Der Trend zum Besuch von Privatschulen setzt sich bundesweit fort, auch in Hessen. Wegen der zunehmenden Bedeutung der Privatschulen und angesichts der Debatte um das „Sonderungsverbot“ soll im Folgenden die Finanzierung von privaten Ersatzschulen in Hessen untersucht werden. Dabei geht es zum einen um die Frage, wie sich die Ersatzschulen finanzieren und welcher Anteil dabei auf das von den Eltern zu tragende Schulgeld entfällt. Dies ist von besonderer Relevanz, da es in Hessen keinerlei konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung des Schulgeldes gibt. Dies führt dazu, dass das monatliche Schulgeld zwischen null Euro und Beträgen im vierstelligen Bereich variiert. Ein Schulgeld oberhalb eines Durchschnittswerts von 160 Euro, fehlende oder unzureichende soziale Staffelung sowie fehlende Befreiungstatbestände für SGB-II-Bezieherinnen und -Bezieher stehen jedoch im Verdacht, der Anforderung des Sonderungsverbots nicht zu genügen (1).
Das Grundgesetz stellt in Artikel 7 Absatz 4 klar, dass private Schulen nur genehmigt werden können, insofern „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob sich Ersatzschulen angesichts der Finanzierung durch öffentliche Mittel und durch Schulgeld in einer vergleichbaren finanziellen Lage wie die öffentlichen Schulen befinden.
Privatschulen im Vorteil
Der Bildungsfinanzbericht, der jedes Jahr erscheint und die wichtigsten finanziellen Indikatoren für das Bildungssystem zusammenfasst, hat sich zuletzt im Jahr 2017 mit den Schulen in freier Trägerschaft auseinandergesetzt. Da es keine reguläre amtliche Statistik zu den Finanzen der Privatschulen gibt, wurden für diesen Bericht entsprechende Angaben im Rahmen einer Sondererhebung für das Jahr 2013 ermittelt. Die Ausgaben der Privatschulen werden zudem ins Verhältnis zur jeweiligen Schülerzahl gesetzt, so dass auch ein Vergleich mit den Pro-Kopf-Ausgaben der öffentlichen Schulen möglich ist (2). Diesen Angaben zufolge ist die Finanzlage der Privatschulen deutlich günstiger als die der öffentlichen Schulen. Im Jahr 2013 verfügten sie mit durchschnittlich 8.200 Euro pro Schülerin und Schüler über 1.100 Euro, das heißt 15 Prozent mehr als öffentliche Schulen.
Vier Jahre zuvor war der Unterschied noch geringer ausgeprägt, so lag die Differenz 2009 bei 800 Euro beziehungsweise 13 Prozent. Verallgemeinernd lässt sich demnach feststellen, dass Privatschulen finanziell besser aufgestellt sind als öffentliche Schulen und dass sich der Abstand tendenziell vergrößert. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass sich angesichts des Bildungsföderalismus die Situation zwischen den Bundesländern unterschiedlich darstellen kann. Darüber hinaus ist auch zu bedenken, dass die Privatschullandschaft sehr heterogen ist und die einzelnen Schulen sich in vielerlei Hinsichten voneinander unterscheiden, nicht zuletzt in Abhängigkeit vom jeweiligen Träger.
Ersatzschulen in Hessen
Die als Ersatzschulen anerkannten Privatschulen können in Hessen öffentliche Zuschüsse nach dem 2013 in Kraft getretenen Ersatzschulfinanzierungsgesetz erhalten. Dazu wurden in einem komplexen Rechenverfahren schulformbezogene Schülersätze ermittelt. Die Schülersätze werden regelmäßig in Abhängigkeit von der Entwicklung der Beamtenbesoldung angepasst. Darüber hinaus erhalten Ersatzschulen auch einen Anteil von 75 Prozent des Gastschulbeitrags, den Schulträger zahlen müssen, wenn Kinder oder Jugendliche eine auswärtige Schule in einer anderen Gebietskörperschaft besuchen. In Tabelle 2 werden die Schülersätze nach dem Ersatzschulfinanzierungsgesetz in Relation gesetzt zu den aufgewendeten Mitteln für die öffentlichen Schulen. Die aktuellsten verfügbaren Daten beziehen sich auf das Jahr 2015 und finden sich im Bildungsfinanzbericht 2018 (3). Hier werden die jährlichen Ausgaben für öffentliche Schulen in den Bundesländern für verschiedene Schulformen aufgeschlüsselt dargestellt, allerdings sind dort nicht alle der in Hessen bestehenden Schulformen abgebildet. Einbezogen werden dabei Personalausgaben einschließlich Sozialbeiträge und Beihilfeaufwendungen, der laufende Sachaufwand sowie Investitionsausgaben.
