Der von Herrn Kultusminister Lorz vorgelegte „Entwurf für ein Abschlusspapier auf der Grundlage der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen des Bildungsgipfels“ ist aus Sicht der Landesschülervertretung (LSV), des Landeselternbeirats (LEB), des Elternbunds Hessen (ebh), des Verbands Bildung und Erziehung Hessen (VBE) und der GEW Hessen nicht dazu geeignet, substantielle Fortschritte in Richtung von sozialer Bildungsgerechtigkeit im hessischen Schulwesen zu erzielen.
Bereits vor dem zweiten Treffen des Bildungsgipfels haben wir gemeinsam deutlich gemacht, dass dieser zu wirklichen strukturellen Verbesserungen führen muss und dabei die Fragen der sozialen Ungerechtigkeit des Schulwesens ins Zentrum gerückt werden müssen. Wichtige Punkte waren und bleiben für uns:
- Der Bildungserfolg darf nicht länger von der Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängig sein
- Die Verwirklichung von Inklusion erfordert einen klaren Zeit- und Ressourcenplan im Sinne der angemessenen Vorkehrungen entsprechend UN-Menschenrechtskonvention.
- Der Ausbau echter Ganztagsschulen in Grundschulen und weiterführenden Schulen muss zielgerichtet in Angriff genommen werden
Nach der Erklärung des CDU Fraktionsvorsitzenden Boddenberg auf dem zweiten Bildungsgipfel, seine Fraktion sei zu Kompromissen in Fragen des längeren gemeinsamen Lernens bereit und nachdem in der AG 1 die Punkte
- ‚Kein Kind zurück lassen’
und
- ‚Der Bildungserfolg darf nicht von den Eltern abhängen’
als Konsense erklärt wurden, gab es unsererseits durchaus die Hoffnung, der Bildungsgipfel könne sich doch noch in eine Richtung bewegen, bei der die Frage der sozialen Ungerechtigkeit substantiell angegangen würde.
Der Verlauf der letzten Arbeitsgruppensitzungen und die Äußerungen von Ministerpräsident Bouffier, dass die hessische CDU „keinen Millimeter von ihrer Grundlinie abgehen“ werde, bei gleichzeitiger Diskreditierung anderer Positionen als „inhuman“, hat für uns endgültig verdeutlicht, warum auf Seiten der schwarz-grünen Koalition keine wirkliche Kompromissbereitschaft in Richtung der oben genannten Ziele erkennbar ist. Dies unterstreicht der von Kultusminister Lorz vorgelegte Entwurf erneut.
Dieser enthält, neben allgemeinen Zustandsbeschreibungen und der Auflistung von langjährigen – großenteils bereits im Schulgesetz auf breiter Basis beschlossenen – Gemeinsamkeiten, aus unserer Sicht keinen substantiellen Ansatz zur Herstellung von mehr sozialer Gerechtigkeit im hessischen Schulwesen. Ebenso ist die geforderte Planungssicherheit für die nächsten 10 Jahre nicht zu erkennen. Es ist nicht erkennbar, wie die derzeitige Koalition eine möglicherweise aus den heutigen Oppositionsparteien gestellte Regierung darauf verpflichten will, diese Bildungspolitik nach einem möglichen Regierungswechsel auf dieser Basis noch weitere fünf Jahre fortzusetzen.
Dabei kritisieren wir auch gemeinsam, dass mit diesem Papier die langjährige politische Linie der Landesregierung fortgesetzt wird, ihrer strukturellen politischen Verantwortung nur unzureichend nachkommen zu wollen und Schulen und Lehrerinnen und Lehrern diese Verantwortung zuzuschieben. Beispielhaft wird dies in Kapitel 3 besonders deutlich: Die Strukturverantwortung und die Ressourcenverantwortung für die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention wird von den politisch Verantwortlichen nicht übernommen. Auch noch durch Unterstreichung wird aber betont, dass „die Haltung der Lehrkräfte und die Ausrichtung der Schule … wesentliche Gelingensbedingung“ sei. Wir betonen hierzu:
Die wesentlichste Gelingensbedingung ist die Haltung der Regierungskoalition und des Kultusministers sowie deren Ausrichtung in der Entwicklungs- und Ressourcenfrage. Es ist für uns völlig unakzeptabel, wenn in dieser zwischenmenschlich und sozial so hochsensiblen Frage von politisch verantwortlicher Seite nach wie vor eine solche Verantwortungs- und damit letztlich auch Schuldverschiebung erfolgt.
Gleichzeitig wird durch allgemein abstrakte Bekenntnisse die Chance vertan, den Schulen durch einen klaren Zeit- und Ressourcenplan Planungssicherheit für die Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention zu geben.
LSV, LEB, ebh, VBE und GEW haben sich fast ein Jahr lang intensiv in die Diskussionen des Bildungsgipfels eingebracht. Vor dem Hintergrund der dort gemachten Erfahrungen und des jetzt vom Kultusministerium vorgelegten Entwurfs kommen wir zu dem Schluss, dass seitens der schwarz-grünen Koalition keine substantielle Bereitschaft für einen Kompromiss in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit und Abbau von Bildungsbenachteiligung vorhanden ist.
Wir bedauern wir sehr, dass ein Scheitern inzwischen unabwendbar ist. Dieses Scheitern geschieht in erster Linie auf dem Rücken der heute bildungsbenachteiligten Schülerinnen und Schüler. Deshalb betonen wir gleichzeitig, dass wir uns im Bündnis weiterhin für ein Schulwesen einsetzen werden, in dem kein Kind zurück gelassen wird und in dem die soziale Herkunft nicht über den Schulerfolg entscheidet. Wir werden uns auch weiterhin für ein Schulwesen einsetzen, in dem die Lehrerinnen und Lehrer Arbeitsbedingungen vorfinden, mit denen sie ihre umfangreichen Aufgaben auch erfüllen können.