Pauschale Beihilfe

Eine Option auch für hessische Beamtinnen und Beamte?

März 2020

 

Die Hansestadt Hamburg bietet ihren Beamtinnen und Beamten seit August 2018 die Möglichkeit,  anstatt der „klassischen Beihilfe“ als Ergänzung zur individuellen Krankenversicherung eine pauschalierte Beihilfe zu erhalten. Dabei ist nicht entscheidend, ob die individuelle Absicherung über eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) oder eine private Krankenversicherung (PKV) erfolgt, denn die pauschale Beihilfe kann für beide Varianten beantragt werden. Für freiwillig in der GKV versicherte Beamtinnen und Beamte ist dies ein echter Fortschritt, da diese Gruppe bisher den vollen Beitragssatz zur Krankenversicherung alleine und ohne Zuschüsse aufbringen mussten, während sich bei Tarifbeschäftigten Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen den Beitragssatz teilen. Diesem „Hamburger
Modell“ sind mittlerweile auch die Bundesländer Bremen (Juni 2019) sowie Brandenburg und Thüringen (Januar 2020) gefolgt. Berlin will die pauschale Beihilfe rückwirkend zum 1. Januar 2020 einführen. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Pauschale Beihilfe

Eine Option auch für hessische Beamtinnen und Beamten?  ist das „Hamburger Modell“ bereits Gegenstand der parlamentarischen Diskussion. Die gesetzlichen Regelungen sind in den oben genannten Bundesländern mit dem Hamburger Modell weitgehend identisch. Wenn es Unterschiede gibt, so rühren diese aus dem ursprünglichen Beihilferecht. Bei der „pauschalen Beihilfe“ trägt der Dienstherr die Hälfte der Versicherungsbeiträge für eine gesetzliche oder private Krankenvollversicherung, anstatt anteilig die Kosten für medizinische Leistungen zu übernehmen,
wie es die „individuelle Beihilfe“ vorsieht.

Bei privat Versicherten werden die hälftigen Beiträge sowohl für den eigentlich Beihilfeberechtigten als auch für die berücksichtigungsfähigen Angehörigen übernommen, soweit deren eigenes Einkommen unterhalb eines bestimmten Jahresbetrags liegt. Dieser wird in den Bundesländern durchaus unterschiedlich bemessen, in Hessen liegt die Obergrenze 2020 beim steuerlichen Grundfreibetrag von 9.408 Euro im Kalenderjahr. Allerdings bemisst sich die Höhe des Beitragszuschusses zur PKV nur bis zur Hälfte des Basistarifs, der die Versorgung im Umfang einer GKV absichert. Für die freiwillig gesetzlich Versicherten schließt die hälftige Finanzierung des Krankenkassenbeitrages dagegen auch die Hälfte des kassenabhängigen Zusatzbeitrages mit ein. Allerdings müssen in der freiwilligen GKV auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen, Aktien
und Ähnlichem „verbeitragt“ werden.

Diese Beitragsbemessungsgrenze beträgt 2020 für alle Einkunftsarten 4.687,50 Euro monatlich. Da für Beamtinnen und Beamte der ermäßigte Beitragssatz von 14 % gilt, kann unter Berücksichtigung des höchstmöglichen Zusatzbeitrags von 1,1 % der Höchstbeitrag für diese maximal bei 707,82 Euro liegen. Davon würde der Dienstherr 50 % übernehmen. Die pauschale Beihilfe ist eine steuerfreie Leistung.

Antragsberechtigt sind alle beihilfeberechtigten Beamtinnen und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sowie Witwen und Witwer.

Wem nutzt die pauschale Beihilfe?

In den genannten Bundesländern besteht die Wahlmöglichkeit zwischen individueller und pauschaler Beihilfe nur einmal, die getroffene Entscheidung ist unwiderruflich. Allerdings können sich
Beamtinnen und Beamte auf Probe anders entscheiden als in ihrem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Mit der Entscheidung für die pauschale Beihilfe verzichtet man in den genannten Bundesländern auf jegliche Form individueller Beihilfe. Allerdings sehen alle Bundesländer in besonderen Ausnahmefällen
die Möglichkeit der Gewährung einer zusätzlichen Beihilfe zur Vermeidung von Härtefällen vor.

