Praxis und Schule

Verbesserungen bei PuSch A und Aus für PuSch B

HLZ 2022/4: Berufsausbildung

Seit 2015 gibt es das Programm „Praxis und Schule“ (PuSch) für Schulen der Sekundarstufe I (PuSch A) und für die Beruflichen Schulen (PuSch B). Es wird unter anderem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert und soll Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Lern- und Leistungsrückständen zum Hauptschulabschluss führen. Kleinere Lerngruppen, betriebliche Praxisanteile und sozialpädagogische Unterstützung sollen den Übergang in eine betriebliche Ausbildung erleichtern.

Das Hessische Kultusministerium (HKM) plant, PuSch A ab dem nächsten Schuljahr in leicht veränderter Form fortzusetzen, und hat dazu den Entwurf für eine Verordnung zur „Neuregelung der Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug an allgemeinbildenden Schulen“ und einen entsprechenden Ausführungserlass vorgelegt. Für die Schuljahre 2022 bis 2028 soll die Mindestzahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse von 13 auf 10 und die Höchstzahl von 18 auf 16 reduziert und die sozialpädagogische Betreuung von einer halben auf eine ganze Stelle aufgestockt werden. Außerdem können jetzt auch Jugendliche mit festgestelltem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung aufgenommen werden. Die Maßnahme kann wie bisher ein Jahr oder zwei Jahre dauern, muss in einer eigenen Klasse durchgeführt werden und kann nur erfolgen, wenn mindestens eine parallele Regelklasse vorhanden ist. Auch die Verteilung der Unterrichtsstunden und der betrieblichen Praktikumsanteile bleibt gleich, ebenso der Praxistag in einer beruflichen Schule.

In ihrer Stellungnahme zu den Plänen des HKM bekräftigt die GEW Hessen ihre grundsätzliche Haltung, die sie bereits zum Vorgängerprojekt „Schule und Beruf“ (SchuB) und zur Einrichtung von PuSch im Jahr 2015 eingenommen hatte. Sie plädiert „für ein Schulwesen, in dem alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Fähigkeiten optimal gefördert werden: Alle gehören dazu, alle sind willkommen, niemand darf ausgegrenzt und beschämt werden“. Bei angemessenen Gruppengrößen und ausreichend Zeit sei die Heterogenität von Lerngruppen „ein nicht hoch genug einzuschätzendes Moment von Bildung“.

PuSch kann im Rahmen des gegliederten Schulsystems Erfolge vorweisen, weil gute Rahmenbedingungen – relativ kleine Lerngruppen, gute Lehrerversorgung und intensive zusätzliche Betreuung durch sozialpädagogische Fachkräfte - vorhanden sind. So ist es gelungen, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die einen Hauptschulabschluss erreicht haben, zu steigern.

Die GEW begrüßt die vorgesehene Verkleinerung der Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug und den vorgesehenen Ausbau der sozialpädagogischen Begleitung im Umfang von einer Stelle je Klasse. Die GEW weist allerdings darauf hin, dass sich in der Schulpraxis die Gewinnung der benötigten Fachkräfte aufgrund des Mangels in den sozialpädagogischen Berufen ausgesprochen schwierig gestaltet. Daher muss sichergestellt werden, dass hierzu nicht beispielsweise die an einer Schule beschäftigte UBUS-Kraft herangezogen wird.

Der mit der Einführung von PuSch eingeschlagene Weg soll nun jedoch fortgeführt werden. Es wird also weiterhin ein Mehr an betrieblicher Praxis in das ohnehin anspruchsvolle 9. Schuljahr gepackt, ohne dass sich die Schulbesuchszeit insgesamt verlängert. Bei einer zweijährigen Durchführung gehen die Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug schon in der Jahrgangsstufe 8 deutlich auf Kosten des Fachunterrichts. Die vorgesehene Stundenzahl insbesondere in den Naturwissenschaften fällt dann deutlich geringer aus,  obwohl gute Kenntnisse in den typischerweise angestrebten Berufsfeldern von elementarer Bedeutung sind.

Ähnliches gilt für die Reduktion des Bereichs Politik und Wirtschaft auf zwei Stunden. Die hohe gesellschaftliche Bedeutung, die diesen beiden Feldern aktuell zukommt, muss hier nicht noch einmal begründet werden.

Für Integrierte Gesamtschulen steht die Einrichtung von Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug in einem Spannungsverhältnis zu ihrem integrativen Konzept. Für die GEW ist die Einrichtung solcher Klassen nur im Rahmen einer pädagogischen Einzelfallentscheidung durch die schulischen Gremien denkbar. SchuB, die von PuSch 2015 abgelöste Vorgängermaßnahme, ermöglichte an Gesamtschulen ein additives Förderkonzept, so dass Schülerinnen und Schüler in ihren angestammten Lerngruppen bleiben konnten. Darüberhinaus weist die GEW auf folgende Probleme hin:

  • Für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache, die aus einer Intensivmaßnahme in eine Lerngruppe mit erhöhtem Praxisbezug übergehen, ist eine Fortsetzung der Sprachförderung sicherzustellen.
  • Insbesondere in den Gesamtschulen sollte es keinesfalls zu einer Vorverlegung der Differenzierung bereits in den Jahrgang 8 kommen. Vielmehr sollte die Bildung dieser Lerngruppen auf den Jahrgang 9 beschränkt bleiben.
  • Die Öffnung für Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf darf nicht dazu führen, dass sich Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug zu „Förderschulklassen“ entwickeln. Dies würde dem Ziel eines inklusiven Schulsystems widersprechen.
  • Insgesamt reicht das Angebot bei weitem nicht für alle Schülerinnen und Schüler aus, die einer gezielten Förderung zum Erreichen des Hauptschulabschlusses bedürfen.

Skandalöses Aus für PuSch B 

Die GEW Hessen lehnt die Streichung von PuSch B an berufsbildenden Schulen ab (HLZ S. 15). Zwar fokussieren sich die derzeitigen Aktivitäten auf die Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung (BÜA), doch hat diese immer noch den Status eines Modellversuchs. Der Zugang zu BÜA ist zudem Schülerinnen und Schülern verwehrt, die älter als 18 sind. Im Rahmen von PuSch B werden zum Teil auch noch 19-Jährige beschult. Weiterhin wechseln auch ehemalige BÜA-Schülerinnen und -Schüler in PuSch B, wenn sie nach der BÜA-Stufe I abgehen müssen und keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.


Christoph Baumann und Roman George