Inklusion in der Diskussion

Diskussion mit bildungspolitischen Sprecher_innen der im Landtag vertretenen Parteien

Foto v.l.: Bodo Pfaff-Greifenhagen (CDU), Mathias Wagner (Grüne), Wolfgang Greilich (FDP), Katja Irle (Moderation), Birgit Koch (GEW), Gabriele Faulhaber (LINKE) und Christoph Degen (SPD)

Kurz vor der Landtagswahl luden die GEW und die von ihr mitgetragene Gruppe InklusionsBeobachtung die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der im Landtag vertretenen Parteien zur Diskussion über den Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in hessischen Schulen ein. Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen Mathias Wagner (Die Grünen), Christoph Degen (SPD), Gabriele Faulhaber (Die Linke) und Wolfgang Greilich (FDP). Armin Schwarz (CDU) wurde durch den Frankfurter Landtagsabgeordneten Bodo Pfaff-Greifenhagen vertreten. Die Begrüßung übernahm die GEW-Vorsitzende Birgit Koch. Die Journalistin und Autorin Katja Irle moderierte die Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum, das sich mit Erfahrungsberichten, Fragen und Anregungen engagiert einbrachte.

Die Bestandsaufnahme fiel, wie nicht anders zu erwarten, sehr gegensätzlich aus. Mathias Wagner sieht in der auf vier Prozent gesunkenen Förderschulbesuchsquote einen Beleg dafür, dass sich das Bundesland in Sachen Inklusion auf dem richtigen Weg befindet. Gemeinsam lobten Wagner und Bodo Pfaff-Greifenhagen insbesondere die Einführung der so genannten inklusiven Schulbündnisse. In diesem Rahmen könnten sich nun Schwerpunktschulen entwickeln, so Mathias Wagner. Denn da, wo Inklusion stattfinde, wolle man es nun „richtig“ machen, anstatt die Inklusion flächendeckend unter mäßigen Bedingungen zu etablieren. Gleichwohl zeigten sich aber auch zwischen den beiden Regierungsparteien deutliche Unterschiede: Bodo Pfaff-Greifenhagen forderte für die CDU die dauerhafte Aufrechterhaltung des Doppelsystems aus Inklusion und Förderschulen und zwar bei allen Förderschwerpunkten. Mathias Wagner hingegen machte sich durchaus für die perspektivische Überwindung des Doppelsystems stark. Es sei aber falsch, dabei wie in anderen Bundesländern mit festen Stichtagsregelungen zu arbeiten.

Anders die Abgeordneten der alten und wohl auch neuen Oppositionsparteien: Wolfgang Greilich kritisierte die Umsetzung der Inklusion „mit der Brechstange“ und forderte ein langsameres Tempo. Gabriele Faulhaber und Christoph Degen wünschten sich dagegen eine raschere und weitergehende Entwicklung hin zu einem inklusiven Schulsystem. So müsse, Gabriele Faulhaber zufolge, jede Schule eine Förderschule sein, um das Doppelsystem so zu überwinden. Christoph Degen sagte, es gehe weniger um die Auflösung von Förderschulen als um „das Zusammenwachsen mit den allgemeinen Schulen“. Beide erkannten allerdings an, dass diese Entwicklung einige Zeit in Anspruch nehmen wird: „Nach zehn Jahren Kuddelmuddel“ müsse erstmal „aufgeräumt werden“, sagte Gabriele Faulhaber. Christoph Degen wies auch auf die Versäumnisse bei der Ausbildung der Lehrkräfte hin. Der „Nachwuchs“ müsste nun erstmal Studium und Vorbereitungsdienst durchlaufen.

Dorothea Terpitz von der Elterninitiative Gemeinsam leben Hessen machte deutlich, dass neun Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention von einer Einlösung des dort verankerten Rechtsanspruchs auf inklusive Bildung keine Rede sein kann. Die proklamierte Wahlfreiheit zwischen den separierenden Förderschulen einerseits und der schlecht ausgestatteten Inklusion andererseits werde den Anforderungen der Behindertenrechtskonvention nicht gerecht. Dass die inklusiv arbeitenden Schulen eine verlässliche Personalausstattung benötigen, betonten sowohl Mathias Wagner als auch Christoph Degen. Während Mathias Wagner von einem „festen Personalschlüssel“ für inklusiv arbeitende Schulen sprach, unterstützte Christoph Degen die weitergehende Forderung der GEW nach einer „Grundversorgung“ mit Förderpädagoginnen und -pädagogen für die allgemeinen Schulen.

Auch die baulichen Anforderungen an die inklusive Schule kamen zur Sprache. Bodo Pfaff-Greifenhagen betonte, dass das Land den Kommunen mit den Kommunalen Investitionsprogrammen KIP 1 und KIP 2 dazu ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt habe. Naxina Wienstroer wies als Vorsitzende des Landesbehindertenrats auf die nach wie vor oft unzureichende Barrierefreiheit des öffentlichen Raums hin. Die Beispiele vieler europäischer Nachbarländer zeigten, dass in dieser Hinsicht im reichen Deutschland offensichtlich noch Nachholbedarf besteht. Mathias Wagner verdeutlichte, dass im Zuge der Einführung der inklusiven Schulbündnisse nur die Schulen baulich angepasst werden müssten, die auch die entsprechenden Förderschwerpunkte abdecken. Das Kultusministerium wolle in Sachen Schulbau und Inklusion gar nicht wirklich wissen, ob und wie die Kommunen sich dieser Herausforderung stellten, monierte Degen.

Roman George