Lehrkräftemangel an Grundschulen

Ursache ist die Politik der Landesregierung

Offener Brief der GEW ans HKM

26. April 2018

Offener Brief an Herrn Kultusminister Prof. Dr. Lorz (CDU)

Verteiler:

  • HKM –  Kultusminister Herr Prof. Dr. Lorz
  • Fraktionen im hessischen Landtag
  • Presse 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lorz,

Sie haben sich mit einem Schreiben an die Teilzeitlehrkräfte im Grund- und Förderschulbereich gewandt, in dem Sie diese Lehrkräfte darum gebeten haben, ihre individuelle Stundenzahl aufzustocken. Dies sei notwendig, weil der Bedarf an Ganztagsangeboten und der sonderpädagogische Förderbedarf stetig anwachsen; überdies seien 45.000 Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache seit dem Schuljahr 2015/16 in das Schulsystem integriert worden.

Die GEW Hessen ist mehr als nur verwundert darüber, dass Sie die Ursache für die „besondere Herausforderung“, vor der das „hessische Bildungssystem seit geraumer Zeit“ stehe, vornehmlich im Zuzug ausländischer Schülerinnen und Schüler sehen.

Verantwortlich für die momentane Situation ist jedoch die Politik der Landesregierung. Die jahrelange, dramatische Unterfinanzierung des Bildungswesens muss vordringlich durch eine deutlich verbesserte finanzielle Ausstattung von Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen beendet werden.

Die Folgen der Unterfinanzierung treffen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und die Beschäf- tigten im Bildungswesen in gleichem Maß. Kinder und Jugendliche werden um Teilhabemöglichkeiten und individuelle Entwicklungschancen gebracht. Die Beschäftigten leiden unter Arbeitsdruck, Überlastung und drohender Abwertung ihrer Arbeit.

Auf diese Situation haben Sie sehr viele Kolleginnen und Kollegen immer wieder detailliert hingewiesen. Hiervon zeugen unter anderem die mehr als 200 Überlastungsanzeigen, die bei Ihnen eingegangen sind und auf die Sie – unseres Wissens – nicht reagiert haben. In Anbetracht solchermaßen erschwerter Arbeitsbedingungen ist es nicht verwunderlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen auf eigene Kosten ihre Stunden reduzieren, um überhaupt noch in der Lage sein zu können, das zu tun, weshalb sie ihren Beruf gewählt haben: guten Unterricht erteilen. Nicht wenige davon haben auf ihre Notlage hingewiesen und ihre Überlastungen angezeigt, um  nun von Ihnen in dieser Form angeschrieben zu werden. Deswegen muss es in allererster Linie darum gehen, die Situation an den Schulen durch folgende Schritte signifikant zu verbessern:

eine deutliche Reduzierung der Arbeitszeit in allen Bildungsbereichen und an den Schulen
eine deutliche Reduzierung der Pflichtstundenzahl. Im ersten Schritt ist die Übertragung der tariflichen Arbeitszeit auf die Lehrkräfte zu vollziehen.
Aufwertung aller pädagogischen Professionen statt ständiger Abwertung und Dequalifizierung
·         eine Reduzierung der Klassen- und Gruppengrößen in den Schule

Wir werden unsere erfolgreiche Kampagne „A13 für alle“ fortsetzen, denn eine Aufwertung des Berufs der Lehrerinnen und Lehrer ist auch ein Beitrag zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels.

Für all diese notwendigen Verbesserungen braucht der Staat mehr Geld. Im ersten Schritt müssen die aktuellen Mehreinnahmen des Haushaltes für Bildungsausgaben bereit gestellt werden. Darüber hinaus ist die Sicherstellung einer nachhaltigen Bildungsfinanzierung für ein gutes und zukunftsfähiges Bildungswesen in Deutschland existenziell. Deshalb streitet die GEW für eine gerechtere Verteilungspolitik. Wahlkampfversprechen für mehr Geld für die Bildung reichen nicht aus. Es müssen Taten folgen.

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Koch und Maike Wiedwald  | Vorsitzende  

Karola Stötzel und Tony C. Schwarz | Stellvertretende Vorsitzende

Offener Antwortbrief der GEW Hessen auf den Brief von Kultusminister Lorz an die Teilzeitlehrkräfte