Podiumsdiskussion "Zeit für die Zukunft - Hochschule 2030"

Zu den prekären Arbeits- und Studienbedingungen an hessischen Hochschulen

Die GEW Hessen veranstaltete am Mittwoch, den 17. Mai, eine Podiumsdiskussion zum Thema “Zeit für die Zukunft - Hochschule 2030” im Philipp-Scheidemann-Haus Kassel. Moderiert von Tobias Cepok (Referent für Hochschule der GEW Hessen) diskutierten die Gäste Angela Dorn (Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst), Prof. Dr. Ute Clement (Präsidentin der Universität Kassel), Richard Finger (AStA der Universität Kassel) und Dr. Alexander Gallas (Uni Kassel unbefristet und wissenschaftlicher Mitarbeiter) über die hochschulpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre im Land Hessen und an der Universität Kassel. Dabei wurden sowohl Probleme und Erfolge hervorgehoben und ein Ausblick auf die weitere Entwicklung gegeben. Wichtiges Thema in der anschließenden Diskussion war die Frage nach einer breiten Entfristung des Mittelbaus an Hochschulen und nach einem grundlegenden Systemwechsel des hierarchisch strukturierten Wissenschaftsbetriebes.
 

Das Themenspektrum der Veranstaltung war durch die unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen der Gäste umfassend. Die Diskussion wurde durch die Frage der Beschäftigung und Dauerstellen an den Hochschulen beherrscht. Insbesondere Dr. Gallas und Richard Finger plädierten nachdrücklich für die Entfristung von Stellen im Mittelbau. Gallas, der selbst seit vielen Jahren in einem befristeten Arbeitsverhältnis tätig ist, betonte seine persönlichen Erfahrungen und machte auf die prekären Arbeitsbedingungen aufmerksam, denen ein Großteil des wissenschaftlichen Personals ausgesetzt ist. Er forderte einen grundlegenden Systemwechsel und verwies auf das Berliner Hochschulgesetz als Beispiel dafür, wie eine nachhaltige Veränderung erreicht werden kann. Gallas argumentierte, dass unsichere Arbeitsbedingungen ein Innovationshemmnis darstellen und dazu führen, dass die Forschung eher risikoarm als risikoreich betrieben wird. Er warnte davor, dass die Hochschulen als Arbeitgeber an Attraktivität verlieren und talentierte Menschen in Zukunft vermehrt in die Privatwirtschaft abwandern könnten.
 

Ministerin Angela Dorn hob in ihrer Argumentation die Errungenschaften und Ziele ihrer Arbeit hervor. Sie betonte die Schaffung einer sicheren Finanzierung sowie gute und zukunftsorientierte Ziele durch den Hochschulpakt und den Kodex für gute Arbeit. Der Hochschulpakt ermögliche eine verlässliche Steigerung der Finanzierung und eine stabile Grundfinanzierung der Hochschulen. Der Kodex ziele darauf ab, Dauerstellen für Daueraufgaben zu schaffen. Dorn argumentierte gegen eine umfassende Entfristung des Mittelbaus und betonte die Notwendigkeit, die Durchmischung von Privatwirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft aufrechtzuerhalten. Sie warnte davor, dass eine Entfristung zu weniger Geld für Professuren führen würde und dass viele Promovierte gar nicht an den Hochschulen bleiben möchten. Dorn sprach sich gegen Kettenverträge aus und betonte die Potenziale einer stärkeren Kooperation zwischen den hessischen Hochschulen. Sie zeigte sich nicht überzeugt von einer stärkeren Partizipation der Studierenden und erklärte, dass dies daher nicht auf ihrer Agenda stehe.
 

Richard Finger unterstützte die Forderung nach Entfristung und machte auf die langjährigen Bestrebungen der Studierenden und Beschäftigten an den Universitäten aufmerksam. Er betonte die Unterrepräsentation von Studierenden und Mitarbeitenden in Entscheidungsprozessen und verwies auf die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen viele Studierende konfrontiert sind. Insbesondere die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die stark zunehmende Inflation hätte die finanzielle Lage vieler Studierender verschärft. Finger hob hervor, dass in Kassel die Studierenden im Durchschnitt ein geringeres Einkommen haben und daher noch stärker von diesen Problemen betroffen sind. Er kritisierte die bisherige Planlosigkeit bezüglich des Deutschland-/Semestertickets und forderte eine komplette Ausfinanzierung der Studierendenwerke, um die Grundversorgung der Studierenden sicherzustellen. Zugleich hob er das Engagement des Landes Hessen in der finanziellen Unterstützung der Studierendenwerke während der Pandemie positiv hervor.
 

Präsidentin Ute Clement präsentierte die besondere Ausrichtung der Universität Kassel als demokratische Hochschule und betonte die Vision einer nachhaltigen, demokratischen und interdisziplinären Universität. Sie sprach sich dafür aus, mehr Dauerstellen zu schaffen, insbesondere für Daueraufgaben. Allerdings äußerte Sie Bedenken gegenüber einer breiten Entfristung des Mittelbaus und betonte die Nachteile einer solchen Maßnahme. Clement argumentierte, dass eine Durchmischung von Privatwirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft nicht mehr stattfinden würde, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Entfristung an den Hochschulen gehalten werden. Zudem wies sie darauf hin, dass bei einer Garantie für Dauerstellen am Ende weniger Stellen zur Verfügung stünden und nicht alle, die dies möchten, promovieren könnten.
 

Fazit der Diskussion

Die Podiumsdiskussion bot einen breiten Einblick in die unterschiedlichen Positionen zur Hochschulpolitik in Hessen und speziell in Kassel. Die kontroversen Diskussionen verdeutlichten die Herausforderungen und die vielschichtigen Aspekte, die mit der Frage der Beschäftigung und Dauerstellen an Hochschulen einhergehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Entscheidungsträger in Hessen mit Blick auf die Zukunft der Hochschullandschaft positionieren werden und welche Maßnahmen letztendlich ergriffen werden, um die prekären Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Hochschulen als attraktive Arbeitgeber zu erhalten.