2019: Vergleichsarbeiten abschaffen!

15. April, 24. Mai VERA 3

18. Februar bis 5. April VERA 8

Ein anderer Erfahrungsbericht

 

Aus HLZ 3/2019 Koalitionsvertrag: Wortlaut und Stellungnahmen

Die zentralen verpflichtenden Lernstandserhebungen für die 3. Klassen und 8. Klassen finden im Zeitraum zwischen dem 15. April und 24. Mai 2019 (VERA 3) und vom 18. Februar bis 5.April 2019 (VERA 8) statt. Im  Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN für die Legislaturperiode des Landetags von 2019 bis 2023 findet man im Kapitel „Entlastung für Schulen und Lehrkräfte“ einen ersten Reflex auf die Forderung der GEW Hessen, diese Vergleichsarbeiten abzuschaffen: „Bei der Umsetzung der bundesweiten Vergleichsstudien (VERA 3 und VERA 8) werden wir Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung der Vergleichsarbeiten im Rahmen der länderübergreifenden Vereinbarung nutzen. Ziel ist es, den Arbeitsaufwand für die Schulen zu senken und den praktischen Nutzen zu erhöhen.“
Die HLZ veröffentlicht im Folgenden einen ganz besonderen Erfahrungsbericht. Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt.

Letztes Schuljahr war es wieder so weit, meine dritte Grundschulklasse war an der Reihe, die vom Kultusministerium vorgeschriebene Vergleichsarbeit VERA zu schreiben. Alle drei Jahre muss ich mich mit einer Sache auseinandersetzen, deren Sinn sich mir auch nach vielen Jahren Berufserfahrung – ich bin seit 22 Jahren im Schuldienst – noch immer nicht erschlossen hat. Gerade in der heutigen Zeit, in der mein Unterricht aufgrund der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler extrem differenziert werden muss, soll ein standardisiertes Verfahren mit denselben Aufgaben für alle Kinder abbilden, auf welchem Lernniveau die Kinder stehen und wie ich sie richtig fördern kann? Kinder, die ich seit drei Jahren differenziert und sorgfältig unterrichte?

Alle Argumente und Rückmeldungen, die ich immer brav und fleißig am Ende der Eingabe der VERA-Vergleichsarbeit eingegeben habe, wurden seitens des Hessischen Kultusministeriums (HKM) schlicht und einfach ignoriert. Auf meine Bedenken und Vorschläge für Veränderungen gab es nie eine Rückmeldung. Dafür bekam die Schulleitung eine Rückmeldung, wie unser Jahrgang landesweit abgeschnitten hat, und ich konnte mir zu jedem einzelnen Kind eine Statistik ansehen, eine Statistik, die mich kein bisschen weitergebracht hat, da sie sich auf den Lernstand meiner Kinder an einem einzigen Tag bezog und keinerlei Heterogenität abbildete. Ja, ich sollte sogar die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf als „krank“ eintragen!
Die Eingabe der Fachnote habe ich übrigens immer verweigert, da sich mir nie erschlossen hat, warum diese für die Lernstandserhebung relevant sein soll. Denn auch sie spiegelt ja nicht wider, wie sich ein Kind entwickelt hat und arbeitet. Zudem ignoriert sie unterschiedliche Leistungen in den verschiedenen Bereichen des Faches, in Deutsch z.B. Lesen, Rechtschreibung, Aufsatzerziehung oder Grammatik.

Nachdem ich einige Jahre erfolglos versucht hatte, an diesem Verfahren etwas zu ändern oder die Durchführung gemeinsam mit Kolleginnen zu verweigern – worauf prompt eine schriftliche Dienstanweisung folgte - hatte ich 2018 eine andere Idee. Ich ließ die Kinder die Lernstandserhebungen schreiben und habe sie auch brav kontrolliert und meine Schlüsse daraus gezogen. Schließlich sollte man mir nicht vorwerfen können, ich sei zu faul, dies zu tun. Aber meine Rückmeldung an das HKM erfolgte ausschließlich in Form von Nullen So war die Eingabe innerhalb von zehn Minuten beendet, indem ich bei allen Aufgaben bei jedem Kind null Punkte eintrug.

Meine Kolleginnen und Kollegen im Jahrgang konnte ich ermutigen, es mir gleich zu tun. Wir waren gespannt, was passieren würde. Würde unsere Schule nun als Schlusslicht in der landesweiten Erhebung besondere pädagogische Hinweise und Maßnahmen erhalten, wie man dieses „dramatische“ Ergebnis verbessern könne? Nichts dergleichen geschah. Seit den Sommerferien 2018 warte ich täglich auf eine RÜckmeldung des HKM - bisher vergeblich. Mein persönliches Fazit: Diese Erhebungen und ihre Ergebnisse sind für niemanden relevant, sie helfen weder den Kindern noch sind sie für mich und meine Arbeit hilfreich. Nichts rechtfertigt den immensen Arbeits- und Zeitaufwand dieser Erhebungen in einer Zeit, in der der Alltag von Lehrerinnen und Lehrern von vielfältigen Überlastungen geprägt ist und unsere Arbeitszeit schon lange nicht mehr messbar ist. Ich habe deshalb beschlossen, mich endlich ein Stück weit selbst zu entlasten und werde auch in den kommenden Jahren mit VERA so verfahren wie dieses Jahr. Vielleicht gebe ich beim nächsten Mal bei jeder Aufgabe jedem Kind die volle Punktzahl. Man soll ja nicht immer defizitorientiert denken und handeln.