Die GEW Hessen hat auf Basis einer Online-Befragung von mehr als 800 Lehrkräften eine hohe zusätzliche Arbeitsbelastung durch die Abiturkorrekturen ermittelt. Die GEW fordert das Kultusministerium auf, dies im kommenden Jahr durch Korrekturtage angemessen zu berücksichtigen. Der hessische GEW-Vorsitzende Thilo Hartmann erläuterte den Hintergrund der Umfrage: „Während die Abiturientinnen und Abiturienten mit der letzten Prüfung die wohlverdiente Ruhephase zum Ende ihrer Schulzeit genießen, beginnt für ihre Lehrkräfte eine Zeit der maximalen Arbeitsbelastung. Dies verschärft sich in diesem Jahr zusätzlich, da die Abiturprüfungen seit 2021 nach den Osterferien geschrieben werden und die Korrekturen nicht mehr während der unterrichtsfreien Zeit erfolgen können.
Anders als der Kultusminister wollten wir wissen, wie viel Arbeitszeit für Korrekturen aufgewendet wurde. Das Ergebnis unserer Umfrage ist erschreckend, wenn auch nicht überraschend.“
So arbeitet eine Lehrkraft während der dreiwöchigen Korrekturzeit 40 Stunden und 30 Minuten zusätzlich. Bei Teilzeit bis 75 Prozent des Stellenumfangs sinkt diese Zahl zwar auf 38 Stunden bzw. bei einem Stellenumfang von bis zu 50 Prozent auf 31 Stunden und 35 Minuten. Bezogen auf den Stellenumfang steigt damit die Zusatzbelastung durch die Abiturprüfung: Je geringer der Stellenumfang, desto höher ist die relative Belastung durch die Abiturprüfungen.
In Verbindung mit den Ergebnissen der von Wissenschaftlern der Universität Göttingen im Auftrag der GEW Hessen durchgeführten Frankfurter Arbeitszeitstudie von Lehrkräften wird das Ausmaß der Arbeitsbelastung deutlich. Wichtigster Befund dieser Anfang 2020 durchgeführten Studie war eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden und 27 Minuten pro Vollzeitlehrkraft. „Die jetzt ermittelten Korrekturzeiten für das Abitur führen zu Spitzenbelastungen weit über das Erträgliche hinaus. Dies können wir nicht länger hinnehmen. Es ist Zeit, dass das hessische Kultusministerium hier endlich für Entlastung sorgt“, fordert Hartmann.
Das hessische Kultusministerium lehnt – anders als die Ministerien in anderen Bundesländern – einheitliche Korrekturtage, die Lehrkräften eine reale Entlastung für die oft aufwendigen Korrekturen geben würden, nach wie vor ab. Zwar gibt es die Möglichkeit für Schulen, betroffene Lehrkräfte durch die Befreiung von der Teilnahme an Konferenzen und von Vertretungsunterricht zu entlasten. Aufgrund des Lehrkräftemangels gelingt es an kaum einer Schule, für tatsächliche Entlastung zu sorgen. So betrug die Zahl der durchschnittlich tatsächlich gewährten Entlastung gerade einmal drei Zeitstunden. Andere Bundesländer verfahren hier deutlich anders. Beispielsweise hat in Niedersachsen jede Lehrkraft abhängig von der Zahl der zu korrigierenden Abiturprüfungen ein Anrecht auf verbindlich zu gewährende Korrekturtage.
„Wie groß die Belastung an den Schulen ist, zeigt die Zahl von über 800 teilnehmenden Lehrkräften an der Online-Umfrage. Die hohe Beteiligung macht deutlich, wie sehr unsere Lehrkräfte unter Druck stehen und wie sehr sie sich vom Kultusministerium alleingelassen fühlen“, so Hartmann weiter.
Zum Hintergrund:
Die GEW fragte Lehrkräfte, die in diesem Jahr Abiturarbeiten korrigierten, nach ihrem Arbeitsaufwand. Vom 2. bis 25. Mai nahmen 830 Lehrkräfte teil. Nach Abzug von statistisch betrachtet extremen Ausreißern und einer geringen Zahl an nicht vollständig ausgefüllten Umfragen flossen die Antworten von 766 Prüferinnen und Prüfern in die Ergebnisse ein. Abgefragt wurde für die Erst- und Zweitkorrekturen die Anzahl der Schülerinnen und Schüler sowie die durchschnittliche Korrekturzeit pro Klausur. Außerdem sollten die Teilnehmenden Angaben zu ihrem Beschäftigungsumfang, zur durchschnittlichen Zeit von Klausur bis Abgabe und zu durch die Schule gewährter Entlastung machen.
Die genauen Ergebnisse finden Sie hier
Zu den Ergebnissen der Frankfurter Arbeitszeitstudie
Den Wortlaut des niedersächsischen Erlasses zur Entlastung im Abitur finden Sie hier