Gute Arbeitsbedingungen für gute Schulen!

GEW Hessen zum Schuljahresbeginn

Pressemitteilung 15. August 2017

Foto v.l.: Dr. Kai Eicker-Wolf (Referent Finanzpolitik GEW Hessen), Birgit Koch (Vors. GEW Hessen), Maike Wiedwald (Stell. Vors. GEW Hessen), Sebastian Guttmann (Vors. GEW BV Frankfurt)

Anlässlich des Schuljahresbeginns äußert sich die GEW Hessen besorgt zu der bestehenden Personalsituation an den hessischen Schulen. Für eine gelingende Umsetzung der Inklusion ist eine deutliche Ausweitung der Personalressourcen unerlässlich. Um hochwertige Schulbildung sicherzustellen, fordert die GEW Hessen von der Landesregierung bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und das gesamte pädagogische Personal. Dies ist auch erforderlich, um dem an allen Schulformen bestehenden und sich verschärfenden Mangel an ausgebildeten Lehrkräften zu begegnen. Damit in Zukunft genug  Lehrerinnen und Lehrer für den steigenden Bedarf an den Grundschulen gewonnen werden können, führt aus Sicht der GEW Hessen kein Weg an einer Angleichung der Besoldung mindestens nach A13 vorbei.

Die GEW hat in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die hessischen Grundschullehrerinnen und -lehrer im Bundesländervergleich nicht besonders gut bezahlt werden – und zwar insbesondere dann, wenn die Arbeitszeit mit berücksichtigt wird. Dies wurde bisher von der Landesregierung bestritten. Nach eigenen Berechnungen sieht sich die GEW, so die Landesvorsitzende Birgit Koch, in ihrer Aussage bestätigt: „Wir haben modellhaft berechnet, was eine Grundschullehrerin in 40 Berufsjahren in den Bundesländern jeweils verdient, und haben auch die unterschiedlichen Arbeitszeiten einbezogen. Für Hessen haben wir dabei die aktuelle Reduzierung der Pflichtstundenzahl berücksichtigt. Insgesamt weichen die einzelnen Bundesländer um bis zu fünf Prozent nach oben oder unten vom Mittelwert ab. Am besten ist das Ergebnis von Bayern, dagegen liegt Hessen um 0,8 Prozent unter dem Länderdurchschnitt. Hierbei spielt insbesondere die relativ hohe Lebensarbeitszeit eine wichtige Rolle.“ Nach Auffassung von Birgit Koch stellt die erhebliche Spannweite zwischen den Bundesländern ein großes Problem dar: „Es besteht ein Mangel an Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern, und aufgrund der unterdurchschnittlichen Besoldung steht Hessen im Wettbewerb zwischen den Bundesländern nicht gut da.“

Ganz generell hält die GEW die Bezahlung von Lehrkräften in der Grundschule für nicht angemessen. Dazu erklärte Maike Wiedwald: „Die GEW fordert seit mehreren Jahrzehnten die Besoldung aller Lehrkräfte nach A13. Diese Forderung zielt auf den Grundschulbereich, in dem der Frauenanteil bei rund 90 Prozent liegt. Da die Arbeit in der Grundschule als gleichwertig mit Lehrtätigkeiten an anderen Schulformen angesehen werden kann, ist die geringere Besoldung nach A12 nicht zu rechtfertigen – sie ist aufgrund des angesprochenen hohen Frauenanteils sogar als mittelbare geschlechtliche Diskriminierung anzusehen!“ Auch hier hat die GEW gerechnet und ist wieder von einer 40jährigen, ununterbrochenen Berufstätigkeit ausgegangen. Die Differenz zwischen A12 und A13 beträgt in Hessen beim gesamten Lebenszeiteinkommen für das Bruttogehalt gut 250.000 Euro und für das Nettogehalt etwa 150.000 Euro.

