Schulgebäude: Alles paletti?

Keine Belebung der kommunalen Investitionstätigkeit

September 2018

Die kommunale Investitionstätigkeit der hessischen Gemeinden, Städte und Landkreise ist weiterhin außerordentlich zurückhaltend. Sie liegt deutlich unter dem Niveau der ersten zehn Jahre des Jahrhunderts (siehe Abbildung). In vielen Bereichen der staatlichen Infrastruktur hat sich damit ein erheblicher Investitionsstau herausgebildet. Nach dem aktuellen Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW 2018) beläuft sich der gesamte Investitionsrückstand auf der kommunalen Ebene auf 159 Milliarden Euro (1). Am größten ist der Investitionsstau gemäß dieser repräsentativen Umfrage im Bereich Schule (inklusive Erwachsenenbildung) mit fast 48 Milliarden Euro.

Genaue Zahlen zum kommunalen Investitionsstau auf der Ebene der Bundesländer sind leider nicht verfügbar. Das gilt auch für Baumaßnahmen im Schulbereich in den einzelnen Bundesländern und damit auch in Hessen. Allerdings sind für einzelne hessische Städte und Landkreise Zahlen bekannt: So beläuft sich der Investitionsstau an den Schulen in Frankfurt auf rund eine Milliarde Euro und in Wiesbaden auf etwa 450 Millionen Euro; für die Landkreise Marburg-Biedenkopf und Bergstraße sind es 170 Millionen Euro bzw. 150 Millionen Euro. Und im Dezember 2017 nannte der Hessische Rundfunk die Summe von 144 Millionen Euro, die eigentlich in Baumaßnahmen an den Schulen in Kassel fließen müssten. Auf Basis dieser Zahlen ist zu vermuten, dass der kommunale Investitionsstau an den hessischen Schulen insgesamt wenigstens drei bis vier Milliarden Euro beträgt (2).

Um dem hohen Investitionsstau auf der kommunalen Ebene zu begegnen, hat der Bund seit 2015 gleich zwei Kommunalinvestitionsförderprogramme im Umfang von bundesweit je 3,5 Milliarden Euro beschlossen. Die auf Hessen entfallenden Anteile der Programme wurden vom Land unter der Bezeichnung Kommunales Investitionsprogramm I und II (KIP I und II) durch Landesmittel aufgestockt. Dadurch erreicht das KIP I immerhin ein Volumen von rund einer Milliarde Euro. Das Volumen des KIP II ist etwa halb so hoch. Ein Teil des ersten Investitionsprogramms kommt auch dem Schulbereich insgesamt zu Gute, während das zweite Programm – verabschiedet im Sommer 2017 – ausschließlich finanzschwachen Kommunen zur Sanierung ihrer Schulen zufließt. Ein weiteres Investitionsprogramm mit einem Volumen von rund 600 Millionen Euro hat das Land im Rahmen der Hessenkasse beschlossen. Angesichts des bestehenden Investitionsstaus ist dies sowohl mit Blick auf Deutschland insgesamt als auch auf Hessen zu wenig Geld, wie der Vergleich des Investitionsstaus mit den Fördermitteln zeigt (3).

Die Ausgaben stagnieren

Ganz im Gegensatz zur Zeit nach der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 2010 und 2011, in der auch Investitionsprogramme aufgelegt wurden, ist bei den kommunalen Investitionen in Hessen trotz der geschilderten Investitionsfördermaßnahmen bisher kaum eine Belebung auszumachen. Eine solche Belebung wäre aufgrund der Verabschiedung des KIP I im Jahr 2015 eigentlich für das vergangene Jahr zu erwarten gewesen. Tatsächlich liegt die nominale, also die nicht preisbereinigte Summe der kommunalen Investitionen in Hessen im Jahr 2017 unter dem Wert des Jahres 2000. Aufschlussreich ist auch der Verlauf der Investitionsquote, also des Verhältnisses von Investitionen zur Wirtschaftsleistung: Diese verharrt seit 2013 unter 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und auch die Schulbauinvestitionen zeigen keine dynamische Belebung. Der nominale Wert der Investitionen im Schulbereich fällt im vergangenen Jahr im langjährigen Vergleich trotz leicht steigender Tendenz immer noch unterdurchschnittlich aus (siehe Abbildung).

Umso erstaunlicher ist die Äußerung des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer zum KIP I im Februar 2017:

„Wir haben als eines von nur wenigen Ländern bereits im ersten Durchgang ein eigenes Landesprogramm aufgelegt und damit ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. Die aktuelle Bilanz zeigt: Unser Angebot an die Kommunen wird praktisch zu 100 Prozent angenommen und ist so gut wie ausverkauft (…) Investitionen in die Bildungsinfrastruktur sind dabei besonders gefragt. Auch wenn derzeit, wie in den vergangenen Jahren, viel in Hessens Schulen angepackt wird, so gibt es immer noch genug zu tun.“ (4)

Die Landesregierung hat natürlich kein Interesse daran, die geschilderte Entwicklung zu thematisieren. Denn es deutet vieles darauf hin, dass bei den Investitionsförderprogrammen erhebliche Mitnahmeeffekte auftreten: Die Kommunen nehmen die Programme in Anspruch, nutzen sie aber kaum für zusätzliche Investitionsprojekte. Ein Grund dafür scheinen Engpässe im personellen Bereich zu sein: So ist nach Angaben von Gornig und Michelsen in den 20 Jahren von 1991 bis 2010 deutschlandweit die Zahl der mit Bau­fragen befassten Personen im Öffentlichen Dienst der Kommunen um rund 35 Prozent gesunken. Auch im darauf folgenden Zeitraum bis 2015 ist die entsprechende Beschäftigtenzahl noch einmal um annähernd 10 Prozent zurückgegangen (5). Hinzu kommt die hohe Auslastung der Bauwirtschaft, die sich aktuell an den Grenzen ihrer Produktionskapazitäten befindet.

Um das beschriebene Problem zu lösen, ist eine deutliche und auf Dauer angelegte finanzielle Besserstellung der Kommunen erforderlich – auch, um das für den Baubereich zuständige Personal auf der kommunalen Ebene angemessen zu erhöhen. Kurzfristig angelegte und viel zu gering dimensionierte Investitionsfördermaßnahmen sind jedenfalls nicht geeignet, den bestehenden Investitionsstau aufzulösen.

Kai Eicker-Wolf und Achim Truger

(1) KfW-Research (2018): KfW-Kommunalpanel 2018, Frankfurt am Main.
(2) Kai Eicker-Wolf (2017a): Einstürzende Schulbauten. Finanzpolitisches Arbeitspapier der GEW Hessen Nr.1 (aktualisierte Fassung), Frankfurt. Derselbe: Investitionsstau in Schulen, in: HLZ 6/2017.
(3) Kai Eicker-Wolf und Achim Truger (2018): Wie notwendig sind kommunale Investitionsprogramme? Finanzpolitisches Arbeitspapier der GEW Hessen Nr. 2, Frankfurt.
(4) Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 22.2.2017, finanzen.hessen.de/presse/pressemitteilung/finanzminister-schaefer-kuendigt-im-landtag-weiteres.
(5) Martin Gornig und Claus Michelsen (2017): Kommunale Investitionsschwäche: Engpässe bei Planungs- und Baukapazitäten bremsen Städte und Gemeinden aus, in: DIW Wochenbericht 11/2017.