Der von Kultusminister Lorz behauptete „Ganztagsausbau auf breiter Front“ wird aus Sicht der GEW den Ansprüchen an ein qualitativ hochwertiges Angebot nicht gerecht. Die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, Maike Wiedwald, stellt fest: „Erstens geht der Ausbau zu langsam voran. Zweitens ist die personelle und räumliche Ausstattung völlig unzureichend. Drittens handelt es sich nur bei einem kleinen Bruchteil um echte Ganztagsschulen mit einem rhythmisierten Angebot. Nur solche gebundenenen Ganztagsschulen können einen substantiellen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten. Beim sogenannten Pakt für den Nachmittag geht es aber lediglich um Betreuung.“
Das Kultusministerium hat in einer Pressemitteilung vom 21. Juni 2016 bekannt gegeben, dass zum Schuljahresbeginn 2016/2017 65 Grundschulen neu am Pakt für den Nachmittag teilnehmen sollen. Hinzu kämen 34 Grundschulen von Schulträgern, die sich noch nicht am Pakt beteiligen, sowie 45 weiterführende Schulen. Zusätzliche Schulen könnten zudem ihr bestehendes Angebot ausweiten, indem sie ihr Profil ausbauen oder das Profil wechseln. Der Anteil der ganztägig arbeitenden Schulen erhöhe sich insgesamt auf 63 Prozent.
Zum Hintergrund: Ganztägige Angebote werden in Hessen nach drei Profilen unterschieden. Die meisten Schulen befinden sich im Profil I, das nicht mehr als ein Angebot bis 14:30 Uhr an drei Tagen pro Woche beinhaltet. Beim Pakt für den Nachmittag verantwortet die Kommune die Betreuung von 14.30 bis 17:00 Uhr. Auch an Angeboten im Profil II können Schülerinnen und Schüler freiwillig am Nachmittag bis 17.00 teilnehmen. Häufig werden Elternentgelte für die Teilnahme erhoben. Nur Profil III sieht den ganztägigen Wechsel von Unterrichtsphasen und anderen Angeboten an fünf Tagen pro Woche verbindlich vor.
Dem Kultusministerium zufolge arbeiten derzeit nur 85 Schulen als echte Ganztagsschulen nach Profil III – darunter mit einer Zahl von 59 überwiegend Förderschulen. Im neuen Schuljahr sollen neun Schulen hinzukommen. „Den Zahlen des Kultusministeriums zufolge handelt es sich bei lediglich fünf Prozent der Schulen um echte Ganztagsschulen. Nur diese können aber die pädagogischen Vorteile, die der Ganztag bietet, ausschöpfen. Wir benötigen keine Billiglösungen, sondern mehr echte Ganztagsschulen. Diese könnten nicht zuletzt auch einen wichtigen Beitrag bei der Integration von Geflüchteten leisten. Ganztagsangebote müssen darüber hinaus auch für alle Schülerinnen und Schüler in der Inklusion zugänglich sein“, so Maike Wiedwald.
Darüber hinaus betont Maike Wiedwald, dass eine deutlich bessere Ausstattung der Ganztagsschulen erforderlich ist: „Gute Ganztagsschulen benötigen mehr und qualifiziertes Personal. Gegenwärtig erhalten ganztägig arbeitende Schulen oft nicht mehr als eine halbe Stelle zusätzlich.“ Eine im Frühjahr vorgelegte Studie von Prof. Dr. Klaus Klemm und Prof. Dr. Dirk Zorn hat aufgezeigt, dass die Personalausstattung von gebundenen Ganztagsschulen in Hessen (also Profil III-Schulen) hinter der Ausstattung der meisten anderen Bundesländer deutlich zurückbleibt. So belegen die nur sechs hessischen Grundschulen mit Profil III im Bereich der Personalausstattung den drittletzten Platz im Vergleich aller Bundesländer.