Im Jahre 2016 hat die hessische Landesregierung ein Papier zur Digitalstrategie des Landes Hessen vorgelegt. Diese „Digitalstrategie“ soll jetzt fortgeschrieben werden. Auch der DGB wurde zur Stellungnahme aufgefordert und hat dazu einen Vorschlag verfasst. In den Abschnitt 3.1 „Bildungswesen“ wurden dabei die Vorstellungen und Forderungen der GEW eingearbeitet. Im Folgenden Auszüge aus der Stellungnahme die der DGB-Bezirksvorsitzende, Michael Rudolph am 20.11.2020 an die Digitalministerin, Frau Prof. Dr. Sinemus, gerichtet hat.
Auszüge aus der Stellungnahme des DGB Hessen-Thüringen zur Fortschreibung der Digitalstrategie des Landes Hessen
Die aktuelle Fortschreibung der Digitalstrategie hat das Digitalministerium unter das Motto „Der Mensch im Mittelpunkt“ gestellt. Dieses Motto darf nicht nur ein Marketingslogan und eine Worthülse bleiben. Wir fordern, dass die digitalen Technologien für eine menschengerechte Arbeitswelt genutzt werden und für die Bevölkerung des Landes Hessen zu guten Lebensbedingungen führen, die „niemanden zurück lassen“ (UN-Agenda 2030: „Leave No One Behind“).
Der DGB fordert, die Digitalstrategie des Landes an dem Leitbild „Gute(r) Arbeit – Gutes Leben“ aus-zurichten. „Gute Arbeit“ steht im Fokus unserer Forderungen. Dazu gehören tarifvertraglich vereinbarte Löhne, Arbeitsplatzsicherheit, gute Arbeitsbedingungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine hochwertige Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung sowie Mitbestimmung durch Betriebs- und Personalräte. (...)
In unserem Positionspapier zeigen wir neun Schlüsselfelder auf, in denen die Politik aktiv werden muss. Dazu gehören: Aus-/Weiter-bildung und Qualifizierung, Forschung, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitszeit, Mitbestimmung, Beschäftigtendatenschutz, soziale Sicherung und ein handlungsfähiger Staat. Der DGB fordert, die genannten Felder ressortübergreifend zum Schwerpunkt der neuen Digitalstrategie zu machen (...)
Handlungsfeld Bildungswesen
Als Ziel im Abschnitt „Bildungswesen“ wird in der Digitalstrategie von 2016 genannt: „Ausbildung und Weiterbildung müssen flexibel auf die Veränderung der Qualifikationsanforderungen reagieren und Fachkräfte sichern“ (S.11). Die Aufgabe des Bildungswesens wird demzufolge vorrangig in der Sicherung von Arbeitskräften für die Wirtschaft gesehen – jegliche gesellschaftliche Implikationen, Fragestellungen und konstruktive Kritik bleiben damit auf der Strecke.
In der Digitalstrategie heißt es weiter: „In allen Phasen gilt es, die Lehrinhalte kontinuierlich an die digitalen Entwicklungen und digitalisierten Prozesse anzupassen und die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer zu stärken, damit diese eigenständig (auch über die verfügbaren Lehrmittel hinaus) digitale Lehrinhalte und Plattformen in den Unterricht integrieren können“. Statt also digitale Medien zu einem besseren Verständnis und zu einer menschengerechten Gestaltung der Welt zu nutzen, sollen die Lehrkräfte laut der Digitalstrategie dazu beitragen, dass die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendliche, Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende, an die Erfordernisse der digitalen Maschinenwelt angepasst werden. Ein weiteres Ziel dieses wirtschaftsorientierten Ansatzes ist die Steigerung des Konsums digitaler Produkte und Dienstleistungen.
