Bildungspolitik

Aufholen nach Corona

Die Anforderungen an multiprofessionelle Teams steigen

HLZ: Februar 2022

Der folgende Beitrag entstand aus einer von Andrea Gergen im Team geleiteteten lea-Fortbildung zum Thema „Inklusion im Team gedacht - Herausforderungen multiprofessioneller Zusammenarbeit im Unterricht“. Eine – nicht repräsentative - Befragung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fortbildung des GEW-Bildungswerks zeigte, dass für die Arbeit in multiprofessionellen Teams insbesondere vor dem Hintergrund des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ erheblicher Unterstützungsbedarf besteht, da sich Teams und Trägerschaften immer weiter ausdifferenzieren.


Mit dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ unterstützen Bund und Länder zwischen 2021 und 2023 verschiedene Maßnahmen zum Abbau von Lernrückständen im fachlichen und sozialen Lernen bei Kindern und Jugendlichen. Neben Unterstützungsangeboten in Kernfächern und Sprachförderangeboten enthält das Programm u.a. Maßnahmen zur Klassenbildung und zur Gewaltprävention. Die Realisierung dieser Angebote durch den Einsatz von Lehrkräften, sozialpädagogischen Fachkräften und Mitgliedern von Vereinen, Stiftungen und Nachhilfeanbietern bringt neue Herausforderungen in der Arbeit in multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht mit sich.

Kooperation auf Augenhöhe

Seit der Einführung des UBUS-Erlasses 2018 wurde die Arbeit in multiprofessionellen Teams an hessischen Schulen bislang weitgehend als Kooperation von Fachlehrkräften, Förderschullehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften verstanden. Im Regelfall kommt die Zusammenarbeit mit Fachkräften der Schulsozialarbeit und Teilhabeassistentinnen und -assistenten dazu, die vom Schulträger bzw. von freien Trägern finanziert werden. Doch die Zuständigkeiten und Trägerschaften in multiprofessionellen Teams wurden mit dem Programm „Aufholen nach Corona“ weiter ausdifferenziert.


Vor diesem Hintergrund erscheinen eine klare Definition der Rollen im Team, gegenseitige Akzeptanz und die Arbeit auf Augenhöhe als zentrale Voraussetzungen für die Teamarbeit im inklusiven Unterricht. Bittet man beteiligte Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte derzeit aber um schlaglichtartige Stellungnahmen zur Frage, was die Kooperation in multiprofessionellen Teams erschwert, erscheinen andere Themen von Relevanz. Neben festen personellen und zeitlichen Ressourcen, die die gemeinsame Arbeit im inklusiven Unterricht rahmen sollten, mangelt es häufig einfach an Zeitfenstern zur Planung und Reflexion der Kooperation im Unterricht, die zumeist bedarfsorientiert und spontan geschieht.


Generell fehle es an Informationen darüber, „was Inklusion bedeutet“. Es fehle ein Austausch über fachliche Standards und pädagogische Fragestellungen im inklusiven Unterricht. Auch kollegiale Unterrichtsbesuche und regelmäßige Rückmeldungen zur Qualität der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams fänden nicht statt. Die praktizierten kollegialen Kooperationsformen stünden häufig sogar im Widerspruch zur Inklusion. Entsprechend umfangreich fallen in einer solchen schlaglichtartigen Bestandsaufnahme zur Situation der multiprofessionellen Teams die Forderungen an politische Verantwortungsträger aus. Sie können an dieser Stelle nur zusammenfassend wiedergegeben werden.
Inklusion und Teamarbeit


Als zentrale Prämisse wird die Annahme formuliert, dass Inklusion und Teamarbeit zusammengehören. Ähnlich wie in anderen Bundesländern sollten auch in Hessen Handreichungen sowie Zeitkontingente zur inklusiven Schulentwicklung bereitgestellt werden. Als Teil eines Schulentwicklungsprozesses sollten interne Absprachen und externe Fortbildungen zur Teamarbeit genutzt werden, um Förderpläne als individualisierte Entwicklungspläne im Team gestalten zu können. Für eine gelingende Kooperation in multiprofessionellen Teams sollten die Klassengrößen in Förderstufen sowie an Haupt-, Real- und Gesamtschulen drastisch reduziert werden. Außerdem bestehe mit der inklusiven Beschulung an allen Schulformen ein erhöhter Einstellungsbedarf an Förderschullehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften. Entsprechende sozialpädagogische und förderpädagogische Unterstützung sei auch an Berufsfachschulen zum Übergang in die Ausbildung (BÜA) notwendig, da insbesondere für die Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf Lernen kein Inklusionskonzept vorhanden sei.
 

Koordination durch UBUS-Kräfte

Die Rolle der UBUS-Fachkräfte könnte im Rahmen von Teamentwicklungsprozessen, die mit Ressourcen ausgestattet sein müssen, tiefergehend definiert werden. Als feste Mitglieder der Förderteams könnten ihnen über ihre unterrichtsbegleitende Unterstützung hinaus koordinierende Aufgaben innerhalb der Teams zukommen, z.B. in der Kommunikation mit der Schulsozialarbeit, den Teilhabeassistenzen und anderen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern freier Trägerorganisationen im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“. Mit einer Fokussierung auf Teamprozesse und entsprechender Ressourcenhinterlegung an inklusiv unterrichtenden Schulen könnten Schülerinnen und Schüler auch unter Pandemiebedingungen besser gefördert werden und multiprofessionelle Teams inklusive Schulentwicklungsprozesse vorantreiben.


Dr. Andrea Gergen

Die Autorin arbeitet als Gymnasiallehrerin im inklusiven Unterricht der Sekundarstufe I. Sie verweist zum Weiterlesen insbesondere auf das bereits 2015 veröffentlichte „Teambuch Inklusion“ von Reinhard Stähling und Barbara Wenders (Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren) und die folgenden Publikationen der GEW:
GEW (Hrsg.): Verschieden *  gleich * gemeinsam. Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams. Frankfurt 2021. Download: https://bit.ly/3UPvUPh; Bestellung im GEW-Shop: gew-shop.de (> Druckerzeugnisse > Jugendhilfe und Sozialarbeit)
Benjamin Haas und Ingrid Arndt: Auf dem Weg zur inklusiven Schule. Die Bedeutung von Teamarbeit und Kooperation für die Umsetzung der schulischen Inklusion in Bremen. GEW Frankfurt 2017. Download: https://bit.ly/3FHVQrB


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