Samsung Lighthouse School in Rüsselsheim

Geheime Kooperationsvereinbarung mit staatlicher Schule

Pressemitteilung 9. November 2018

Seit 2015 kann sich das Neue Gymnasium Rüsselsheim als  „Samsung Lighthouse School“ (Samsung-Leuchtturmschule) bezeichnen. Hierzu wurde laut Presseberichten eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Inzwischen sorgt die exklusive Rolle des Konzerns und seiner Produkte an dieser Schule für kritische Nachfragen.

Die Dokumente, die Aufschluss über die Art und das Ausmaß der Kooperation geben können, sind den Behörden nach eigenen Angaben unbekannt oder werden von den Beteiligten verheimlicht.

  • Samsung: Der Konzern verweigert die Einsichtnahme in den geschlossenen Vertrag.
  • Schulträger (Kreis Groß-Gerau): „Der Kreis hat in dieser Angelegenheit keine Kooperationsvereinbarung.“ Landrat Will war bei deren Unterzeichnung anwesend. Die Transparenzanfragen, ob der Schulträger die Vereinbarung inhaltlich kenne, die  offensichtlich die sächliche Ausstattung der Schule betreffe, blieb unbeantwortet.
  • Kultusministerium: Dem Ministerium liegt nach eigener Auskunft die Kooperationsvereinbarung nicht vor. Man verweist auf den Schulträger und die Schulleitung.
  • Die Schulleitung des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim beruft sich auf „schutzwürdige Interessen“ der Firma Samsung: „Da hier (…) ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs der Firma Samsung besteht und diese die entsprechende Information bereits verweigert hat, kann ich Ihnen die erbetenen Informationen zu dem Vertrag nicht geben.“

Damit  ergibt sich die Situation, dass eine Schule eine Kooperationsvereinbarung mit einem Konzern schließt, die weder dem Schulträger noch dem Kultusministerium in ihrem inhaltlichen Ausmaß bekannt ist. Darüber hinaus handelt es sich um einen „Geheimvertrag“, bei dem die Interessen eines Konzerns höher gewichtet werden als die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und deren Informationsfreiheitsrechten.

Dieses Schulprojekt ist auch in einem größeren Zusammenhang von Aktivitäten der Firma Samsung im Bildungsbereich zu sehen. Besonders auffällig geworden sind jüngst die so genannten „Coding-Klassenfahrten“. Hier finanziert der Konzern über die Technologiestiftung mehrtägige Schulfahrten mit, um diesen dabei einen digitalen Schwerpunkt zu geben: „Interessierte Schulklassen können sich um eine „digitale Klassenfahrt“ in Deutschland bewerben, zu der sie sowohl die notwendige Hardware (die SAMSUNG CODE WEEK BOX) als auch durch Samsung zusätzliche smarte Technik gestellt bekommen“. Auch hier wird eine schulische Veranstaltung unmittelbar mit dem Konzernnamen verbunden und in die erwünschte Richtung gelenkt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen (GEW) sieht  sich in der Sorge über das Ausmaß, das Sponsoring an staatlichen Schulen mittlerweile angenommen hat, bestätigt. Schulen und Lehrerinnen und Lehrer sind dazu angehalten, Neutralität und Unabhängigkeit zu wahren; Kultusministerium und Schulträger haben hierzu mit ihren nachgeordneten Behörden die schulaufsichtliche Verantwortung. Dass sich eine staatliche Schule  mit einem konzernexklusiven und bewerbenden Titel schmücken darf, ist mehr als nur befremdlich. Die mutmaßlich weitgehend exklusive sächliche IT-Ausstattung lässt den Verdacht der Abhängigkeit von einem Konzern aufkommen. Die Tatsache, dass auf Nachfrage die Grundlagen der Kooperation aktiv zu Gunsten eines übergeordneten Interesses des Konzerns verheimlicht werden, gefährdet das gesellschaftliche Vertrauen in die Unabhängigkeit des staatlichen Schulsystems. Die GEW Hessen bekräftigt deshalb ihre Forderung nach einem Rahmenkonzept des Landes für die digitale Grundbildung und einer deutlich besseren Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien.

Die GEW Hessen appelliert eindringlich an alle Beteiligten, den Zustand der Intransparenz schnellstmöglich zu beenden. Nur so ist es der Öffentlichkeit möglich, sich ein eigenes Bild von Art und Umfang der Zusammenarbeit zwischen Schule und Samsung zu machen. Geheimverträge passen nicht in ein demokratisch legitimiertes öffentliches Schulsystem. Die GEW Hessen setzt sich für werbe- und lobbyfreie Schulen ein. Wir erwarten eindeutige Maßnahmen der Landesregierung, die der gesamten Problematik gerecht werden und nicht nur für eine Transparenz der Förderung durch Sponsoren, sondern auch für eine demokratische Kontrolle sorgen.