Abbrüche vermeiden

Der Vorbereitungsdienst und der Lehrkräftemangel

HLZ 1/2020: Lehrkräftemangel in Hessen

Der Lehrkräftemangel wird noch über viele Jahre eines der bestimmenden bildungspolitischen Themen darstellen. Die Landesregierung nimmt für sich in Anspruch, dass sie mit dem Ausbau von Studienplätzen für das Grundschul- und das Förderschullehramt sowie mit der Ausweitung der Kapazitäten im Vorbereitungsdienst bereits angemessen reagiert hat. So ließ Kultusminister Lorz im August 2019 verlautbaren, dass die Investitionen in die Aus- und Fortbildung im Grundschulbereich Früchte tragen. Mit den Universitäten in Gießen, Frankfurt und Kassel sei vereinbart, zum Wintersemester 2019/2020 insgesamt 135 zusätzliche Studienplätze im Grundschullehramt bereitzustellen. Die Justus-Liebig-Universität werde darüber hinaus 30 zusätzliche Studienplätze im Förderschullehramt einrichten. Auch im Vorbereitungsdienst sollen 200 zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Die GEW Hessen hat schon lange den Ausbau der Kapazitäten gefordert, von daher handelt es sich hierbei um grundsätzlich zu begrüßende Maßnahmen. Diese kommen allerdings zu spät, denn das Studium und der anschließende Vorbereitungsdienst haben eine Dauer von zusammen mindestens sechs bis sieben Jahren. Damit der Ausbau der Studienplätze möglichst rasch für Abhilfe sorgt, ist es darüber hinaus auch erforderlich, dass nach erfolgreicher erster Staatsprüfung möglichst unmittelbar ein Platz im Vorbereitungsdienst zur Verfügung steht. Darüber hinaus sollten gute Studien- und Ausbildungsbedingungen dafür sorgen, dass vermeidbare Abbrüche von Studium und Vorbereitungsdienst ausbleiben.

Eine Auswertung des Studienerfolgs hat bereits aufgezeigt, dass die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der hessischen Universitäten deutlich hinter der Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger von Lehramtsstudiengängen zurückbleibt. (1) Das lässt auf einen hohen Anteil von Studienabbrüchen oder -wechseln schließen. Das Problem scheint besonders ausgeprägt beim Lehramt an beruflichen Schulen, in dem schon lange ein Mangel an entsprechend ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern besteht. Darüber hinaus ist es besorgniserregend, dass sich der Studienerfolg in der Tendenz zu verschlechtern scheint, gerade auch in den beiden weiteren Mangellehrämtern an Grundschulen und an Förderschulen. Diese Entwicklung dürfte nicht zuletzt auf sich verschlechternde Studienbedingungen zurückzuführen sein. Auch der vermehrte Einsatz von Lehramtsstudierenden zum Stopfen von Lücken an den Schulen – etwa im Rahmen von Vertretungsverträgen – könnte dazu beitragen, dass sich der Studienabschluss zunehmend verzögert.

Einstellungen in den Vorbereitungsdienst

Hier soll nun untersucht werden, wie viele Personen in den letzten Jahren den Vorbereitungsdienst in Hessen durchlaufen haben. Dies vermittelt einen recht verlässlichen Eindruck darüber, mit welcher Zahl an neu ausgebildeten Lehrkräften in den kommenden Jahren gerechnet werden kann. Dazu kann eine von der Kultusministerkonferenz geführte Statistik herangezogen werden, die sowohl Auskunft über die Einstellungen als auch über die Zahl der Neuabsolventinnen und -absolventen gibt. (2)

Die Zahl der Einstellungen in den Vorbereitungsdienst ist im hier betrachteten Zeitraum von 2013 bis 2018 zunächst zurückgegangen, dann ab 2017 wieder angestiegen, was in erster Linie auf vermehrte Einstellungen für das Grundschullehramt zurückzuführen ist. Ähnlich wie bei den Studienabschlüssen entfällt auch beim Vorbereitungsdienst der mit deutlichem Abstand größte Anteil auf das Gymnasiallehramt. Bei diesem Lehramt gibt es nach wie vor – in Abhängigkeit von der Fächerkombination – eine längere Warteliste, während Bewerberinnen und Bewerber in den drei Mangellehrämtern inzwischen sofort ein Einstellungsangebot für den Vorbereitungsdienst erhalten. (Tabelle 1)

