GEW-Bundesvorsitzende Tepe besucht Frankfurter Grundschule

Mehr qualifizierte Lehrkräfte, gute Ganztagsschulen, moderne Schulgebäude!

Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Marlis Tepe hat am 29. August im Rahmen ihrer bundesweiten Tour „GEW in Bildung unterwegs“ die Viktoria-Luise-Schule im Frankfurter Europaviertel besucht. Anschließend nahm sie an einer Konferenz der GEW-Vertrauensleute und Personalräte im Frankfurter Gewerkschaftshaus teil. Tepe machte sich aus diesem Anlass für den Ausbau inklusiver Ganztagsangebote an Grundschulen stark: „Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz, der ab 2025 greifen soll, weist in die richtige Richtung. Jetzt müssen Gelder und materielle Ressourcen bereitgestellt werden, damit die Umsetzung der Angebote nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen wird. Jetzt ist noch Zeit, dafür Personal auszubilden – Lehrkräfte, Erzieherinnen und Sozialpädagogen. Wir brauchen auf Bundesebene ein neues Ganztagsschulprogramm, damit die Prozesse in den Ländern effektiv unterstützt werden können“, betonte Tepe. „Dabei muss die Qualität des Angebots im Mittelpunkt stehen. Halbtagsschulen mit angeschlossener Suppenküche sind der falsche Weg.“

Die GEW-Vorsitzende sprach sich für „gebundene Ganztagsschulen mit rhythmisiertem pädagogischen Konzept“ aus, in dem sich gut aufeinander abgestimmte Lern- mit Erholungs-, Betreuungs- und Bewegungsphasen abwechselten. Dafür würden in den Schulen zusätzlich zu den Lehrkräften beispielsweise auch mehr Schulsozialarbeiter oder -psychologinnen gebraucht. „Richtig verstandene Ganztagsangebote leisten einen wichtigen Beitrag insbesondere Kinder zu unterstützen, die aus benachteiligten Elternhäusern kommen. Diese Aufgabe wird für Schule immer wichtiger, da die soziale Schere zwischen arm und reich in Deutschland immer weiter auseinander klafft. Wenn Politik keinen Kurswechsel vornimmt, steuern wir auf einen Bildungsnotstand zu“, sagte Tepe.

Tepe hatte sich zuvor im Rahmen eines Rundgangs und eines Gesprächs mit Praktikerinnen und Praktikern an der Viktoria-Luise-Schule unter anderem über die Umsetzungskonzepte von ganztägig arbeitenden Schulen in Hessen informiert. Maike Wiedwald, Vorsitzende der GEW Hessen, die den Tag gemeinsam mit Tepe gestaltete, wies in diesem Zusammenhang auf die spezifischen Anforderungen an die Schulgebäude hin, die sich aus dem Ganztagsbetrieb ergeben: „Ein gutes Ganztagskonzept kann nur in angemessenen Räumlichkeiten umgesetzt werden. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Halbtagsschule benötigt eine echte Ganztagsschule nicht nur eine Mensa, sondern auch zahlreiche weitere Räume für AGs, für Sportangebote, für Lernzeiten und so weiter. Die in Frankfurt oft gewählte Lösung von so genannten ‚multifunktionalen Räumen‘ wird dem nicht gerecht. Der immense Sanierungsstau an den Schulgebäuden in Hessen muss endlich aufgelöst werden. Dabei geht es nicht nur um die erforderliche Instandsetzung der Bausubstanz, sondern auch um moderne pädagogische Anforderungen an den Raum als ‚dritten Pädagogen‘.“

In Zeiten des Lehrkräftemangels wird es gerade in den Großstädten immer schwieriger, das erforderliche Fachpersonal zu gewinnen. Laura Preusker, Grundschullehrerin und Vorsitzende der GEW Frankfurt, wies darauf hin, dass in Frankfurt viele Stellen von Grundschullehrkräften nur mit Seiteneinsteigerinnen und -einsteigern besetzt werden können: „Nach den Angaben des Kultusministers sind inzwischen gut 4.500 Kolleginnen und Kollegen ohne Lehramtsausbildung an den hessischen Schulen tätig. Gerade an Grundschulen haben es Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger besonders schwer, denn es gibt schlichtweg kein anderes Studium, das beispielsweise auf den Schriftspracherwerb angemessen vorbereitet. In der Stadt Frankfurt werden Vertretungsverträge immer häufiger mit Studierenden abgeschlossen, die nicht einmal einen Studienabschluss vorweisen können. Diese Situation führt nicht nur zu schlechteren Lernbedingungen, sondern auch zu zusätzlichen Belastungen bei unseren Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen, welche die Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger vor Ort begleiten und unterstützen müssen.“

Marlis Tepe machte daran anschließend darauf aufmerksam, dass es sich um ein bundesweites Problem handelt. „Der Lehrkräftemangel an den Schulen, insbesondere den Grundschulen ist dramatisch. Allein an dieser Schulform konnten Anfang des Jahres 2.000 Stellen nicht besetzt werden“, sagte Tepe mit Blick auf eine Erhebung der Gewerkschaft. „Dazu kommen mehrere Tausend Quer- und Seiteneinsteiger. Zudem sind rund 1.000 Schulleitungsstellen an Grundschulen nicht besetzt. Der Lehrkräftemangel ist keine Eintagsfliege. Wenn jetzt nicht effektiv gegengesteuert wird, verschärft sich die Situation bis 2025 noch weiter.“ Daher sei ein Maßnahmenbündel erforderlich, das kurz-, mittel- und langfristig greift, unterstrich Tepe. Die Kultusministerien müssten aktuell zusätzliche Quer- und Seiteneinsteiger anwerben, um die Lücken zu schließen. Dies sei der Preis dafür, dass über Jahre zu wenige Lehrkräfte für das Grundschullehramt ausgebildet worden seien.

„Die Quer- und Seiteneinsteiger müssen sofort berufsbegleitend nachqualifiziert und durch Mentoringprogramme unterstützt werden. Dafür brauchen wir bundesweit einheitliche Standards“, erläuterte die GEW-Vorsitzende die Rahmenbedingungen für die Einstellung von Quer- und Seiteneinsteigern. „Die Lehrkräfte, in deren Schulen Quer- und Seiteneinsteiger ausgebildet werden, müssen entlastet werden. Nur so kann die Qualität des Unterrichts gesichert werden.“ Letztendlich müssten zeitgleich die Ausbildungskapazitäten für Lehrkräfte und die Zahl der Referendariatsstellen deutlich erhöht werden. Damit mehr junge Menschen ein Lehramtsstudium aufnehmen, müsse der Beruf attraktiver gemacht werden. Dafür seien die Arbeitsbedingungen deutlich zu verbessern. „Dazu gehört in erster Linie, alle voll ausgebildeten Lehrkräfte nach A13 (Beamte) und E13 (Angestellte) zu bezahlen. Im Moment werden fast alle Lehrkräfte an Grundschulen deutlich schlechter bezahlt als ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Schularten – trotz gleichlanger Ausbildung und gleichwertiger Arbeit. JA13 für alle ist angesagt“, betonte die GEW-Vorsitzende.