Kornelia Hafner

In Memoriam

HLZ 12/2019: Erwachsenenbildung

Bildung ist umkämpftes Terrain. Dies gilt im besonderen Fall für die Erwachsenenbildung und hier auch für die Schulen für Erwachsene (SfE), die als Angebotsschulen die Funktion eines bildungspolitischen Experimentierfeldes wahrnehmen. In der GEW war es die 2012 viel zu früh verstorbene Kornelia Hafner, die als Vorsitzende der Landesfachgruppe Erwachsenenbildung die Debatte bestimmte und vorantrieb. Postum erschien jetzt  unter dem Titel „Das Pentagramma macht mir Pein“ eine von Diethard Behrens und Kornelia Hafner  herausgegebene Aufsatzsammlung „über Bildung, Sozialisationstheorie und Zeit“ (1). Diethard Behrens fasst die Gedanken von Kornelia Hafner zur Erwachsenenbildung im Allgemeinen und zu den Schulen für Erwachsene im Besonderen zusammen.

Die Veränderungen am Arbeitsmarkt haben  auch Einfluss auf die Situation der SfE. Es gibt eigentlich auch einen Bedarf an Höherqualifikation, insofern ist auch die Bedeutung der SfE gewachsen, zumal sie auf die „lost generation“ Rücksicht nehmen sollen. Da die SfE, vor allem die  Abendgymnasien und Hessenkollegs, traditionell auf den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife abzielen, bieten sie dem allgemeinbildenden Schulwesen gleichwertige Abschlüsse.

Die Situation an den SfE ist einerseits durch Lernen und „Umlernen“ bestimmt, andererseits wird eine spezifische auf Erwachsene bezogene Didaktik benötigt, die das Ziel im Auge hat, die Förderung des selbstständigen Lernens und Arbeitens sowie der Reflexion des eigenen Lernens, Denkens, Urteilens und Handelns, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der eigenen Berufs- und Sozialerfahrung bewerkstelligen zu helfen. Das war auch für eine lange Zeit die Ausgangssituation.

Das verweist auf die Diskussion über Didaktik und Sozialisationstheorie, denn gerade die Didaktik steht im Mittelpunkt des Interesses verunsicherter Kolleginnen und Kollegen, die nicht nur mehr Muße, mehr Zeit einfordern, sondern sich auch fragen, wie man mit der neuen Situation umgehen soll, nachdem systemische und kybernetische „Sicherheiten“ verschwunden sind.

Die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen der SfE wird im Kontext einer allgemeinen Politik vollzogen, die die Ökonomisierung des Bildungssektors betreibt (2). Sie betrifft aber nicht nur die Erwachsenenbildung, wenn auch dort augenscheinlich inszeniert, sondern alle Schulen und Bildungseinrichtungen. Gerade im Hochschulbereich wird Politik im Rahmen einer „Ideologie der Rationalisierung von Entscheidungsprozessen“ (3) durch Technik ersetzt. Hier wird die Forschung als Resultante der Ökonomie begriffen, die Einfluss auf technologische Innovation und Verwaltung haben soll. Die zunehmende Verflechtung von Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis verdeckt dabei nur die tatsächliche Interessenlage. Die Hierarchisierung dieses Bereichs gerät nicht nur in Widerspruch mit dem ökonomischen Interesse, insofern die geforderte Effizienz als Prädikat nur ex post erteilt werden kann, sondern auch mit dem wissenschaftlichen Auftrag überhaupt (4).
Die Veränderungen an den SfE und die Angleichung an die Gegebenheiten der gymnasialen Oberstufe (HLZ S.10-11) führten zu einer Verschlechterung der Bedingungen gerade für Studierende mit Migrationshintergrund. Die Möglichkeit, Fachhochschulzentrierungen als Ersatz anzubieten, wurde untersagt, weil diese schon Feld der Berufsschulen seien. Das Interesse, Studierende in „normale“ Berufsperspektiven umzuleiten, dominierte. Gegenüber dieser Politik, die einerseits darauf abzielte, die Erwachsenenbildung zu einem Zweig der Berufsschulen zu machen oder die Studierenden zu zwingen, die Bedingungen quasi externer Bildungsabschlüsse zu akzeptieren, wurde geltend gemacht, dass damit die „Eigenständigkeit“ der Schulen für Erwachsene bedroht sei und sie als „Abteilungen von Beruflichen Schulen“ auch ihr „fachlichprofessionelles Profil“ verlören. Auf diesem Hintergrund erhob Kornelia Hafner bis heute aktuelle Forderungen:
„Sollen die Schulen für Erwachsene weiter die an sie gestellten Aufgaben erfüllen und zudem die Qualität ihres Angebots so verbessern, dass sie ihre Leistungen für die Lernenden optimieren, dann brauchen sie nicht nur eine entsprechende Ausstattung mit unterrichtswirksamen Lehrerstellen und vollständigen Schulleitungen, sondern auch Unterstützung durch eine hessenweit einheitliche Schulaufsicht. Über eine spezifische Lehrerausbildung in der Erwachsenenbildung, wie sie in den Prinzipien des offenen Unterrichts, der offenen Perspektivierung in Fragen der Sachthemen offensichtlich wird, muss ernsthaft nachgedacht werden.“

Diethard Behrens

Diethard Behrens ist Philosoph, Germanist, Historiker, Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zur Marxschen Theorie sowie zur Erkenntnistheorie und Geschichtsphilosophie. Er war bis 2013 Hochschullehrer und ist Mitglied der Landesfachgruppe Erwachsenenbildung der GEW Hessen.


(1) Diethard Behrens und Kornelia Hafner: „Das Pentagramma macht mir Pein“ Über Bildung, Sozialisationstheorie und Zeit. Verlag Königshausen-Neumann 2019. 544 Seiten, 49,80 Euro. Von Kornelia Hafner stammen der Beitrag „Zur Zeitdimension in der Sozialisationstheorie am Beispiel Habermas und Piaget“ (S.225-354) sowie „ein aktualisierender Nachtrag“ und ein Beitrag im Anhang.
(2) GEW Hessen: Gegen die Ökonomisierung der Bildung. 2016.
(3) Claus Rolshausen: Geschäftsleute der Wissenschaft. In: pds, 4. Jg., 1987, H 4, 233-245, hier: 242
(4) Karl-Heinz Sahmel:  Kritische Wissenschaft und Krise von Gesellschaft und Universität. In: pds, 4. Jg., 1987, H 4, 245-54.