Die in den vergangenen Jahren bestehenden Zugangshürden beim Grundschullehramt und beim Förderschullehramt, die sich angesichts zu weniger Studienplätze in hohen N.C. ausdrückten, wirken nun dahingehend nach, dass zu wenige Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen, um die Plätze im Vorbereitungsdienst gemäß dem immens gestiegenen Bedarf kurzfristig auszubauen. Der jüngste Anstieg beim Grundschullehramt wurde nur dadurch ermöglicht, dass Absolventinnen und Absolventen mit dem ersten Staatsexamen im Gymnasial- oder im Haupt- und Realschullehramt der Weg in den Vorbereitungsdienst für dieses Lehramt eröffnet wurde. Ob diese Maßnahme auch 2020 wieder aufgelegt wird und ob sich überhaupt noch genug passend qualifizierte und auch interessierte Bewerberinnen und Bewerber finden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. In den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an beruflichen Schulen wurden 2018 nur 191 Personen eingestellt – die geringste Zahl im hier betrachteten Zeitraum. Auch beim Lehramt an Förderschulen war die Zahl der Einstellungen mit 183 geringer als noch in den Jahren 2015 und 2016.

Hinsichtlich der Gesamtzahl der Absolventinnen und Absolventen ist ab 2016 eine rückläufige Tendenz festzustellen, die bislang anhält. Für das Jahr 2020 ist allerdings ein Anstieg zu erwarten, da nun der 2018 eingestellte breitere Jahrgang den Vorbereitungsdienst abschließen wird. Davon wird in erster Linie das Grundschullehramt profitieren. Beim Lehramt an beruflichen Schulen sowie beim Förderschullehramt werden bis auf weiteres eher noch weniger neu ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen als in den Vorjahren.

Die zurzeit im Primarbereich steigenden Schülerzahlen werden sich mittelfristig auch in der Sekundarstufe niederschlagen. Bezüglich der Lehrämter für die weiterführenden Schulen ist auffällig, dass eine Verschiebung vom Lehramt an Haupt- und Realschulen hin zum Lehramt an Gymnasien festzustellen ist. Wenngleich Gymnasiallehrkräfte grundsätzlich auch an anderen weiterführenden Schulformen eingesetzt werden können, dürfte sich hier ein zukünftiger Mangel im Haupt- und Realschullehramt anbahnen, der vermutlich insbesondere die Gesamtschulen treffen wird. (Tabelle 2)

Erfolg und Misserfolg

Anhand dieser beiden Datenreihen lässt sich näherungsweise abschätzen, wie groß der Anteil ist, der den Vorbereitungsdienst erfolgreich abschließt. Die Einstellungstermine für den Vorbereitungsdienst sind jeweils der 1. Mai und der 1. November, die reguläre Dauer beträgt 21 Monate. Daher ist in der Regel mit einem Abschluss im zweiten auf das Jahr der Einstellung folgenden Kalenderjahr zu rechnen. So lässt sich die Erfolgsquote am sinnvollsten berechnen, indem die Größe des jeweiligen Absolventenjahrgangs ins Verhältnis zu dem zwei Jahre früher liegenden Einstellungsjahrgang gesetzt wird. Allerdings sind dabei mehrere Einschränkungen zu bedenken:

  • Zu- und Abgänge aus bzw. in andere Bundesländer bleiben hier unberücksichtigt.
  • Der Vorbereitungsdienst kann inzwischen in den beiden Hauptsemestern in Teilzeit absolviert werden, wodurch sich die Gesamtdauer entsprechend verlängert.
  • Ein abgebrochener Vorbereitungsdienst kann gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen und verspätet abgeschlossen werden.

