GEW für mehr Bildungsgerechtigkeit

Weitere Zusammenarbeit im Bündnis geplant

 

Im September 2014 lud die Landesregierung Organisationen, Verbände und Parteien zu einem „Bildungsgipfel“ ein, um „eine langfristige Verständigung über schulische Bildung in Hessen zu erreichen und Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schulträgern Planungssicherheit zu geben“. Die GEW Hessen beschloss nach ausführlichen Diskussionen der Einladung zu folgen, um ihre Forderungen einzubringen und Kompromisse auszuloten.

Eine ernsthafte Diskussion fand in den verschiedenen Arbeitsgruppen des Bildungsgipfels nicht statt. Wichtige inhaltliche Themen spielten auf dem Bildungsgipfel keine Rolle. Alles schien nur dem Zwecke zu dienen, die Akteure so lange mit Nebenfragen zu beschäftigen, bis sie vergessen haben, warum sie gekommen sind.

Die  GEW hat immer wieder die Arbeitsweise des Bildungsgipfels kritisiert. Die Einschätzung war klar: Es sollte das, was die Landesregierung ohnehin plant, als „Bildungsfrieden“ deklariert werden.

Auch die Zusammensetzung des Bildungsgipfels hat die GEW heftig kritisiert. Der von rund 50.000 Lehrerinnen und Lehrern gewählte Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL) war erst gar nicht eingeladen, anders dagegen CDU-nahe Organisationen wie der RCDS und die Schülerunion. Der Bildungsgipfel drohte deshalb zur Farce zu werden. 

Vor der zweiten Plenarsitzung Ende Januar stellten deshalb die Vertretungen von Eltern, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ihre weitere Teilnahme am Bildungsgipfel in Frage: In einer gemeinsamen Erklärung forderten Landesschülervertretung (LSV), Landeselternbeirat (LEB), GEW, Elternbund Hessen (ebh) und VBE einen „Bildungsgipfel, der seinen Namen auch verdient“, statt den Vorgaben der Moderation und regierungsnaher Akteure zu folgen.

Kultusminister Alexander Lorz (CDU) erklärte angesichts des drohenden Scheiterns des Bildungsgipfels umgehend seine „Gesprächsbereitschaft“. Am 27. Januar 2015 fand ein Gespräch mit den Kritikern statt, bei dem Lorz Korrekturen in Aussicht stellte. Inzwischen wurde der HPRLL förmlich eingeladen und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen verändert. Auf dem 3 Tage später stattfindenden Bildungsgipfel wurde diese Haltung durch die anwesenden Regierungsmitglieder bestätigt. 

Skepsis bleibt aber auch sicherlich weiterhin angebracht. Wenn die Landesregierung wirklich den Konsens will, muss sie ihre bisherige Planungen etwa beim „Pakt für den Nachmittag“ und bei der Einrichtung von „Modellregionen Inklusion“ auf den Prüfstand stellen. 

Auf seiner letzten Sitzung hat der Landesvorstand der GEW es als Erfolg des geschlossenen Vorgehens des Bündnisses bewertet, dass die CDU-Fraktion auch Verhandlungsbereitschaft zum Komplex „Länger gemeinsam Lernen“ signalisiert hat. Jetzt kommt es aber darauf an, sich gemeinsam im Bündnis weiterhin eng abzustimmen, um wichtige inhaltliche Themen nicht nur in den Arbeitsgruppen zum Thema zu machen, sondern auch Forderungen durchzusetzen.

Eine zentrale Forderung des Bündnisses ist die Entkoppelung des Bildungserfolgs von der Herkunft der Schülerinnen und Schüler. In dieser Hoffnung beteiligt sich die GEW Hessen zunächst weiter am Bildungsgipfel und wird alle Diskussionen auch öffentlich kritisch begleiten.

‚Schulfrieden’ ist ohne ein deutliches Mehr an sozialer Gerechtigkeit nicht denkbar: Längeres Gemeinsames lernen, Verwirklichung der Inklusion und die Einrichtung echter Ganztagsschulen

Auf dem Hintergrund einer von Bündnis90/Die Grünen im Landtagswahlkampf unter dem Motto ‚Schulfrieden’ geführten Debatte, hat die Hessische Landesregierung vor einigen Monaten einen sogenannten Bildungsgipfel ins Leben gerufen.

Unsere erste Zwischenbilanz vor dem zweiten ‚Gipfeltreffen’ ist allerdings mehr als ernüchternd:

  • Politisch einseitige Zusammensetzung
  • Endlose, wenig zielgerichtete Debatten
  • Keine konzeptionellen Vorlagen zur Überwindung sozialer Benachteiligung im Schulbereich

Auch findet inhaltlich kein Bezug zur gleichzeitig stattfindenden Enquetekommission Bildung des hessischen Landtags statt. Inzwischen droht deswegen der gesamte Bildungsgipfel zur Farce zu werden. In stundenlangen Gesprächen in riesigen Runden werden Dissense wegmoderiert und nicht in Hinblick auf soziale Kompromisse weiter entwickelt. Eine Konzentration auf wichtige soziale Fragen findet nicht statt.

