„Mehr Schatten als Licht“

GEW zu Berufsverbote‐Antrag der Regierungsfraktionen

46 Jahre nach dem Radikalenerlass haben die Regierungsparteien in Hamburg auch auf Initiative der GEW hin einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der sich mit diesem Kapitel deutscher Geschichte beschäftigt.

Aus Sicht der GEW zeigt dieser Antrag mehr Schatten als Licht, wirft eher Fragen auf als dass er sie
beantwortet und fällt hinter die Aufarbeitung der SPD‐geführten niedersächsischen Regierung zurück.
„Positiv am Antrag ist die Feststellung, dass Hamburg in der Verantwortung steht, die Berufsverbote und deren Folgen wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Begrüßenswert ist zudem die Feststellung, dass dies „unrühmliche Kapitel“ bedauert wird.

Negativ ist, dass eine offizielle und deutliche Entschuldigung an die Adresse der Betroffenen fehlt. Bedauerlich ist zudem, dass Rehabilitierungs‐ und Entschädigungsleistungen nicht erwähnt werden.
Insbesondere bedauern wir, dass unser Angebot, als Organisation, die eine Vielzahl Betroffener vertritt, an der Erarbeitung des Antrages beteiligt zu werden, von den Antragstellenden wiederholt ignoriert wurde. Eine notwendige dialogische Aufarbeitung zwischen Betroffenen und politisch Verantwortlichen wird so erschwert.

Offen ist zudem, was der Senat unter einer „angemessenen“ Aufarbeitung versteht.
Wünschenswert wäre, wenn der Senat zur Begleitung der wissenschaftlichen Aufarbeitung und zur Erarbeitung von Möglichkeiten der Rehabilitierung eine Kommission einrichtet, in der neben Mitgliedern der Bürgerschaft auch Betroffene sowie Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften und Initiativen beteiligt würden“, kommentiert Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg.

Das Beispiel Niedersachen zeigt, dass mehr möglich ist: Dort entschuldigte sich der Landtag offiziell bei den Opfern und setzte eine Landesbeauftragte für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Schicksale ein. Die Landesbeauftragte Jutta Rübke sammelte sämtliche Akten und archivierte sie im Landesarchiv. Viele Opfer meldeten sich von selbst und stellten ihre Unterlagen zur Verfügung. Rübke fordert, dass möglichst viele Länder dem Beispiel Niedersachsens folgen.

Auch in der Bremischen Bürgerschaft wurden bereits 2011 in einem fraktionsübergreifenden Antrag
Maßnahmen der Entschädigung und Rehabilitation der Betroffenen beschlossen und umgesetzt.
Auch angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft und damit einhergehender Debatten über die
Wiedereinführung einer Extremismusklausel wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit diesem Teil „verdrängter Geschichte“ für politische Bildung, zivilgesellschaftliches Engagement und
Demokratieentwicklung eine wichtige Rolle spielt.

Hintergrund

Im Januar 1972 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Unterzeichnung von Willy Brandt den sogenannten Radikalenerlass. Zur Abwehr angeblicher Verfassungsfeinde sollten „Personen, die nicht die Gewähr bieten; jederzeit für die freiheitlich‐ demokratische Grundordnung einzutreten“, aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten bzw. entlassen werden. Formell richtete sich der Erlass gegen „Links‐ und Rechtsextremisten“, aber tatsächlich traf er vor allem Linke: Mitglieder der DKP und anderer sozialistischer und linker Gruppen bis hin zu Friedensinitiativen und SPD‐nahen Studentenorganisationen. Vorreiter war Hamburg mit einem entsprechenden Erlass des damaligen SPD‐Senats am 23. November 1971. Als GEW Hamburg fordern wir von Seite der Politik eine umfassende Rehabilitation der Betroffenen, und das beinhaltet im Einzelnen:

  • Ein Eingeständnis der Politik hier in Hamburg, dass der Radikalenerlass eine Fehlentscheidung gewesen ist.
  • Eine offizielle Entschuldigung bei den Betroffenen für das ihnen zugefügte Unrecht.
  • Vorschläge der Politik für eine Rehabilitierungs‐ und Entschädigungsleistung.
  • Eine Aufarbeitung der Hamburger Berufsverbotefälle seitens des Senats. Das Land Niedersachen hat am 15.12.2016 ein solches Vorgehen für sich beschlossen.

Bei einer im November 2017 von der GEW organisierten Podiumsdiskussion mit Mitgliedern der Bürgerschaft wurde von der Regierungskoalition ein Antrag in Aussicht gestellt, der dieses Kapital politisch bewerten und eine wissenschaftliche Aufarbeitung in Gang setzen soll.

Pressemitteilung