Start in das Schuljahr 2020/21 unter Pandemie-Bedingungen

Positionspapier der Vorsitzenden der GEW Hessen

Rückkehr zum Regelbetrieb? Kein "Plan B"

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit den sich dem Ende zuneigenden Sommerferien stellen sich Eltern, Schülerinnen und Schüler wie auch alle Pädagoginnen und Pädagogen immer drängender die Frage, wie das kommende Schuljahr unter nach wie vor bestehenden Pandemie-Bedingungen anlaufen wird. Das merken wir auch zunehmend anhand der Anfragen, die uns täglich erreichen.

Kultusminister Alexander Lorz hatte Ende Juni angekündigt, dass alle hessischen Schulen nach den Sommerferien zum Regelbetrieb zurückkehren sollen. Nach der schrittweisen Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts ab April soll nun also wieder Unterricht im ganzen Klassenverband an fünf Tagen die Woche stattfinden. Dies ist nur möglich, wenn die nach den coronabedingten Schulschließungen und insgesamt im öffentlichen Raum geltenden strengen Abstandsregelungen außer Kraft gesetzt werden. Ebenso wie zuvor die Kultusministerkonferenz hat Alexander Lorz aber auch darauf hingewiesen, dass diese Ankündigung unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung der Infektionslage steht. Im Bedarfsfall könnten lokal oder auch flächendeckend erneut Einschränkungen erforderlich werden.

Eine Woche bevor in Hessen das neue Schuljahr beginnt, steigt nun die Zahl der nachgewiesenen Infektionen regional deutlich an. Am 6. August verzeichnete Hessen den höchsten Anstieg von Neuinfektionen seit Mai. Mehrere Kreise – darunter die Stadt Offenbach – haben inzwischen bezüglich der Neuinfektionen ein kritisches Niveau erreicht. Viele befürchten daher, dass insbesondere durch Reisen in Risikogebiete und eine zunehmende Nachlässigkeit in der Anwendung der Hygieneregeln bereits jetzt die befürchtete "zweite Welle" ins Rollen gekommen ist. Das Kultusministerium jedoch scheint nach wie vor davon auszugehen, dass die angekündigte Rückkehr zum schulischen Regelbetrieb wie geplant und flächendeckend stattfinden kann. So sind keinerlei Kriterien bekannt, in welchem Fall die in Erwägung gezogenen, gegebenenfalls nur lokalen Einschränkungen im Schulbetrieb zu erwarten sind. Zudem hat das Kultusministerium angesichts der prioritär angestrebten Rückkehr zum Regelbetrieb anscheinend versäumt, konkrete Szenarien für einen pandemiebedingt wieder oder weiterhin eingeschränkten Präsenzunterricht zu entwickeln. Falls sich die Infektionslage weiter verschärfen sollte, was hoffentlich noch vermieden werden kann, droht so ein unnötiger Rückfall in ein eher improvisiertes denn optimal strukturiertes Lernen auf Distanz.

Wann kommen die digitalen Endgeräte? Stockende Umsetzung des Sofortprogramms

  • Die Versäumnisse bei der Vorbereitung für eine erneute Rückkehr zur Abstandsregelung in verkleinerten Lenrgruppen sind enorm.
  • Die Ausnahmeregelungen zur Anpassung der Stundentafel, der Lerninhalte oder der Versetzungsregeln enden mitten im Schuljahr.
  • Die notwendige weitere Verbesserung der hygienischen Bedingungen an den Schulen und die Grundreinigung der Schulen wurde dadurch erschwert, dass die Räume im üblichen Zeitraum in den letzten Wochen der Sommerferien durch die Ferienakademien belegt waren.  
  • Die angekündigte Ausweitung des Schulportals durch erweiterte Kapazitäten und ein Videokonferenzsystem ist nicht in Sicht.
  • Und wann kommen die digitalen Endgeräte für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte? 

Im Zuge der Krisenbewältigung hat die Bundesregierung 500 Millionen Euro bereitgestellt, um Schülerinnen und Schüler bei entsprechender Bedürftigkeit mit digitalen Endgeräten auszustatten. So soll das Lernen zu Hause zumindest nicht mehr daran scheitern, dass es in vielen armen Familien an der notwendigen Ausstattung mangelt. Es ist anzuerkennen, dass die Landesregierung den auf Hessen entfallenden Anteil an diesen Mitteln in Höhe von knapp 35 Millionen Euro mit Eigenmitteln recht deutlich aufgestockt hat. Gleichwohl bleibt es dabei, dass die Gelder des DigitalPakts bei weitem nicht ausreichen werden. Zudem musste der Landtag zur Verteilung dieser Mittel auf die Schulträger zunächst das erst im Vorjahr verabschiedete "Gesetz zur Förderung der digitalen kommunalen Bildungsinfrastruktur" abändern.

