Tarif- und Besoldungsrunde 2021

Besondere Tarifverhandlungen unter besonderen Bedingungen

HLZ 9-10/2021: Privatisierung

Dass es eine besondere Herausforderung darstellt, Tarifverhandlungen in Zeiten von Corona zu bestreiten, haben die Verhandlungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen im vergangenen Jahr gezeigt. Die Arbeit im Homeoffice, Kontaktbeschränkungen und Versammlungsauflagen haben Warnstreiks und Protestversammlungen erschwert. Tarifkommissionen können bis heute nicht in Präsenz tagen und die Verhandlungen mit den Arbeitgebern müssen digital stattfinden.

Tarifverhandlungen in der Pandemie

Die Gewerkschaften sind neue und kreative Wege gegangen, um den Kampf für bessere Gehälter und Einkommen zu führen. Dass Tarifverhandlungen auch unter diesen Bedingungen erfolgreich geführt werden können, zeigen die Tarifverhandlungen bei verschiedenen freien Trägern und der in allem achtbare Abschluss im Bereich des TVöD: Dort konnten im November 2020 in Potsdam für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen bei einer Laufzeit von 28 Monaten Lohnsteigerungen von 1,4 % (mindestens 50 Euro) und 1,8 % ausgehandelt werden. Zusätzlich wurde eine steuerfreie Sonderzahlung von bis zu 600 Euro vereinbart, von der besonders untere Einkommensgruppen profitierten. Allerdings mussten im Gegenzug sieben Nullmonate hingenommen werden.

Verhandlungsbeginn im September

Anfang September beginnen die Verhandlungen zur Einkommensentwicklung für die Beschäftigten im hessischen Landesdienst (TV-Hessen). Trotz der im Sommer nur auf niedrigem Niveau ansteigenden Inzidenzwerte und einer deutlich wachsenden Impfquote müssen wir davon ausgehen, dass die Bedingungen für die Tarifrunde 2021 pamdemiebedingt erneut nicht einfach sein werden.

Erstmals seit dem Austritt Hessen aus dem Arbeitgeberverband der Länder 2004 finden die Verhandlungen in Hessen zeitlich vor den Verhandlungen zum Tarifvertrag der Länder (TV-L) statt, den alle anderen Bundesländer gemeinsam für ihre Beschäftigten mit den Gewerkschaften abschließen. Statt also für die hessischen Verhandlungen mit dem Ergebnis bei der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) eine gewisse Orientierung zu haben, werden wir in Hessen diesmal aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Abschluss kommen, bevor die Verhandlungen in den anderen Länder richtig Fahrt aufgenommen haben werden. Der hessische Abschluss wird also seinerseits Signalwirkung für alle anderen Bundesländer haben.

Die Arbeitskampfmaßnahmen und mögliche Streikaktionen werden diesmal nicht zeitgleich oder in zeitlicher Nähe mit den Arbeitskämpfen der Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern stattfinden. Für die mediale Aufmerksamkeit für unsere Aktionen müssen wir selbst sorgen, denn von den Bildern und Berichten zum Geschehen in Rheinland-Pfalz oder Sachsen in derselben Woche werden wir nicht profitieren können.

Lehrkräfteentgeltordnung

Die Tarifrunde 2021, bei der es vor allem um die Entgelttabellen gehen wird, steht in Hessen zudem im Kontext mit den Verhandlungen über eine Lehrkräfteentgeltordnung, über die die GEW Hessen seit Monaten mit dem Land streitet und die als Bestandteil der diesjährigen Tarifeinigung unterzeichnet werden soll. Eine solche tarifliche Regelung für die Eingruppierung von Lehrkräften würde den zuletzt 2008 substantiell geänderten Eingruppierungserlass ersetzen und aus gewerkschaftlicher Sicht dringend notwendige Korrekturen vornehmen. Und drängenden Änderungsbedarf gibt es an etlichen Stellen! So erhalten nach Eingruppierungserlass die angestellten Lehrkräfte mit zwei Staatsexamina an Grundschulen immer noch eine Entgeltgruppe weniger als die verbeamteten. Eine strenge Zuordnung und Hierarchisierung nach Schulformen mit einer durchgängig besseren Bezahlung für den gymnasialen Bereich durchzieht alle Ebenen des Eingruppierungserlasses. Da muss sich etwas ändern.

Aufgrund des Lehrkräftemangels vergibt das Land Hessen wieder zunehmend befristete Verträge. Diese Beschäftigten werden aufgrund ihrer Qualifikation oftmals in die Entgeltgruppe 5 oder 6 eingruppiert – und das ohne Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren oder anderweitig in eine höhere Entgeltgruppe aufzusteigen. Sie arbeiten dabei wie voll ausgebildete Lehrkräfte – mit allen Aufgaben. Für diese Beschäftigtengruppen müssen sich in einem Tarifvertrag deutliche Verbesserungen wiederfinden. Auch für den sozialpädagogischen Bereich muss eine tarifvertraglich vereinbarte Entgeltordnung bessere Eingruppierungen festlegen. So finden sich im Eingruppierungserlass keine Regelungen für UBUS-Beschäftigte. Das Land Hessen hat mit seiner Ausschreibungspraxis, die UBUS-Stellen für Sozialpädagoginnen und -pädagogen von EG 9 bis EG11 auszuschreiben, große Erwartungen geweckt, die in der Praxis bitter enttäuscht wurden. Auch hier wollen wir, dass sich etwas ändert und Perspektiven für die Beschäftigten geschaffen werden.