Die Absicherung der Pflege ist des Weiteren komplett aus dem Regelungsbereich der pauschalen Beihilfe herausgenommen. Hier bleibt es bei den Regelungen der individuellen Beihilfe. Der DGB fordert seit langem eine finanzielle Beteiligung des Dienstherrn an den Aufwendungen der Beamtinnen und Beamten für Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung, um diese solidarische Krankenversicherungsform zu stärken und auch für Beamtinnen und Beamte attraktiver zu machen.
Bislang führten die gültigen Beihilfegesetze auf Bundesebene und in den Bundesländern dazu, dass freiwillig gesetzlich krankenversicherte Beamtinnen und Beamte im Gegensatz zu gesetzlich
krankenversicherten Tarifbeschäftigten immer den vollen Beitragssatz zahlen mussten und nur bei Zusatzleistungen der Beihilfe, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen
hinausgingen, auch etwas von den Beihilferegelungen profitieren konnten. Die hessische Sachleistungsbeihilfe, eine Besonderheit, die es in keinem anderen Bundesland gibt, führt nur dann zu einer Beteiligung des Dienstherrn an dem Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Beamtin oder der Beamte auch entsprechende Sachleistungen der Krankenkasse in Anspruch nimmt.

Für neu eingestellte Beamtinnen und Beamten ist die Entscheidung für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung daher aus Kostengründen zur Zeit keine wirkliche Alternative zur individuellen Beihilfe in Verbindung mit einer privaten Krankenversicherung.

Der Anteil der Beamtinnen und Beamten, die freiwillig in der GKV versichert sind, liegt nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 10 und 16 Prozent. Sieht man von den Kolleginnen und Kollegen ab, die sich aus Gründen der Solidarität bewusst für die GKV entschieden, hatten die meisten freiwillig gesetzlich versicherten Beamtinnen und Beamten gar keine Wahl, weil die PKV aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen enorme Risikoaufschläge forderte oder die Aufnahme in den regulären Tarif komplett verweigerte.

Für sie wäre die Einführung einer pauschalen Beihilfe auch in Hessen mit einer begrüßenswerten finanziellen Entlastung verbunden, da die hessische Sachleistungsbeihilfe in einer Vielzahl von Fällen nicht ausreichen dürfte, um den halben Krankenkassenbeitrag erstattet zu bekommen. Für neu einsteigende Beamtinnen und Beamte würde damit erstmals eine echte Wahlfreiheit hergestellt, sofern die jeweiligen Bedingungen für eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV oder in der PKV erfüllt werden.

Für die Kombination aus pauschaler Beihilfe und freiwilliger Mitgliedschaft in der GKV würden neben der Stärkung des Solidarprinzips auch ganz praktische Gründe sprechen. So fiele der bürokratische Aufwand für die Abrechnung medizinischer Leistungen weg, der insbesondere bei langwierigen Erkrankungen, bei Unfallbehandlungen oder im Alter durchaus belastend sein kann. Im Gegensatz zu einer PKV entfällt auch die Notwendigkeit der privaten Vorfinanzierung medizinischer Leistungen.

Andererseits könnte für freiwillig gesetzlich Versicherte mit der Entscheidung für die pauschale Beihilfe
der Verzicht auf bestimmte Zusatzleistungen der individuellen Beihilfe einhergehen, z.B. bei Brillen, Zahnersatz oder Wahlleistungen im Krankenhaus. Diese könnten aber zum Teil ohne größere
finanzielle Belastungen über Zusatzversicherungen je nach Bedarf und Belieben dazugekauft werden.
Inwieweit die Kombination aus pauschaler Beihilfe und Mitgliedschaft in einer PKV eine attraktive Alternative zur individuellen Beihilfe darstellt, ist eine andere Frage. Der Vorteil wäre, dass bei der Beihilfestelle keine Aufwendungen mehr eingereicht werden müssen. Alle Kostenerstattungen bzw.
Abrechnungen würden über die PKV erfolgen. Bei Streitigkeiten über die Kostenübernahme wäre „nur“ noch die PKV das Gegenüber.

