Die GEW Hessen bedauert es, dass die schwarz-grüne Koalition die Chance verpasst, die Lehrkräftebildung in Hessen zukunftsfest aufzustellen. Der Gesetzentwurf der Koalition, der in dieser Woche in dritter Lesung vom Landtag behandelt wird, enthält nach Einschätzung der GEW lediglich geringfügige Verbesserungen gegenüber dem Ist-Zustand. Thilo Hartmann, Vorsitzender der GEW Hessen, äußerte sich entsprechend enttäuscht: „Die schwarz-grüne Koalition benennt zwar einige der Themen, auf die die Lehrkräfte von morgen dringend vorbereitet werden müssen, wie der Umgang mit heterogenen Lerngruppen, Mehrsprachigkeit, politische Bildung, Digitalisierung, Inklusion und individuelle Förderung. Ihr Gesetzentwurf wird den damit verbundenen Anforderungen an die Lehrkräftebildung aber nicht gerecht. In der Anhörung im Landtag im Februar haben sich so gut wie alle eingeladenen Expertinnen und Experten kritisch geäußert. Das gilt auch für die hessischen Universitäten und die Praktikerinnen und Praktiker an den Ausbildungsschulen, die letztendlich die Lehrkräftebildung unter widrigen Umständen mit Leben füllen.“
Was die erste Phase der Lehrkräftebildung anbelangt, bleibt es für das Lehramt an Grundschulen ebenso wie für das Lehramt an Haupt- und Realschulen bei einer deutlich kürzeren Regelstudienzeit. Kyra Beninga, die Ko-Sprecherin der Studierenden in der GEW Hessen ist und an der Goethe-Universität Lehramt studiert, erinnerte daran, dass in fast allen anderen Bundesländern mit der Einführung eines Praxissemesters auch eine Verlängerung der Regelstudienzeit einherging: „Hessen hält leider an seinem Sonderweg fest. Obwohl allgemein bekannt ist, dass gerade an den Grundschulen die pädagogischen Anforderungen zugenommen haben, verweigert das Land den angehenden Grundschullehrkräften eine angemessene Ausbildung. Von sieben Semestern Regelstudienzeit ist das Prüfungssemester und – in Zukunft hessenweit – das Praxissemester abzuziehen. In nicht mehr als fünf Semestern ist es nicht möglich, die erforderlichen theoretischen Grundlagen in drei Unterrichtsfächern, den Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften sowie der Grundschulpädagogik und -didaktik unterzubringen. Darunter leidet die Qualität der Ausbildung.“ Kleine kosmetische Verbesserungen, etwa bezüglich eines Lehramtsstudiums oder des Vorbereitungsdienstes in Teilzeit, könnten letztendlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landesregierung sich weigere, die notwendigen Konsequenzen aus den gestiegenen Anforderungen zu ziehen. Die Studiendauer müsse zwingend für alle Lehrämter angeglichen werden.
Auch hinsichtlich des Vorbereitungsdienstes bestehen laut Christina Nickel die altbekannten Probleme fort. Sie ist Ausbilderin an einem Studienseminar und Ko-Leiterin des Referats Aus- und Fortbildung der GEW Hessen. Die zweite Phase der Lehrkräftebildung ist in Hessen in kleinteilige Module fragmentiert, so dass die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst von Anfang an einem regelrechten „Prüfungs- und Bewertungsmarathon“ ausgesetzt seien: „Während wir den angehenden Lehrkräften eine pädagogische, ganzheitliche Herangehensweise vermitteln, die auf die Stärken und Potenziale der Einzelnen blickt, werden sie selbst nach entgegengesetzten Grundsätzen behandelt. Es mangelt bislang an einer durchgehenden Begleitung durch die Ausbilderinnen und Ausbilder. Ebenso fehlen bewertungsfreie Räume zum Ausprobieren und zur Reflexion.“ Eine grundlegende Reform des Vorbereitungsdienstes und eine Überwindung des modularen Systems, wie sie die GEW in ihrer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme vorgeschlagen hat, bleibe leider aus. Auch was die Fort- und Weiterbildung als dritte Phase anbelangt, sind nach Auffassung von Christina Nickel keinerlei Fortschritte zu erkennen.