Gleichwohl vermitteln die so berechneten Erfolgsquoten einen ersten Eindruck. In der Gesamtheit aller Lehrämter lässt sich eine durchaus hohe Quote von 99,7 Prozent feststellen (Tabelle 2, letzte Zeile). Dies weist darauf hin, dass Abbrüche bzw. (endgültige) Misserfolge im Vorbereitungsdienst – im Gegensatz zum Lehramtsstudium – insgesamt eher selten vorkommen. Bezogen auf die einzelnen Lehrämter zeigt sich allerdings ein differenzierteres Bild. Auf den ersten Blick überrascht es, dass für zwei Lehrämter – Haupt- und Realschule sowie Gymnasium – sowie bei den Fachlehrerinnen und -lehrern Werte über 100 Prozent errechnet werden. Hier lag somit im Durchschnitt die Zahl der Absolventinnen und Absolventen über der Zahl der Einstellungen im zwei Jahre zuvor liegenden Referenzjahr. Dies ist angesichts der oben gemachten Einschränkungen grundsätzlich denkbar. Gerade der inzwischen virulent gewordene Lehrkräftemangel könnte verstärkt Abbrecherinnen und Abbrecher dazu motiviert haben, den Vorbereitungsdienst nun doch noch abzuschließen, wodurch sich rechnerisch die Erfolgsquote zunächst erhöht.

Besorgnis erweckt vor allem, dass erkennbar geringere Erfolgsquoten im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an beruflichen Schulen sowie beim Lehramt an Förderschulen ermittelt wurden. Besonders problematisch erscheint die Situation bezüglich des Lehramts an beruflichen Schulen, bei dem bereits im Studium besonders viele Abbrüche festzustellen sind. Bei beiden Lehrämtern herrscht ein akuter Mangel. Umso wichtiger wäre es demnach sicherzustellen, dass sich dieser nicht durch unnötig hohe Abbruchquoten im Vorbereitungsdienst verschärft. Aber selbstverständlich sollten unabhängig davon für alle Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst gute Rahmenbedingungen sichergestellt werden. Die angekündigte Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes gibt Gelegenheit, über strukturelle Verbesserungen nachzudenken. Dabei muss es selbstverständlich um die Ausbildungsqualität gehen, aber auch um Antworten auf die herrschende Mangelsituation.

Tabelle 1:  Einstellungen in den Vorbereitungsdienst nach Lehrämtern

 

Grund-schule

HR

Gym

Berufl.

Schulen

FöSch

FL

insgesamt

2018

591

515

965

191

183

31

2.476

2017

399

504

879

230

178

26

2.216

2016

370

467

895

214

208

17

2.171

2015

383

437

962

207

202

29

2.220

2014

333

526

1.030

219

178

27

2.313

2013

306

627

1.018

203

162

28

2.344

Quelle: KMK, Statistik zur Einstellung von Lehrkräften, 2013-2018, eigene Zusammenstellung und Berechnung

 

Tabelle 2: Neuabsolventinnen und -absolventen des Vorbereitungsdiensts nach Lehrämtern

 

Grund-schule

HR

Gym

Berufl.

Schulen

FöSch

FL

insgesamt

2018

362

435

965

201

196

29

2.188

2017

333

506

1.033

209

150

24

2.255

2016

318

604

991

189

146

24

2.272

2015

361

591

949

192

187

21

2.301

2014

384

616

864

226

172

28

2.290

2013

385

560

799

217

143

40

2.144

Erfolg

2015

-2018

99,6

%

104,5

%

101,2

%

93,9

%

91,5

%

104,3

%

99,7

%

Quelle: KMK, Statistik zur Einstellung von Lehrkräften, 2013-2018, eigene Zusammenstellung und Berechnung

 

Dr. Roman George

(1) Roman George: Lehramtsstudium: Erfolg und Misserfolg, in: HLZ 5/2019, S. 26–27.
(2) Kultusministerkonferenz: Statistik zur Einstellung von Lehrkräften, Tabellenanhang 1.3 und 2.2, www.kmk.org > Statistik > Schulstatistik > Einstellung von Lehrkräften