Angesichts der Kurzfristigkeit, und auch da es bislang – trotz DigitalPakt – leider nach wie vor an einer landesweiten Rahmenkonzeption zum Einsatz digitaler Medien mangelt, dürfte sich zum Schuljahresbeginn leider nur wenig an der schlechten Ausstattung der Schulen geändert haben. Darüber hinaus müssen nach Auffassung der GEW auch genügend Fachkräfte für eine professionelle IT-Administration eingestellt werden, damit die angeschafften Geräte nachhaltig, sinnvoll und effektiv genutzt werden können, ohne dass es zur Mehrbelastung von Lehrkräften kommt. Die ebenfalls erforderlichen dienstlichen Endgeräte sind nach wie vor nicht in Sicht.

Reicht das aus? Testmöglichkeiten auf Corona-Infektionen

Ab dem 10. August können sich Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte sowie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst auf SARS-CoV-2 testen lassen. Dies soll unabhängig vom eventuellen Vorliegen von möglichen Krankheitssymptomen alle 14 Tage möglich sein. Damit hat das Kultusministerium endlich eine von der GEW Hessen bereits vor den Ferien aufgestellte Forderung umgesetzt, allerdings zunächst zeitlich befristet bis zum 1. Oktober. Mit der Durchführung der Tests betraute Arztpraxen lassen sich über die Homepage www.arztsuchehessen.de  ausfindig machen. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass alleine mit diesem Instrument keineswegs sichergestellt ist, dass "wir im neuen Schuljahr möglichst reibungslos und zügig zum Regelunterricht zurückkehren können", wie es Kultusminister Lorz in einer Pressemitteilung verlautbaren ließ. Denn alleine anhand der regelmäßigen (freiwilligen) Testung des Personals lassen sich selbstverständlich keinesfalls eventuelle Infektionsketten zwischen den Schülerinnen und Schülern, die ohne Abstandsgebot wahrscheinlicher werden, zuverlässig und rechtzeitig feststellen oder gar verhindern.

In dem über die Ferien mehrfach überarbeiteten Hygieneplan findet sich keine klare Regelung bezüglich der strittigen Frage, ob, und wenn ja in welchen Situationen, die Schülerinnen und Schüler in der Schule eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen. Dies soll in Abhängigkeit von den Verhältnissen vor Ort gegebenenfalls beispielsweise für die Pausen durch die Schulleitung angeordnet werden. Hier wählt das Ministerium einmal mehr den bequemen Weg, bei einer schwierigen Frage die Verantwortung – in diesem Fall an die Schulleitungen – durchzureichen. So sind Konflikte an den Schulen vorprogrammiert. Das Ministerium versucht  unterdessen den Anschein zu erwecken, mit dem aktualisierten, aber schwammigen Hygieneplan und durch die eingeführten Testmöglichkeiten sei ein sicherer Regelbetrieb, der im Wesentlichen unveränderten pandemischen Situation zum Trotz, sichergestellt.

Und nun? Jetzt gemeinsam aktiv werden!

Die GEW hat frühzeitig bereits vor den Sommerferien ihre Eckpunkte für einen „Plan  B“ vorgelegt. Weiterhin werden weder die GEW noch der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer in die Planungen und Entscheidungen einbezogen – so zuletzt bei der kurzfristigen Ankündigung einer „Sommerferienakademie“.

Wir werden trotzdem weiter laut unsere Stimme erheben, so wie wir das vor den Sommerferien in öffentlichen Aktionen gegen die „versuchsweise“ Rückkehr der Grundschulen zum Regelbetrieb getan haben. Auch bei Eltern und in der Öffentlichkeit stoßen unsere Forderungen zunehmend auf Zustimmung.

Unterstützt uns mit lokalen Stellungnahmen und Protesten und euren Berichten über Bedingungen an den Schulen. Schickt eure Stellungnahme und Berichte an das Hessische Kultusministerium, an die Schulträger, an die GEW, an die GEW-Kreisvorstände und an die Gesamtpersonalräte vor Ort.

Viele weitere Informationen zu konkreten Fragestellungen findet ihr in den „Corona-FAQs“, die regelmäßig hier auf unserer Homepage aktualisiert werden.

Bleibt gesund – und das geht am besten mit Abstand!

Birgit Koch                                           Maike Wiedwald                                   Tony Schwarz