Die zu diesem Schuljahr umgesetzte Reduzierung der Arbeitszeit der verbeamteten Lehrkräfte von 42 auf 41 Stunden und die damit korrespondierende Absenkung um eine halbe Pflichtstunde bewertet die GEW Hessen als unzureichend, so legte Maike Wiedwald dar: „Die tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit der Angestellten des Landes Hessen beträgt 40 Stunden. Den Beamtinnen und Beamten wird demnach auch mit einer 41-Stunden-Woche immer noch die Angleichung an die tarifliche Arbeitszeit vorenthalten. Hinsichtlich der Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern ist Hessen nach wie vor eines der Bundesländer mit der höchsten Pflichtstundenzahl. Um den Beruf wieder attraktiver zu machen, und auch, um die Belastung der Kolleginnen und Kollegen auf ein gesundheitsverträgliches Maß zu reduzieren, ist eine weitere Reduzierung unbedingt erforderlich!“

Birgit Koch äußerte sich auch zu dem aus der Umsetzung der Inklusion resultierenden zusätzlichen Personalbedarf: „Die Zahl der inklusiv beschulten Kinder und Jugendlichen steigt von Schuljahr zu Schuljahr an, dennoch liegt Hessen im Bundesländervergleich noch immer hinten. Das Kultusministerium hat zwar bereits vor den Sommerferien eine Erhöhung der Stellenzuweisung angekündigt, eine bloße Nachsteuerung angesichts steigender Schülerzahlen reicht jedoch bei weitem nicht aus. Die GEW Hessen hält eine systemische Zuweisung von einer Förderschullehrkraft pro drei Klassen für erforderlich, damit Inklusion gelingen kann. Darüber hinaus benötigen wir ebenso viele Sozialpädagogische Fachkräfte sowie mindestens eine Stelle für Schulsozialarbeit an jeder Schule. Angesichts von aktuell rund 11.000 bestehenden Klassen an Grundschulen und gut 13.000 Klassen an allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I wären etwa 8.000 Förderschullehrerinnen und -lehrer erforderlich. Zurzeit gibt es in Hessen insgesamt nur 4.400 Stellen in der Sonderpädagogik, davon etwa 2.400 für die die inklusive Beschulung und die so genannten vorbeugenden Maßnahmen. Langfristig benötigen wir mindestens eine Verdopplung der sonderpädagogischen Personalressourcen.“

Zum Hintergrund: Die GEW Hessen fordert eine Personalausstattung von inklusiv arbeitenden Schulen mit einer Förderschullehrkraft sowie einer Sozialpädagogischen Fachkraft für jeweils drei Klassen. Zudem soll an jeder Schule mindestens eine Stelle für Schulsozialarbeit eingerichtet werden. Der aus diesen Forderungen abzuleitende Personalbedarf wurde auf der Grundlage von Daten des Hessischen Statistischen Landesamtes für das Schuljahr 2016/2017 hochgerechnet. Dabei wurden nur Grundschulen sowie allgemeine Schulen der Sekundarstufe I berücksichtigt. Für die Umsetzung der Inklusion an berufsbildenden Schulen sowie in der gymnasialen Oberstufe sind weitere Personalressourcen erforderlich. Birgit Koch resümiert: „Wir fordern von der Landesregierung einen verbindlichen Zeit- und Maßnahmenplan für den Weg zur inklusiven Schule. Die gegenwärtige Praxis, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einzelnen Schulen zuzuweisen, ohne die benötigten Ressourcen zur Verfügung zu stellen, gefährdet die Akzeptanz der Inklusion.“

  Grundschule Sekundarstufe I Summe
Schulen 1.155 434 1.589
Schüler/innen 210.938 377.750 (1) 588.688 (1)
Klassen 10.732 13.183 23.915
Bedarf Förderschullehrkräfte 3.577 4.394 7.971
Bedarf Sozialpädagogische Fachkräfte 3.577 4.394 7.971
Bedarf Schulsozialarbeiter/innen 1.155 434 1.589

 

(1): inklusive der gymnasialen Oberstufe; Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (2017): Schulen in Hessen, Wiesbaden; eigene Berechnung

Besoldung von Grundschullehrerinnen und -lehrern im Bundesländervergleich

Arbeitspapier der GEW Hessen von Kai Eicker-Wolf, Referent für Tarifpolitik