Als 2011 in Wiesbaden, in einer städtischen Kindertagesstätte, eine Weichmacher-Konzentration im Hausstaub gemessen wurde, welche zur Schließung der Kita führte, hat der Ortsbeirat Westend/Bleichstrasse auf Antrag der Fraktion Die Linke ein Untersuchungsprogramm für die im Ortsbezirk ansässigen Bildungseinrichtungen gefordert.
Die Verwaltung zur Unterhaltung der Kitas hat relativ schnell geantwortet: Nicht so die des Schulamtes, hier musste über einen längeren Zeitraum nachgefragt werden. Mit dem Ergebnis, so die zuständige Stadträtin am 21. Februar 2014, dass bei der Begehung der Schulen im Ortsbezirk das Vorhandensein von PVC-Bodenbelägen, die Weichmacher enthalten, festgestellt wurden.
Das Ganze wurde, mit dem Hinweis auf eine Rücksprache mit einem Schadstoff-Fachmann und dem Umwelbundesamt, als potentielle Belastung und Gefahr durch Weichmacher vom Schulamt jedoch nicht als akut bewertet.
Nun kommt das Umweltbundesamt (UBA) in Verbindung mit dem Bundes-Institut für Risikoforschung (BfR) schon in einer Mitteilung von 2003 zu der Erkenntnis: Fortpflanzungsgefährdende Stoffe sollten, ebenso wie krebserzeugende und erbgutschädigend Stoffe, generell nicht in die Umwelt gelangen.
Warum sollten dann Polyvinylchlorid (PVC) haltiges Material nicht mit dem gesundheitsschädlichem Weichmacher, mit Kindern in Verbindung gebracht werden?
Ob Turnmatten, Fußbodenbeläge, Gymnastikbälle oder abwaschbare Tischdecken - sie enthalten häufig Weichmacher. Diese machen den spröden Kunststoff PVC elastisch und biegsam. Das Problem: Viele Phthalate haben eine hormonelle Wirkung und können das Steuerungssystem des Körpers aus dem Gleichgewicht bringen. Föten im Mutterleib und Kleinkinder reagieren besonders sensibel auf diese Schadstoffe.
Hormonelle Schadstoffe sind Chemikalien, die in das Hormonsystem eingreifen, das den gesamten Stoffwechsel des menschlichen Körpers steuert für Kinder besonders gefährlich sind, da ihre körperliche und geistige Entwicklung gestört werden kann natürliche Hormone imitieren oder blockieren und somit " verweiblichen" oder "vermännlichen" können bei Jungen u.a. mit Missbildungen der Geschlechtsorgane, Hodenkrebs und geringerer Anzahl und Qualität der Spermien in Verbindung gebracht werden bei Mädchen zu verfrühter Pubertät führen und das Brustkrebsrisiko erhöhen können als mögliche Ursache für eine Tendenz zu Allergien, Asthma-Risiko, Diabetes, Fettleibigkeit, Störungen der Gehirnentwicklung, Verhaltensauffälligkeiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, trockene Augen identifiziert wurden auch unter den üblichen Grenzwerten schädlich sein können besonders während der Schwangerschaft.
Wie kommen Schadstoffe in unseren Körper?
Kunststoffe bestehen aus einer Reihe von unterschiedlichen Beimischungen, z. B. Weichmachern. Diese sind nicht fest im Material gebunden, sondern können mit der Zeit ausgasen und in den Hausstaub übergehen. Menschen nehmen sie über die Atmung, direkten Hautkontakt oder den Mund auf, z.B. durch Verschlucken von Staub. Phthalat-Weichmacher dünsten zwar langsam aber dauerhaft während der Nutzung aus. PVC gehört zu den giftigsten Kunststoffen, denn es enthält eine Reihe schädlicher Chemikalien. Der Ausgangsstoff Vinylchlorid ist krebserregend und kann das Erbgut verändern. Als Stabilisatoren können Schwermetalle wie Blei oder Kadmium zugesetzt sein. Meist wurde bei der Verlegung der Bodenbeläge der Untergrund mit einer asbesthaltigen Spachtelmasse behandelt, so dass beim Alterungsprozes/Abnutzung die Asbestfasern in die Raumluft freigesetzt werden. Die Freisetzung der Phthalate aus Weich-PVC ist nicht zu verhindern, so das UBA. Phthalate sind im Blut und/oder Urin nachweisbar.
