Die Koalition geht das Thema Digitalisierung mit acht Vorhaben an. Die Zielsetzungen lassen erkennen, dass sie sich Rat bei Menschen mit Fachwissen geholt hat. Das allein ist angesichts der seit Jahrzehnten gepflegten Ignoranz gegenüber dem Thema bemerkenswert. Dennoch steht zu befürchten, dass es bei Absichtserklärungen bleibt, wenn wir nicht weiter Druck machen. Die Vorhaben lassen sich den Themenblöcken digitale Infrastruktur und digitale Bildung zuordnen. Gerade bei ersterem hat Schwarz-Rot einige unserer langjährigen Forderungen aufgenommen. Dienstliche Endgeräte sollen endlich auch den sozialpädagogischen Fachkräften zugänglich gemacht werden. Zudem soll es künftig vollwertige Geräte geben, die nicht nur für Unterrichts-, sondern auch für schulverwalterische Zwecke nutzbar sind. Es bleibt zu hoffen, dass für mehr Freiheit bei der Software-Wahl gesorgt wird. Mit dem Ziel, künftig an jeder weiterführenden Schule eine Fachkraft für die Wartung der digitalen Infrastruktur zu beschäftigen, wird sich ebenso den GEW-Forderungen genähert.
Potentiell auf der Habenseite steht zudem das Vorhaben, ein digitales Schulprogramm landesweit bereitzustellen, das die derzeitige Flickschusterei beendet. Die Politik wäre bei der Umsetzung gut durch das Dezernat Medien der Lehrkräfteakademie beraten. Dieses hat mit der Entwicklung des Schulportals bereits gezeigt, wie Digitalisierung von Lehrkräften für Lehrkräfte geht. Mit digitalen Lernräumen in den Schulen wird dagegen ein Vorhaben angegangen, bei dem unsere Bedenken offenbar auf taube Ohren gestoßen sind. Denn im Rahmen der Feuerwehr-Digitalisierung während der Corona-Pandemie ist das informationelle Recht der Lehrkräfte an den eigenen Daten auf der Strecke geblieben. Diese Lernräume sollen hybride Unterrichtsformen ermöglichen und auch langzeiterkrankten Schülerinnen und Schülern zugutekommen. Das ist auf der einen Seite durchaus zu begrüßen, etwa um bei Blitzeis oder Sturm eine Alternative zu haben. Auf der anderen Seite wird hier halluziniert, gute Bildung lasse sich ohne breite personelle Entlastung ins Wohnzimmer streamen.
Beim Thema Datenschutz irritiert das negative Framing als „Digitalisierungsbremse“. Eine bundespolitische Initiative für eine einheitliche Strategie zum Datenschutz an Schulen kann sicherlich nicht verkehrt sein, solange dabei die bürgerrechtlich fortschrittliche Datenschutz-Grundverordnung gewahrt bleibt. Gerade was deren Einhaltung anbelangt, hat Hessen seine Hausaufgaben nicht gemacht. Denn die Schul-ID, an der bislang die dienstliche E-Mailadresse und künftig weitere Services hängen sollen, wird immer noch durch den Clouddienst Microsoft Azure bereitgestellt, der personenbezogene Daten über US-Server den dortigen Nachrichtendiensten ausliefert.
Das Schulfach „Digitale Welt“ wie die weitere Stärkung von Demokratie- und Medienbildung können sicherlich als gutes Zeichen gewertet werden. Die GEW wird darauf drängen müssen, dass den Lehrkräften für die notwendigen Fortbildungen auch die erforderliche Zeit eingeräumt wird. Last but not least entscheidet auch bei der Digitalisierung die finanzielle Unterlegung über das Gelingen. Schwarz-Rot lässt durchblicken, dass die Kommunen als Schulträger in die Pflicht genommen werden sollen. Dazu muss die Landesregierung diesen aber mit ausreichend finanziellen Mitteln und ohne Antragsbullshit unter die Arme greifen.
* Der Autor ist Mitglied der AG Digitalisierung der GEW Hessen.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Wir werden die zentrale Beschaffung und Bereitstellung eines digitalen Schulprogrammes prüfen, das im Funktionsumfang eine Unterrichts-, Stundenplan- und Vertretungsverwaltung beinhaltet. Das Programm sollte per Schnittstelle mit Daten aus der LUSD befüllt werden können, und die Stunden- und Vertretungspläne sollten darstellbar in das Schulportal Hessen exportierbar sein. (…) Um auch Lehrkräfte bei einer zeitgemäßen Unterrichtsgestaltung zu unterstützen und ihnen die Erledigung von Schulverwaltungsaufgaben zu erleichtern, soll ihre Ausstattung mit mobilen Endgeräten, finanziert durch Landesmittel, weiter verbessert werden. Dabei wollen wir die sozialpädagogischen Fachkräfte miteinbeziehen. Die Geräte sollen als Dienstgeräte sowohl zu unterrichtlichen Zwecken als auch für Schulverwaltungsaufgaben einsetzbar sein. (…) Unser Ziel ist es, dass an jeder weiterführenden Schule mindestens eine IT-Supporterin oder ein IT-Supporter seinen Dienstort hat (S. 11)
Damit Datenschutz nicht zur Digitalisierungsbremse wird, wirken wir auf eine bundeseinheitliche Strategie zum Datenschutz in Schulen hin. (…) Das Schulfach „Digitale Welt“ werden wir landesweit ausrollen. Informatik werden wir stärken. In den Jahrgangsstufen 5 und 6 wird das neue Schulfach „Digitale Welt“ flächendeckend eingeführt (…) Wir werden daher Demokratiebildung und Medienbildung als fächerübergreifende Querschnittsthemen in Zusammenarbeit mit externen Partnern weiter stärken und beispielsweise auch verpflichtende Fortbildungen für Lehrkräfte im Bereich Medienbildung einführen. (S. 11 f.)