Der Vergleich zeigt zunächst auf, dass die öffentlichen Mittel für die Ersatzschulen erkennbar hinter den Aufwendungen für die staatlichen Schulen zurückbleiben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Bildungsfinanzbericht auf glatte Hunderter rundet, so dass die hier auf den Cent berechneten Differenzbeträge nur als Hinweis auf die Größenordnung zu verstehen sind. Diese ist allerdings bemerkenswert: Um die öffentlichen Mittel nach dem Ersatzschulfinanzierungsgesetz durch andere Mittel auf das Niveau einer öffentlichen Schule aufzustocken, benötigt eine private Grundschule rund 1.700 Euro pro Jahr oder 150 Euro pro Monat zusätzlich. Bei den weiterführenden Schulen ist die Differenz größer und es besteht eine Lücke von etwa 250 Euro pro Monat.
Wenn man davon ausgeht, dass private Ersatzschulen als zusätzliche Einnahmenquelle in erster Linie auf das Schulgeld zurückgreifen, kann man also annehmen, dass sie bei einem durchschnittlichen monatlichen Schulgeld oberhalb von etwa 150 Euro an Grundschulen und 250 Euro an weiterführenden Schulen in eine finanziell bessere Ausgangslage geraten. Bei geringeren Beiträgen wäre die Finanzausstattung hingegen schlechter als an öffentlichen Schulen, es sei denn der Träger schießt aus anderen Quellen weitere Mittel zu.
Als ein Beispiel für eine Schule mit hohem Schulgeld lässt sich auf die bilinguale Swiss International School in Kassel verweisen. Laut einer Großen Anfrage der SPD aus der letzten Legislaturperiode lag das durchschnittlich erhobene Schulgeld bei 654 Euro im Monat (4). Ein Schulgeld in dieser Höhe kompensiert nicht nur die bestehende Lücke, sondern es führt zu einer deutlich günstigeren finanziellen Ausgangslage. So kann diese Schule im Grundschulzweig pro Kopf rechnerisch mit rund 12.000 Euro im Jahr wirtschaften – das Doppelte einer öffentlichen Grundschule. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Finanzausstattung deutlich andere Voraussetzungen schafft, die beispielsweise kleinere Lerngruppen ermöglichen. Am anderen Ende des Spektrums finden sich überwiegend Schulen in kirchlicher Trägerschaft, die meist überhaupt kein Schulgeld oder ein Schulgeld im zweistelligen Bereich erheben. Dies dürfte nur möglich sein, weil sie mit zusätzlichen Mitteln der Kirchen unterstützt werden. So weist beispielsweise der Jahresbericht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau für das Jahr 2014 Ausgaben für kirchliche Schulen in Höhe von 8,3 Millionen Euro aus (5).
Schulgeld führt zu Ungerechtigkeit
Es ist unter dem Gesichtspunkt der Bildungsgerechtigkeit zu problematisieren, wenn sich die Lernbedingungen und die damit zusammenhängenden Chancen von Schülerinnen und Schülern eklatant auseinanderentwickeln. Das hessische Schulrecht, das Ersatzschulen einerseits öffentliche Mittel in erheblichen Ausmaßen zusichert, andererseits aber keinerlei Regelungen zum Schulgeld vorsieht, wird dem Anspruch an Bildungsgerechtigkeit in dieser Hinsicht nicht gerecht. Wie aufgezeigt, befinden sich Ersatzschulen mit hohen durchschnittlichen Schulgeldern in einer deutlich besseren finanziellen Ausgangslage. Gleichzeitig weicht die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft an den Ersatzschulen immer stärker vom Bevölkerungsdurchschnitt ab, nicht nur, aber auch wegen des Schulgelds (6). Ein hohes Schulgeld sorgt so für eine privilegierte Ausstattung einzelner Ersatzschulen einerseits, für eine soziale Schließung andererseits.