Krebsspezialisten und Kinderärzte veröffenlichten im November 2005 in Brüssel eine Erklärung, in der sie 75 Prozent aller Krebserkrankungen direkt oder indirekt auf die Belastung mit schädlichen Umwelteinflüssen und Alltagschemikalien zurückführten.
Weichmacher sind gefährlich für Kinder, so die DFG (Deutsche Forschungs- Gemeinschaft) in einer Studie von 2004.Darin wird bestätigt,dass die Aufnahme von hormonell wirksamen Phthalaten in den Organismus allgemein wesentlich höher ist, als bisher angenommen wurde. Die Studie hat ergeben, dass besonders Kinder größere Mengen aufnehmen als bisher bekannt ist.
Umweltgifte können in Kombination mit anderen Stoffen größere toxische Wirkungen entfalten. Das hat Professorin Irene Witte, Uni Oldenburg, nachgewiesen. Aufgrund der neuen Erkenntnisse fordert Professorin Witte die grundlegende Einbeziehung von Kombinationswirkungen in die toxikologische Bewertung von Schadstoffen
Sie kommt weiterhin zu der Erkenntnis, dass viele Erkrankte von ihren Ärzten und der Gesellschaft nicht ernst genommen werden, weil behauptet werde, dass die Belastung durch Umweltgifte zu gering sei, um krankmachende Wirkung auszuüben. "Alle Grenzwerte sind nur auf der Grundlage einer toxikologischen Einzelstoffbeurteilung festgesetzt worden. Nicht berücksichtigt wurden die unterschiedliche Vielfalt möglicher Wechselwirkungen der verschiedenen Schadstoffen und ihrer Abbauprodukten im menschlichen Körper" erklärte Prof. Irene Witte. Die neuen Untersuchungsergebnisse könnten folgenschwere Konsequenzen haben. Es gäbe schon heute Hinweise, dass eine bestimmte Form der frühkindlichen Leberzirrhose, die in Deutschland bereits 13 Totesopfer gefordert habe, nicht auf die Schadwirkung eines einzelnen Stoffes zurückzuführen sei, sondern auf die synergistische Kombinationswirkung zwischen Kupfer und bestimmten Umweltchemikalien, betont Irene Witte.
Wie richtig die Aussage zur mangelden Anerkennung durch die Gesellschaft und der Politik zur Schadstoffbelastung der Menschen ist, wird am Beispiel des Wiesbadener Schulamtsleiters deutlich, der am 3. Juli 2014 in der Sitzung des Ausschusses für Schule und Kultur zur Schadstoffbelastung der Fritz-Brüderlein-Schule sagte, in diesem Haus seien "wahrscheinlich keine PVC-Fußböden vorhanden". Wer die Schule kennt, weiß, dass sich dort PVC-Fußböden befinden
Ebenso hat die Hausstaub-Messung in der Blücher-Schule einen extrem hohen Wert von Weichmachern ergeben. Weiterhin hat der Ortsbeirat Westend/Bleichstraße folgenden Antrag der Linken beschlossen: "Ultrafeinstaubmessungen an und in städtischen Einrichtungen im Ortsbezirk (Schulen, Kitas und Sporthallen) sollen durchgeführt werden. Die Ergebnisse sollten dem Ortsbeirat zur Kenntnis gegeben werden." Weder die Messergebnisse zur Blücher-Schule noch die Ultrafeinstaubmessergebnisse wurden mitgeteilt.
Die Eröffnung der Sporthalle am 5. Juli 2014 am Platz der deutschen Einheit wurde vermutlich ohne eine Frei-Messung von gesundheitlichen Belastungen, in Anwesenheit von Kindern eingeweiht. Umwelt- und Schadstoffbeauftragter der GEW-Hessen Jürgen Jäger war vor Ort: "Als Besucher dieser Veranstaltung kann ich sagen, dass mich die Belastung durch VOC in der Innenraumluft zu einem schnellen Verlassen der Sporthalle veranlasst hat. Ich hatte Herz-Kreislauf-Probleme, Schweißausbrüche und Übelkeit bekommen."
"Die Ruinierung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen über die Belastung mit Sondermüll bei der Erfüllung ihrer Schulpflicht sowie das Versagen der zuständigen Behörden und Aufsichtsämter bis hinauf in die obersten Bundesämter, durch Ignoranz, Beratungsresistenz und Zynismus ist ein Verbrechen gegen die nächste und weitere Generationen im Interesse des wirtschaftlichen Wachstums und der ausufernden Profitgier der Industrie", so die die Aussage von Dagmar Lojewski-Paschke (Quelle: Steht die Gesundheit unserer Kinder zur Disposition, BBU).