Prekäre Beschäftigung an hessischen Hochschulen

Das Land muss handeln!

PM 18. Oktober 2012

Zur Anhörung im hessischen Landtag betreffend prekäre Beschäftigungsverhältnisse an hessischen Hochschulen

Die Erwartungen der Hochschulbeschäftigten, Personalräte und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an den Landesgesetzgeber sind hoch: Zu der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst des Hessischen Landtags am Donnerstag, den 11. Oktober 2012 kamen zahlreiche Expertinnen und Experten zusammen, um die prekären Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen und die Neuregelung der Professorenbesoldung zu diskutieren.

Die Anzuhörenden konstatierten einen starken Anstieg prekärer und befristeter Beschäftigung an den hessischen Hochschulen. „Wir stellen fest, dass in Deutschland mittlerweile 89 Prozent des Mittelbaus befristet eingestellt sind, die Hälfte in Teilzeit und in Drittmittelprojekten arbeitet. Lediglich neun Prozent aller Beschäftigten haben eine Professur inne und können umfassend Daueraufgaben wahrnehmen“, so Dr. Anke Burkhardt, stellv. Direktorin und Geschäftsführerin am Institut für Hochschulforschung Wittenberg.

Aus Sicht der GEW resultiert die Zunahme prekärer Beschäftigung an den hessischen Hochschulen insbesondere aus der unzureichenden Grundfinanzierung und aus fehlenden gesetzlichen Grundlagen für „gute Arbeit“ in der Wissenschaft. „Prekäre Beschäftigung hat viele Gesichter: Eine deutliche Zunahme von befristeten Beschäftigungsverhältnissen, kürzere Vertragslaufzeiten, ein Trend zu Kettenverträgen sowie der vermehrte Einsatz von Lehrbeauftragten, Lehrkräften für besondere Aufgaben und außertariflich bezahlten wissenschaftlichen Hilfskräften“, so die Beschreibung von Holger Schoneville, Co-Sprecher des hessischen Mittelbaunetzwerkes. Schoneville thematisierte darüber hinaus, die hohe Zahl der Teilzeitbeschäftigten, die an den hessischen Hochschulen über 50 Prozent des Mittelbaus ausmachen: „Von diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird erwartet, dass sie auf diesen halben Stellen voll arbeiten. Dies gilt an den Hochschulen als ganz normal, ist aber ein politischer Skandal enormen Ausmaßes. Im Kern werden damit Tarifverträge unterwandert und zwar massenhaft.“ Unter verschärften Arbeitsbelastungen und schwierigen Verhältnissen leiden Lehrbeauftragte – allen voran an Kunst- und Musikhochschulen – sowie Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA). Für letztere wies Anna Lina Dux, Co-Sprecherin der LfbA-Initiative Kassel, auf die bestehenden Probleme hin: „Mit einer Lehrtätigkeit von bis zu 18 Stunden sind wir gezwungen, unsere Promotion oder Habilitation zum Freizeitvergnügen zu machen.“ Dux weiter: „Wenn die Lehre, nicht aber die eigene wissenschaftliche Qualifizierung im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, ist eine Befristung unzulässig.“

Daran anschließend forderte Dr. Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereiches Hochschule und Forschung der GEW: „Zur Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen brauchen wir verbindliche Mindeststandards für Arbeitsverhältnisse.“ Darüber hinaus forderte Keller von den Hochschulen und der Politik: „Wir benötigen deutlich mehr Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre, Forschung und Wissenschaftsverwaltung sowie planbare und verlässliche Karrierewege an Hochschulen und Forschungsinstitutionen.“

Neben den prekären Beschäftigungsverhältnissen an hessischen Hochschulen diskutierte der Ausschuss kontrovers über die geplante Änderung der Professorenbesoldung. Mit dem Urteil vom 14. Februar 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass diese in Hessen verfassungswidrig geregelt ist. Der vorgelegte Gesetzesentwurf stieß auf die Kritik vieler Experten, wie auch der GEW.

Die GEW fordert die Ersetzung der leistungsbezogenen Vergütungsbestandteile durch Funktionszulagen, da eine objektive Bestimmung der Leistung von Professorinnen und Professoren weder möglich, noch mit dem kooperativen Wissenschaftsalltag vereinbar ist. Hierzu argumentierte Keller, dass „alle Juniorprofessorinnen und -professoren durch die Zuordnung zur Besoldungsgruppe W2 bessergestellt werden sollen.“ Des Weiteren sollen von der Schaffung eines einheitlichen Professorenamtes durch die Zuordnung aller regulären Professuren zur Besoldungsgruppe W3 insbesondere auch die Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen profitieren.