Bei der Zusammensetzung des Bildungsgipfels und der Arbeitsgruppen hat die Landesregierung ihre parteipolitische Neutralitätspflicht verletzt. Insbesondere hat das HKM gezielt der CDU nahe Gruppen wie den Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), die Schülerunion (SU) und die Arbeitsgemeinschaft Christlich Demokratischer Lehrer (ACDL) zum Bildungsgipfel eingeladen. Darüber hinaus wurde die gewählte Vertretung von mehr als 50.000 Lehrerinnen und Lehrern, der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer nicht nur nicht eingeladen, sondern auf dessen Beteiligungsbitte hin sogar explizit ausgeladen. Offenkundig erscheint dem HKM die Teilnahme des ACDL wichtiger.

Ein Bildungsgipfel, der seinen Namen auch verdient, muss so zusammengesetzt und aufgestellt sein, dass er in der Lage ist, die wichtigen Fragen der Zeit auch zu bearbeiten, zu wirklichen Verbesserungen zu führen. Wer Schulfrieden als Ziel ausgibt, muss die Fragen der sozialen Ungerechtigkeit des Schulwesens ins Zentrum des Bildungsgipfels stellen: 

1. Der Bildungserfolg darf nicht länger von der Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängig sein

Um dies zu ermöglichen, sind längeres gemeinsames Lernen sowie eine veränderte Unterrichts- und Bewertungskultur ebenso notwendig wie der Abbau von Selektionsstrukturen und -mechanismen im Bildungssystem. Dort, wo es Bildungsbenachteiligungen gibt, müssen sie abgebaut werden. Die vorherrschende Ausdifferenzierung des Bildungssystems (ca. 14 verschiedene Schulformen in der Sekundarstufe 1) muss sukzessive abgebaut werden. Das Gymnasium hat dabei keinen Unantastbarkeitsanspruch, es darf nicht von vorneherein außen vor gelassen werden.

2. Die Verwirklichung von Inklusion erfordert einen klaren Zeit- und Ressourcenplan

Auch Hessen ist der Verwirklichung der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. Dennoch ist Inklusion kein Selbstzweck, sondern es geht um Lernanreize für alle Kinder, um kürzere Schulwege und das Aufwachsen aller Kinder im heterogenen Umfeld. Deshalb darf Inklusion – wie im Schulgesetz geschehen – nicht von Ressourcen abhängig gemacht werden. Vielmehr ist die Landesregierung verpflichtet, die für erfolgreiche Inklusion notwendigen Stellen und Mittel zur Verfügung zu stellen. Für eine konsequent strukturierte Umsetzung ist deshalb ein konkreter Zeit- und Ressourcenplan unabdingbar.

3. Der Ausbau echter Ganztagsschulen in Grundschulen und weiterführenden Schulen muss zielgerichtet in Angriff genommen werden

Richtige Ganztagsschulen sind ein entscheidendes Mittel zum Abbau der Vererbung von Bildungsbenachteiligung. Dabei geht es nicht um ein Modell der „Ganztagsschule light“, wie sie der „Pakt für Nachmittag“ vorsieht, und bei der dann auch noch befürchtet werden muss, dass durch Elternbeiträge sogar weitere Barrieren geschaffen werden. Mehr soziale Gerechtigkeit kann nur durch den zielgerichteten Aufbau von wirklichen Ganztagsschulen erreicht werden. Auch hier ist ein klarer Zeitplan erforderlich.

Wir werden unsere Vorstellungen gemeinsam in den Bildungsgipfel am 30. Januar 2015 einbringen. Für uns sind deutliche Schritte in den oben benannten Bereichen jetzt notwendig. Alle anderen Diskussionen lenken nur von diesen wesentlichen Fragen ab und schreiben den Stillstand fort. Dazu erwarten wir von der Landesregierung, unter Einbezug der kontroversen Positionen Vorschläge zu entwickeln und mit dem ernsten Willen zur Einigung in die Diskussion in den Arbeitsgruppen einzubringen.

Wenn die Landesregierung die politisch einseitige Zusammensetzung der Gruppen aufrecht erhält und weiter versucht, die Ergebnisse des Bildungsgipfels in Richtung des Koalitionsvertrags von CDU/Bündnis 90/DieGrünen zu moderieren, in dem die Überwindung der sozialen Benachteiligungen überhaupt nicht angegangen wurde, und die entscheidende ‚Friedensfrage’ nicht konsequent angeht, sehen wir in einer weiteren Mitarbeit keinen Sinn.

LSV, LEB, ebh, VBE, GEW