Beschäftigte an den Hochschulen

Der TV-H gilt auch für die Beschäftigen an den hessischen Hochschulen. Ausnahmen bilden die Goethe-Universität Frankfurt und die TU Darmstadt, die formal eigene Tarifverträge abschließen können. Für die Hochschulen fallen mögliche Warnstreiks Anfang Oktober wie bereits in den vergangenen Jahren in die vorlesungsfreie Zeit. Bei den drängendsten Problemen, der Befristungspraxis und der Nichteinbeziehung großer Beschäftigtengruppen in den Tarifvertrag, ist es schwer, in Tarifverhandlungen etwas zu bewegen. Das haben in den letzten Tarifrunden die zähen Auseinandersetzungen mit dem Land und mit den beiden unabhängigen Universitäten gezeigt. Schließlich sind an den Hochschulen fast 90 % der wissenschaftlichen und 18 % der administrativ-technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Zeitverträgen angestellt. Trotzdem ist es für die Beschäftigten wichtig, dass ihre Gewerkschaften diese Probleme auch tarifpolitisch immer wieder auf die Agenda heben und für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen eintreten.

Die tarifrechtlich unabhängigen Universitäten in Frankfurt und Darmstadt bleiben auch in diesem Jahr in die hessische Tarifrunde einbezogen. Die dort erzielten Abschlüsse weichen allenfalls marginal vom TV-Hessen ab. Die Chance, dort speziell auf den eigenen Wissenschaftsbetrieb zugeschnittene tarifrechtliche Lösungen zu finden, wurde in den vergangenen zehn Jahren vertan. Dies zu bewerten und daraus möglicherweise Konsequenzen zu ziehen, ist die Aufgabe für die betrieblichen Tarifkommissionen.


Was fordern die Gewerkschaften?

Die bundesweite Forderungsdiskussion in den Gewerkschaften startete bereits geraume Zeit vor den hessischen Sommerferien und wurde Ende August abgeschlossen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe der HLZ war absehbar, dass es in diesem Jahr keinen allzu umfänglichen Strauß an Forderungen und Wünschen zur Tarifrunde geben wird. Im Zentrum der Tarifauseinandersetzung mit den Bundesländern und mit Hessen stehen die Entgelttabellen. Es geht darum zu verhindern, den Tarifbeschäftigten und den Beamtinnen und Beamten im Landesdienst die Kosten der wirtschaftlichen Krise aufzubürden. Der öffentliche Dienst hat während der vergangenen eineinhalb Jahre seine Leistungsfähigkeit in der Gesundheitskrise sehr deutlich unter Beweis gestellt. Auch in den Schulen und Hochschulen haben die Beschäftigten mit hohem persönlichem Engagement dazu beigetragen, dass die staatliche Daseinsvorsorge in qualitativ hochwertiger Weise aufrechterhalten blieb. Die Landesbediensteten verdienen daher Anerkennung für ihre Arbeit und ihren Einsatz. Und die muss sich auch in der Einkommensentwicklung niederschlagen.

Ein gutes Ergebnis für Tarifbeschäftigte, für Beamtinnen und Beamte sowie für Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger ergibt zudem ökonomisch Sinn. Das Land Hessen hat ein umfängliches Sondervermögen beschlossen, um die direkten Folgen der Pandemie bewältigen zu können, aber auch um finanzpolitische Impulse zur Wiederbelebung der Konjunktur zu setzen, um damit wieder bessere Steuereinnahmen zu generieren. Diese im Prinzip richtige Vorgehensweise würde durch den Versuch konterkariert, nach einem postpandemischen Kassensturz im Herbst den Einbußen bei den Steuereinnahmen mit einer schwachen Einkommensentwicklung für die Beschäftigten hinterher sparen zu wollen. Ein unzureichendes Tarifergebnis würde nicht nur der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage schaden, sondern auch zeigen, dass die Landesregierung hinsichtlich der richtigen finanzpolitischen Strategie zur Krisenbekämpfung unentschlossen und ratlos ist.

Angestellte und Beamte gemeinsam

Eine erfolgreiche Tarifrunde ist ohne das solidarische Miteinander der in der Gewerkschaft organisierten Beschäftigten nicht zu bestehen. Es wird auf alle Beschäftigten im Schul- und Hochschulbereich – angestellt oder verbeamtet – ankommen. Das Prinzip, dass die Besoldung dem Tarif folgt, wird auch nach diesem Tarifabschluss wieder umkämpft sein. Daher ist es zentral, dass verbeamtete Lehrkräfte die Aktionen der Tarifbeschäftigten schon jetzt aktiv unterstützen: Nur gemeinsam sind wir stark. Das Zeitfenster für große, wirkmächtige Aktionen ist sehr eng. Die Friedenspflicht endet in der letzten Woche vor den Herbstferien, die allerdings in vielen Schulamtsbezirken mit einem beweglichen Ferientag beginnt. Die möglicherweise die Tarifrunde in Hessen besiegelnde Verhandlungsrunde ist bereits für Mitte Oktober festgelegt. Erfahrungsgemäß kann es daher schon Anfang Oktober zu Arbeitskampfmaßnahmen kommen.

Wenn wir ein gutes Tarifergebnis aushandeln wollen, wenn wir eine vollständige Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten und auf die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger wollen und wenn wir eine spürbare Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen erreichen wollen, müssen wir bereits frühzeitig aktiv werden und auch schon in der Zeit der Friedenspflicht bis zum 30. September mit deutlichen Statements in der Öffentlichkeit präsent sein.

Es geht darum, deutlich zu machen, dass gute Bildung gute Arbeitsbedingungen erfordert und umgekehrt. Daher sind alle Beschäftigten, auch die verbeamteten Lehrkräfte, aufgerufen, die Tarifbeschäftigten zu unterstützen und sich an Aktionen während der Verhandlungen zu beteiligen!


Maike Wiedwald, Landesvorsitzende der GEW Hessen
Thilo Hartmann, Referat Tarif, Besoldung und Beamtenrecht