Der DGB lehnt diese vorrangige Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen ab. Wir fordern, die aktuelle Digitalstrategie dahingehend zu überarbeiten, dass v.a. im Bildungsbereich die gesellschaftliche Dimension der Nutzung digitaler Medien neben der wirtschaftlichen und technologischen Dimension gelehrt wird. Wie diese Forderung konkret umgesetzt werden kann, zeigen die Beschlüsse des Geschäftsführenden Vorstands der GEW Hessen vom 29./30.03.2019 und 16.06.2020 auf. (Diese sind abrufbar unter: www.gew-hessen.de/themen/digitale- schule-hessen/.) Wir erwarten, dass die Forderungen aus den Beschlüssen in die neue Digitalstrategie aufgenommen werden. Nicht nur fehlt in den meisten Schulen eine schnelle Internetverbindung, W-Lan und eine flächendeckende Ausstattung mit digitalen Medien, sondern auch eine personelle Ausstattung für IT-Administration und –Support.
Zur „Digitalisierung der Schulausbildung“ heißt es in der Digitalstrategie von 2016: „Das Land Hessen wirkt darauf hin, dass die digitale Kompetenz des Lehrpersonals sowie der Schülerinnen und Schüler konsequent gefördert werden.“ Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn die Förderung der generellen, pädagogisch-didaktischen, politischen, fachlichen usw. Bildung, Weiter- und Ausbildung nicht hinten angestellt wird und auch der kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Implikationen der Digitalisierung der Arbeitswelt und des Alltagslebens der Menschen in Hessen genügend Raum gegeben wird. Wir sehen es kritisch, dass hiervon nichts in der gegenwärtigen Strategie zu erkennen ist. Dies müsste ein Nachfolgetext besser machen. Weiter heißt es in der Strategie: „Die Lehrinhalte in den Grundschulen und weiterführenden Schulen sind den neuen Anforderungen durch den digitalen Wandel entsprechend weiterzuentwickeln.“ Diese Maßnahme ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie sollte allerdings in aller Breite und nicht reduziert auf digitale Themen erfolgen.
Des Weiteren fordert der DGB die Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstelle, die nicht durch die Kultusministerien zugelassene Unterrichtsmaterialien, Wettbewerbe, Bewerbungsportale und ähnliche Angebote prüft und Empfehlungen über die Verwendung herausgibt.
Das Thema „IT-Sicherheit und Datenschutz“ wird im Handlungsfeld „Bildungswesen“ bislang vernachlässigt. Gerade in diesem Bereich fallen jedoch sehr viele sensible Daten an (Noten, Prüfungsergebnisse, individuelle Förderpläne, Gutachten, Gesprächsprotokolle, Laufbahneinstufungen etc.). Daher sollte dieser Bereich in der neuen Digitalstrategie berücksichtigt werden.
Im Gegensatz zur Darstellung in der Digitalstrategie, wonach Hessen als starker und zum Teil weltweit führender IKT-Standort beschrieben wird, sieht es in den Schulen in der Realität äußerst miserabel aus. Daher ist es mehr als überfällig, dass die Landesregierung, ihrer 2016 gemachten Ankündigung, „die IKT-Ausstattung der Schulen (zu) verbessern und das Lehrpersonal optimal auf die Vermittlung digitaler Kompetenz vorbereiten“ endlich Taten folgen lässt. Ein nach wie vor ungelöstes Problem, das seitens des Landes und der Schulträger dringend in Angriff genommen werden muss, sind die IT-Administration und der IT-Support.
Als weitere Maßnahme heißt es in der Digitalstrategie von 2016 abschließend: “Dafür wird das Land eine Strategie erarbeiten.“ Eine solche Strategie für den Bildungssektor gibt es bis heute nicht. Tatsächlich hinkt der Bildungsbereich der technologischen Entwicklung gewaltig hinterher. Dies wurde besonders in der Corona-Krise deutlich. (...)
Schlussbemerkung:
Wir möchten Sie bitten, unsere Anmerkungen aus der vorliegenden Stellungnahme und unseren Positionspapieren in die Digitalstrategie 2030 aufzunehmen. Bei dem von Ihnen initiierten online- Beteiligungsprozess stellen sich gleich mehrere Fragen. So ist beispielsweise unklar, wer wie an der Fortschreibung beteiligt wird und wie die angestrebten Ziele und Maßnahmen letztendlich umgesetzt werden. Wie eingangs beschrieben halten wir ein regelmäßiges Monitoring und eine Evaluierung für notwendig, um den Fortschritt bei der Umsetzung zu begleiten und zu bewerten. Die Ergebnisse sollten der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.