Irrweg für die professionelle Qualität in der Frühen Bildung

Pressemitteilung 6. Juli 2020

Frankfurt (GEW) Der Start in den Regelbetrieb in den hessischen Kitas am 6. Juli 2020 bringt eine ganze Reihe von Unsicherheiten mit sich. Doch die hessische Landesregierung legte noch einen drauf und brachte unlängst einen Antrag zur Änderung des Hessischen Kinder-und Jugendhilfegesetzbuches ein, der eine Öffnung des Fachkraftkatalogs vorsieht. Demnach sollen bis zu 15 Prozent des personellen Mindestbedarfs von Personen mit fachfremder Ausbildung gedeckt werden können. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hält das für einen Irrweg und sieht die Professionalität in der frühkindlichen Bildung in Gefahr.

"Uns ist bewusst, dass wir um dem Fachkräftemangel zu begegnen,  kurzfristig und punktuell Kolleginnen und Kollegen aus weiteren pädagogischen Professionen gewinnen müssen. Dennoch kann es keine  Lösung sein, die Qualität der pädagogischen Arbeit zu verschlechtern und den  Beruf zu entwerten.", sagte Sylvia Bausum, die als Pädagogische Fachkraft in einem Hort in Frankfurt arbeitet und Teamvorsitzende der GEW Fachgruppe Sozialpädagogische Berufe ist. Jetzt müssten Sozialpädagogische Fachkräfte endlich besser bezahlt werden und Bund, Land, Kommunen und freie Träger müssen die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern, um mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen. Nur so kann man auch dem erhöhten Bedarf an Kita-Plätzen gerecht werden.

"Nach dem Beifall-Klatschen während der Corona-Krise gehört jetzt aber auch echte Anerkennung in die Diskussion. Die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen erwarten, dass nachdem die Corona-Krise den Fachkräftemangel für alle deutlich sichtbar gemacht hat, ein positives Signal. Wir sind gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte und arbeiten dementsprechend. Wir brauchen eine Ausbildungsoffensive, wir brauchen dringend eine Aufwertung im Sozial- und Erziehungsdienst!", sagte Bausum weiter.
Den Kolleginnen und Kollegen werde mit der geplanten Gesetzesänderung nur nochmal gezeigt, dass sich die Politik hier die Fachkraft-Kind-Relation auf dem Papier schön rechnen will. "Anstatt jetzt noch kurz vor der Sommerpause die Öffnung des Fachkräftekatalogs zu betreiben, sollte die Landesregierung sich besser darum kümmern, den Start der Kitas in den "Regelbetrieb" zu unterstützen.", kritisierte GEW-Sekretärin Isabel Carqueville. Als Beispiel nannte sie  das Angebot,  sich als Beschäftigte freiwillig wöchentlich auf das Corona-Virus testen lassen zu können. Damit würden sich die Beschäftigten nicht nur bei ihrer Arbeit sicherer fühlen, es würde auch einer möglichen zweiten Infektionswelle schnell der Wind aus den Segeln genommen.
"In vielen Einrichtungen sei zurzeit noch nicht klar, wie die Eingewöhnung von neuen Kindern in pandemischen Zeiten gelingen könne.  Der "Regelbetrieb" findet - nach wie vor -  unter besonderen Bedingungen statt. Die Kitas haben genug zu tun als sich jetzt auch noch Gedanken zu machen, wie sie fachfremde Kolleginnen und Kollegen einarbeiten sollen, die vorher noch nie in einer Kita tätig waren.", so Carqueville abschließend.

Zum Hintergrund:

Die geplante Gesetzesänderung steht im Kontext des "Gute-Kita-Gesetzes", wodurch Änderungen des Hessischen Kinder-und Jugendhilfegesetzbuches notwendig sind. Die GEW Hessen war, wie andere Verbände auch, bei der Schwerpunktsetzung des Gute-Kita-Gesetzes beteiligt. Das Begleitgremium zum Gute-Kita-Gesetz hatte sich 2019 sehr eindeutig dafür ausgesprochen, die Öffnung des Fachkraftkatalogs nicht in der Debatte um das Gute-Kita-Gesetz zu führen, weil den Beteiligten das Thema zu komplex und auch zu umstritten erschien, um es in der Kürze der Zeit ausgewogen zu diskutieren. Es wurde eine Unter-AG gegründet, die sich im Frühjahr 2020 mit der Öffnung des Fachkraftkatalogs beschäftigte. Auch da waren die unterschiedlichen Standpunkte sehr deutlich und die GEW-Stellungnahme hat sich sehr kritisch mit den dort vorgelegten Ideen zur Öffnung des Fachkräftekatalogs auseinandergesetzt.