Der hessische Sonderweg

Soweit Beamtinnen und Beamte zum Berufsstart die Wahlmöglichkeit zwischen PKV und freiwilliger GKV haben, wären nach Einführung einer pauschalen Beihilfe diverse Aspekte zu beachten. So können die Krankenversicherungsbeiträge in den verschiedenen Lebensabschnitten in dem einen
oder dem anderen System günstiger sein. In der GKV sind unter bestimmten Bedingungen die Familienmitglieder mitversichert. Wer aus gesundheitlichen Gründen „nur“ eine private Krankenversicherung zum Basistarif abschließen kann, wäre dann auf vergleichbarem Leistungsniveau bei einer gesetzlichen Krankenversicherung wohl besser aufgehoben.

Vor dem Hintergrund der nur in Hessen bestehenden „Sachleistungsbeihilfe“ stellt sich die berechtigte Frage, ob die Einführung einer pauschalen Beihilfe in Hessen wirklich notwendig ist, um die Kosten für freiwillig gesetzlich versicherte Beamtinnen und Beamten zu dämpfen. Immerhin können diese nach der Abrechnung konkret erhaltener medizinischer Leistungen mit der Beihilfestelle bis zu 50 Prozent ihrer im Jahr vor der Antragstellung entrichteten Krankenkassenbeiträge zurück erhalten.

Gleichzeitig setzt die Sachleistungsbeihilfe Fehlanreize, möglichst viele medizinische Leistungen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Dies belastet das gesamte Gesundheitssystem unnötigerweise. Wer dieser Systemlogik nicht folgt und sich zudem robuster Gesundheit erfreuen kann, bleibt auf den vollen Kosten der Krankenversicherungsbeiträge sitzen.

Die Diskussion in Hessen

Der DGB fordert seit längerer Zeit die Einführung der pauschalen Beihilfe. Die GEW Hessen und der hessische DGB wollen jetzt innergewerkschaftlich verstärkt über die pauschale Beihilfe informieren
und die Debatte befördern.

Bei einem ersten Gespräch des DGB Hessen-Thüringen mit dem hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) verwies dieser Ende 2019 auf die in seinen Augen ausreichende hessische Sachleistungsbeihilfe.

Vor dem Hintergrund

des zunehmenden Fachkräftemangels nicht nur in Teilen des Bildungssystems, sondern in der Landesverwaltung insgesamt, erscheint es aus unserer Sicht aber dringend erforderlich, die Diskussion darüber mit der hessischen Landesregierung zu intensivieren. Durch die Notwendigkeit, auch ältere
Fachkräfte für den Dienst in der Landesverwaltung zu gewinnen, um die Personallücken zu schließen, erhöht sich potentiell auch die Zahl derer, für die die PKV aufgrund der mit dem Einstiegsalter
steigenden Beiträge nicht mehr in Frage kommt. Für diese Beschäftigtengruppe dürfte die
pauschale Beihilfe ein weitaus attraktiveres Modell als die hessische Sachleistungsbeihilfe
darstellen. Daher wird sich die Landesregierung sehr gut überlegen müssen, ob sie im Wettbewerb um
die attraktivsten Arbeitsbedingungen einen hessischen Standortnachteil gegenüber anderen Bundesländern wirklich aufrechterhalten möchte.

Peter Zeichner, Annette Loycke und Rüdiger Bröhling

Peter Zeichner ist Mitglied im Vorsitzendenteam des Referats Tarif, Besoldung und Beamtenrecht, Annette Loycke und Rüdiger Bröhling arbeiten in der Landesrechtsstelle der GEW Hessen und als Tarifsekretär.