Mit Bedauern und Unverständnis haben Hessens Eltern, Schüler*innen und Lehrkräfte zur Kenntnis genommen, dass private und parlamentarische Initiativen, Türkisch als zweite oder dritte Fremdsprachen an hessischen Schulen zu installieren, bereits im Kulturpolitischen Ausschuss des Hessischen Landtags an dem Widerstand der Koalitionsfraktionen gescheitert sind. Die seit nunmehr mehr als 20 Jahren andauernden Bemühungen unter Mitwirkung der türkischen Gemeinden in Deutschland werden weiterhin ohne handfeste Begründungen abgelehnt oder in aussichtslose Pilotprojekte abgeschoben.
Alle beteiligten Interessenvertreter*innen freuen sich über die bisher erfolgreichen Bemühungen bei anderen Fremdsprachen: Arabisch, Chinesisch, Portugiesisch und Polnisch wurden bereits als zweite und dritte Fremdsprachen in den Kanon der Wahlpflichtfächer aufgenommen.
Die gleiche Stellung werde Türkisch nicht eingeräumt. Dabei gibt es allen Grund, diesem Bedarf an Fremdsprachenunterricht in der Schule nachzugehen. Allein in Hessen sprechen rund 350.000 Menschen Türkisch oder haben einen türkischsprachigen Hintergrund. Auf Bundesebene sind es mehr als 3,5 Millionen Menschen. „Im Gegenteil zu anderen in der Schule angebotenen Fremdsprachen, ist Türkisch eine Sprache, die Verständigungen im Alltag (auch in Deutschland) vereinfachen kann. Ein flächendeckendes Einführen dessen ist aus der Sicht der Schüler*innen längst überfällig“, erklärt Helen Hoffman, von der Landesschüler*innenvertretung Hessen.
Nun setzt das Kultusministerium Pilotversuche in Kassel und Lollar zu Türkisch um. Aus Erfahrung wissen Eltern, Schüler*innen sowie die GEW, dass dies nur dem Ziel dienen kann, die Einführung zu verzögern oder verhindern. Zum Vergleich: bei keiner anderen Fremdsprache erachtete das Kultusministerium bisher ein Pilotprojekt für notwendig.
„Wenn es um Türkisch geht, wird in Hessen ein Muster offensichtlich: Einerseits wird öffentlich die Bereitschaft zu Fortschritten bekundet, andererseits wird der Versuch unternommen, in der Praxis diese Fortschritte durch sogenannte Pilotprojekte taktisch zu verhindern und zu blockieren. Wir betrachten das von der hessischen Landesregierung unternommene Pilotprojekt als nichts anderes als eine Mogelpackung.“ so Atila Karabörklü, Bundes- und Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde In Deutschland und Hessen.
Weder Kassel noch Lollar sind geeignet, den Bedarf an türkisch als zweite Fremdsprache zu ermitteln. Der Einführung von Türkisch sind somit erneut Hürden gesetzt, die keine andere Fremdsprache nehmen musste. Es ist eine politische Entscheidung des Kultusministeriums und der Regierungskoalition.
Unter Berücksichtigung der Verbreitung und Bedeutung von Türkisch in der deutschen Gesellschaft sind weitere Verzögerungen und unglaubwürdige Bedarfsermittlungen nicht mehr hinnehmbar. Thilo Hartman, Vorsitzender der GEW sagt dazu: „Die Einführung der in der Familie gesprochenen Herkunftssprache als reguläres Unterrichtsfach bedeutet, die Lebenswirklichkeit vieler Schüler*innen anzuerkennen. Dies kann auch einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen leisten“. Andere Bundesländer haben es vorgemacht. Hessen etabliert sich wieder im Schulbereich als Schlusslicht.
Türkisch gehört in Deutschland als Herkunftssprache zu einer der am häufigsten gesprochenen Sprachen in fremdsprachlichen Familien. Sie hat nicht nur im Umkreis der Familien mit türkischen Wurzeln, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Bereich eine außerordentliche Bedeutung für das durch Sprache vermittelte gegenseitige Verständnis und damit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ihr Erlernen als weitere Fremdsprache ist für Schüler*innen mit deutscher oder anderer Muttersprache folglich von besonders hohem Wert. Dies gilt auch mit Blick auf die Bedeutung beider Sprachen im ökonomischen und kulturellen Bereich. Korhan Ekinci, Vorsitzender elternbund hessen sagt dazu: „Das Vorgehen des Kultusministeriums kommt einer institutionellen Diskriminierung gefährlich nah. Es reicht!“
Der elternbund hessen, die Landesschüler*innenvertretung Hessen, die Bildungsgewerkschaft GEW Hessen und die türkische Gemeinde fordern daher, dass Türkisch ohne weitere Verzögerungen umgehend in den Kreis der Fremdsprachen im Wahlpflichtbereich der weiterführenden Schulen aufgenommen wird.
Helen Hoffmann
Ausschussleitung Fachausschuss Lehrinhalte, Landesschüler*innenvertretung Hessen
Thilo Hartmann
Vorsitzender GEW Hessen
Korhan Ekinci
Vorsitzender elternbund hessen
Hatice Bektaş-Alpsar
Vorsitzende Türkischer Elternbund Hessen
Atila Karabörklü Vorsitzender
Türkische Gemeinde Deutschland