Koalitionsvertrag: Schulischer Ganztag

Bildungsauftrag statt Aufbewahrung! | HLZ Februar 2024

Der Koalitionsvertrag sieht den „Ausbau der ganztägigen Angebote“ und „die Ermöglichung von Bildungschancen“ vor. Hierfür sollen vom Land die „notwendigen Ressourcen“ zur Verfügung gestellt werden. Dies lesen wir doch so erst einmal sehr gerne. Ab 2026 soll der Rechtsanspruch auf Ganztag umgesetzt werden. Der Ganztag ist ein Bildungsauftrag und nicht eine reine Aufbewahrung für die Kinder berufstätiger Eltern. Allen Kindern muss die Chance auf Ganztagsbildung zugänglich sein, unabhängig von ihrer Herkunft. Die Ressourcen sind vielfältiger Art, aber überhaupt ist es wichtig, diese zu ermitteln und zu kennen. Die Landesregierung hat bis jetzt die Augen vor dem tatsächlichen Zustand verschlossen.


Neben den vielen Menschen, die im Ganztag gebraucht werden, zählen auch die Räumlichkeiten zu den Ressourcen. Jede Schule braucht einen Speiseraum mit Vorbereitungsküche. Jede Schule braucht Bereiche für Freizeit, Bewegung, Spiel und kreatives Gestalten. Jede Schule braucht Gruppenarbeitsräume, Arbeitsräume für die Beschäftigten und Ruheräume. Jede Schule braucht eine Schulbibliothek, eine Mediathek und Computerräume. Dies alles natürlich barrierefrei. Bei dem momentan herrschenden Investitionsstau an den hessischen Schulen sehe ich dies bis 2026 nicht als lösbar an.


Mit Sicherheit ist es nicht der richtige Weg, eine möglichst breite Einbindung der Vereine anzustreben. Dies ließe viel Spielraum, die Verantwortung für den Ganztag weitgehend in die Hände von Vereinen, Elterninitiativen, Ehrenämtlern und Seniorinnen und Senioren zu legen. Erforderlich ist aber gut qualifiziertes pädagogisches Personal, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Schulgesundheitsfachkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Die vermeintliche Freiheit der Schulen, über die Form des Angebots selbst zu entscheiden, ermöglicht es, das vorhandene Flickwerk weiter bestehen zu lassen. Jede Schule macht den eigenen Ganztag. Ein Ganztag, wo Honorarverträge ohne Tarifbindungen, in scheinselbständiger Tätigkeit und ohne Vertretung durch Personal- oder Betriebsräte bestehen.


Auch wir stehen für „pädagogisch und qualitativ hochwertige ganztägige Angebote mit klar definierten Standards“. Qualitätsstandards, die genau beschrieben und abgesichert werden müssen. Diese Entwicklung darf nicht nur vom Schreibtisch aus geschehen. Die Fachkräfte, die täglich die Arbeit im Ganztag mit den Kindern leisten, müssen mit ihren Expertisen einbezogen werden. Gemeinsam von allen Beschäftigten in Schule und Jugendhilfe, in Unterricht und Betreuung müssen die Standards auf Augenhöhe entwickelt werden.


Wir brauchen Ganztagsschulen mit einem gebundenen, rhythmisierten Angebot, das Unterricht, Entspannung, Bewegung und Betreuung miteinander vernetzt. Wir brauchen attraktive Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung für alle Beschäftigten. Es genügt nicht, im Hessischen Schulgesetz den „Pakt für den Nachmittag“ durch den „Pakt für den Ganztag“ zu ersetzen! Gespannt schauen wir darauf, wie diese geschriebenen Worte mit Leben gefüllt werden.

 

Auszug aus dem Koalitionsvertrag:

Wir wollen ganztägige Angebote weiter ausbauen und auch die notwendigen Ressourcen von Seiten des Landes zur Verfügung stellen, denn der Ausbau der ganztägigen Angebote dient einerseits der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andererseits der Ermöglichung von Bildungschancen. (S. 8)
 
Den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen werden wir vollständig umsetzen und für eine möglichst breite Einbindung der Vereine und außerschulischen Angebote sorgen. Diesen werden wir gemeinsam mit den Schul- und Jugendhilfeträgern erfüllen, indem wir gezielt in Personal für ganztägige Angebote investieren und die erforderliche Ressourcenausstattung für eine bedarfsgerechte, quantitative und qualitativ hochwertige Umsetzung in allen Schulen mit Kindern der Primarstufe nach klar definierten Standards sicherstellen. Beim Ausbau im weiterführenden Bereich sind für uns die Prinzipien der Wahlfreiheit und der Bedarfsorientierung leitend. Der Ganztag kann in Form von teilgebundenen, gebundenen oder anderen ganztägigen Angeboten eingerichtet werden. (S. 9)
 
Wir stehen für pädagogisch und qualitativ hochwertige ganztägige Angebote mit klar definierten Standards. Wir wollen auch in Zukunft den Pakt für den Ganztag stärken. (…) Wir stehen hinter Kooperationen zwischen Schulen und dem örtlichen Ehrenamt, (…). Zudem sollen mit den Schulträgern mehr Seniorinnen und Senioren für die Mitarbeit im Ganztag – beispielsweise im Rahmen von Vorlesetagen – gewonnen werden. (S. 9)