatliche Kontrolle unterbleibt auch bei der Ausgestaltung der Schulgelder. Zwar müssen diese den zuständigen Schulämtern vorgelegt werden, doch verfügen diese nicht über die Ressourcen, um eine angemessene Prüfung vornehmen zu können.


Es ist richtig, dass die Verfassung die Privatschulfreiheit zusichert, aber eben nur in Verbindung mit dem Sonderungsverbot, also dem Verbot, die Schülerschaft nach den Besitzverhältnissen der Eltern auszuwählen. Die Schulgelder variieren in Hessen von niedrigen dreistelligen Beträgen im Monat bis hin zu Jahresbeträgen im fünfstelligen Bereich. Es ist absurd zu bestreiten, dass dies nicht mit einer faktischen Auswahl der Schülerschaft einhergeht, die aus finanziell besser gestellten Haushalten kommt.
Durch die mittlerweile beschlossene Gesetzesänderung steigt der staatliche Zuschuss für Schulen in privater Trägerschaft von derzeit 380 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren auf 470 Millionen Euro, also um fast 24 Prozent. Für die Folgejahre sind weitere Erhöhungen festgeschrieben. Gleichzeitig fehlt es in öffentlichen Schulen an allen Ecken und Enden: Die im Koalitionsvertrag versprochene Absenkung der Klassengröße an Grundschulen wurde nicht umgesetzt. Die Inklusion steht unter einem Haushaltsvorbehalt, der die Umsetzung des Menschenrechts auf inklusive Bildung verhindert. Der Investitionsstau im Bereich der Schulgebäude nimmt immer größere Ausmaße an. Und die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte steigt immer weiter.


Die GEW Hessen führt keine „Neiddebatte“, sondern eine Debatte um gesellschaftliche Gerechtigkeit. Solange Schulen in privater Trägerschaft aktiv mit besseren Bedingungen um ihre „Kundschaft“ werben und solange sie nicht erklären können, warum sich die Schülerschaft in der Gesamtheit so eklatant von der Schülerschaft an staatlichen Schulen in ihrem Umfeld unterscheidet, werden wir diese Debatte führen müssen.


Thilo Hartmann, Stefan Edelmann