Unter finanzpolitischen Gesichtspunkten ist darüber hinaus zu bedenken, dass das Einkommenssteuerrecht es Eltern erlaubt, 30 Prozent der Kosten für das Schulgeld bis zu einem Maximalbetrag von 5.000 Euro als Sonderausgabe geltend zu machen. Die Steuerersparnis beträgt somit beim Spitzensteuersatz von 42 Prozent bis zu 2.100 Euro pro Jahr, bei der so genannten Reichensteuer ab gut 250.000 Euro sind es bei einem Steuersatz von 45 Prozent sogar 2.250 Euro. Somit sind Einzelfälle denkbar, in denen der Staat insgesamt – unter Berücksichtigung der direkten Förderung nach dem Ersatzschulfinanzierungsgesetz und der indirekten Förderung über die Einkommenssteuer – für den Privatschulbesuch eines Kindes aus einem vermögenden Elternhaus mehr öffentliche Mittel aufwendet als für den Schulbesuch eines Kindes aus einem anderen, weniger vermögenden Elternhaus, das eine öffentliche Schule besucht. Auch aus diesem Grund ist eine gesetzliche Regulierung des Schulgelds überfällig.
Tabelle 1: Ausgaben je Schüler/in an allgemeinbildenden Schulen
2009 | 2013 | |
Privatschulen | 7.000 € | 8.200 € |
öffentliche Schulen | 6.200 € | 7.100 € |
Statistisches Bundesamt 2017, S. 53 |
Tabelle 2: Ausgaben je Schüler/in an allgemeinbildenden Schulen in Hessen 2015
Grundschulen | Realschulen | Gymnasien | Integrierte Gesamtschulen | |
Integrierte Gesamtschulen | 6.000 € | 6.900 € | 7.700 € | 7.600 € |
Schülersätze nach dem Hessischen Ersatzschulfinanzierungsgesetz (2) | 3.926 € | 3.469 € | 4.294 € | 4.478 € |
Öffentliche Mittel für anerkannte Ersatzschulen (Schülersatz + 75% Gastschulbeitrag) (3) | 4.320 € | 3.863 € | 4.688 € | 4.872 € |
Differenz pro Jahr | 1.680 € | 3.037 € | 3.012 € | 2.728 € |
Differenz pro Monat | 140 € | 253 € | 251 € | 227 € |
1) Statistisches Bundesamt 2018, S. 123; (2) Amtsblatt 7/15, S. 330; (3) Der Gastschulbeitrag lag 2015 für die allgemeinbildenden Schulen bei 525 Euro. (Staatsanzeiger 8/2015, S.166) |
Roman George
(1) Michael Wrase/Laura Jung/Marcel Helbig, Defizite der Regulierung und Aufsicht von privaten Ersatzschulen in Bezug auf das Sonderungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, WZB Discussion-Paper 2017-003.
(2) Statistisches Bundesamt, Bildungsfinanzbericht 2017, Wiesbaden 2017, S. 53.
(3) Statistisches Bundesamt, Bildungsfinanzbericht 2018, Wiesbaden 2018, S. 123.
(4) Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ersatzschulen, Drucksache 19/1632
(5) Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Jahresbericht 2015/2016, Darmstadt 2016, S. 84.
(6) Katja Görlitz, C. Katharina Spieß, Elena Ziege, Fast jedes zehnte Kind geht auf eine Privatschule – Nutzung hängt insbesondere in Ostdeutschland zunehmend vom Einkommen der Eltern ab, in: DIW Wochenbericht 51+52/2018.