Mit obrigkeitsstaatlichen Disziplinierungen löst man keine Probleme

Pressemitteilung 2. Mai 2016

Die GEW Hessen kritisiert nach wie vor die Disziplinierungsmaßnahmen des Hessischen Kultusministeriums gegenüber den rund 6.000 Kolleginnen und Kollegen, die am 

16. Juni 2015 dem Streikaufruf der GEW gefolgt sind. 

Die verbeamteten Lehrkräfte hatten mehr als einen guten Grund, ihre Arbeit niederzulegen. Ihnen wurde 2015 die Übertragung des Tarifergebnisses aus dem Tarifvertrag-Hessen (TV-H) verwehrt und eine 18-monatige Nullrunde bei den Dienstbezügen verordnet. Für das Jahr 2016 plant die Hessische Landesregierung ab Juli lediglich eine 1-prozentige Gehaltserhöhung.

 „Dies ist eine unakzeptable Abwertung unserer täglichen Arbeit an den Schulen. Wir werden nicht nur nicht angemessen bezahlt, wir haben auch die bundesweit höchste Unterrichtsverpflichtung. Dagegen haben wir uns mit unserem Streik zur Wehr gesetzt“, erklärten Birgit Koch und Jochen Nagel, die Vorsitzenden der GEW Hessen. 

Dem Streik folgte eine Disziplinierungswelle des HKM.  Für deren Durchführung wurden in den Ämtern extra befristet Juristinnen und Juristen eingestellt. „Da ist auf einmal Geld vorhanden; wenn wir jedoch sinnvolle Verbesserungen in der Bildung einfordern, wird uns die kalte Schulter gezeigt und mit Verweis auf die Schuldenbremse gesagt, dass kein Geld da sei“, sagte Birgit Koch weiter. 

Viele betroffene Kolleginnen und Kollegen nutzten und nutzen immer noch die Gelegenheit zur  Anhörung in den Staatlichen Schulämtern, um zu den gegen sie eingeleiteten Disziplinarverfahren Stellung zu beziehen. Sie legen darin ausführlich dar, warum sie gestreikt haben und weshalb dieser Streik aus ihrer und unserer Sicht auch rechtmäßig ist. 

Inzwischen setzt jetzt eine regelrechte Verfolgung einzelner Kolleginnen und Kollegen ein. Da sollen wegen der Teilnahme am Streik Dienstjubiläen nicht abgehalten, Probezeiten verlängert und einzelne Kolleginnen und Kollegen schon vor Abschluss der Disziplinarermittlungen nicht in Bewerbungsverfahren aufgenommen werden. 

„Es ist gut, dass ein erstes Gericht diesem blindwütigen Vorgehen einen Riegel vorgeschoben und den Ausschluss eines Funktionsstellenbewerbers vom Verfahren als rechtswidrig erklärt hat“, finden Birgit Koch und Jochen Nagel. Das Verwaltungsgericht Kassel kritisiert in seiner Begründung, dass sich der Eindruck aufdränge, dass von einem Automatismus der Nichtberücksichtigungsfähigkeit des Kollegen im Auswahlverfahren aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens ausgegangen wurde. „Die vom [Land Hessen] getroffene Entscheidung, den Antragsteller vorzeitig von dem weiteren Auswahlverfahren auszuschließen, genügt bereits in formeller Hinsicht nicht den zu beachtenden Anforderungen.“ 

Die Schulämter sind noch immer mit der Aufarbeitung der von ihnen betriebenen Disziplinarverfahren beschäftigt, andere Arbeiten müssen deshalb warten, denn auch an den Staatlichen Schulämtern regiert der Rotstift. In vielen Ämtern werden die Verfahren endgültig erst 2017 abgeschlossen sein. 

„Welch eine Verschwendung von Ressourcen, Kraft und Zeit“, stellt Maike Wiedwald (stellv. GEW-Landesvorsitzende) fest,  „dabei haben viele Kollegien dem Kultusministerium mit ihren Überlastungsanzeigen und Resolutionen von Personalversammlungen immer wieder zur Kenntnis gegeben, dass die Arbeitsbedingungen in den hessischen Schulen miserabel sind. Dies tun sie nun erneut mit ihren schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen in den Verfahren“. 

Kultusminister Lorz hat jedoch auf diese kritischen Schreiben, Aussagen und Appelle in der Regel nur ausweichend reagiert. Bestenfalls wurde allgemein Verständnis ausgedrückt, konkrete Verbesserungsmaßnahmen sind jedoch nicht erfolgt. 

Damit Kultusminister Lorz die vielfältigen berechtigten Äußerungen der  Kolleginnen und Kollegen erneut zur Kenntnis nehmen muss und um deutlich zu machen, dass wir keine „warmen Worte“, sondern konkrete Taten erwarten, startet die GEW Hessen am 2. Mai 2016 im Anschluss an die Pressekonferenz  um 12 Uhr einen Lesemarathon vor dem Hessischen Kultusministerium auf dem Luisenplatz in Wiesbaden. 

Dort werden wir von Montag, den 2. Mai ab 12 Uhr bis Mittwoch, den 4. Mai 2016 um 16.30 Uhr in einer Dauerlesung Texte aus den Überlastungsanzeigen der Schulen, Resolutionen aus den Schulen und persönliche Texte von Kolleginnen und Kollegen aus den Anhörungsverfahren  vorlesen. 

Diese Lesung werden wir auch in einem Livestream im Internet auf der Seite der GEW Hessen (www.gew-hessen.de) übertragen.

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