Zum Studienerfolg im Lehramtsstudium

Aus HLZ 5/2019

Deutschlandweit herrscht aufgrund der Fehlkalkulation der Kultusministerkonferenz und der Kultusbehörden ein akuter Lehrkräftemangel. Die Landesregierung hat inzwischen reagiert, neue Studienplätze geschaffen und weitere Programme für den Seiteneinstieg aufgelegt. Ob diese Maßnahmen ausreichen werden, ist noch nicht absehbar.

Ein möglicher Ansatzpunkt, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen, spielt in der aktuellen Debatte kaum eine Rolle. Gemeint ist die Verbesserung des Erfolgs bei der Lehramtsausbildung. Denn es nutzt wenig, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, wenn nicht gleichzeitig auch die Studienbedingungen so sind, dass ein möglichst großer Anteil das Studium mit Erfolg abschließt. Daher soll im Folgenden untersucht werden, wie groß die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Lehramtsstudiengängen in Hessen ist. Möglicherweise bestehende Diskrepanzen zwischen den einzelnen Hochschulen und auch Veränderungen im Zeitverlauf können gegebenenfalls Hinweise geben, wo Handlungsbedarf besteht.

Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigt auf, dass die Abbruchquote bundesweit beim Lehramtsstudium tendenziell geringer ist als in den meisten anderen Studiengängen.(1) Das gilt sowohl für gestufte Studiengänge wie auch für die klassischen Staatsexamen-Studiengänge, wie sie in Hessen nach wie vor gegeben sind. Nähere Auskunft zum Studienerfolg bei den Lehramtsstudiengängen für die allgemeinbildenden Schulen in Hessen gibt eine Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, welche dieses 2018 im Auftrag der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag erstellt hat. Dieter Dohmen und Maren Thomsen schätzen dabei die Erfolgsquote, indem sie die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in Relation setzten zur Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger im ersten Fachsemester der verschiedenen Lehramtsstudiengänge. Dabei greifen sie für letztere auf die Durchschnittswerte der jeweils vier bis sechs Jahre zurückliegenden Jahrgänge auf. Dabei handelt es sich um ein vereinfachendes Schätzverfahren, dass aber gleichwohl Trendaussagen ermöglicht. So zeigt sich, dass der Studienerfolg zwischen den Lehrämtern variiert. Darüber hinaus – und dies ist angesichts des Lehrkräftemangels ein besorgniserregender Befund – ist der Studienerfolg im letzten betrachteten Jahrgang 2017 gegenüber den Vorjahren deutlich zurückgegangen.(2)

Hier wird die Methodik von Dohmen und Thomsen übernommen. Abweichend wird allerdings der kürzeren Studiendauer beim Grundschullehramt und beim Lehramt für Haupt- und Realschule Rechnung getragen, indem für diese die Studienanfängerzahlen in den drei bis fünf Jahren vor dem Jahr des Studienabschlusses herangezogen werden. Für jeweils drei Jahre wird für die so berechnete Erfolgsquote ein Durchschnittswert ermittelt. Dadurch werden zum einen statistische Ausreißer geglättet, zum anderen werden so Entwicklungstendenzen besser sichtbar. Darüber hinaus wird hier auch das Lehramt für Berufliche Schulen einbezogen. Dies muss allerdings anders gehandhabt werden, da bei diesem zwischenzeitlich Bachelor- und Masterstudiengänge etabliert wurden. Aus diesem Grund werden hier die entsprechenden Absolventinnen- und Absolventenzahlen in Master- Diplom- und Staatsexamen-Studiengängen in Relation gesetzt zu den Anfängerinnen- und Anfängerzahlen in den Bachelor-, Diplom- und Staatsexamen-Studiengängen. Leider nicht möglich ist eine Analyse nach den jeweiligen Studienfächern, da die Hochschulstatistik bei Lehramtsstudierenden nicht systematisch alle gewählten Fächer erfasst.(3)

Lehramt Grundschule

 

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

Gießen

97

131

116

109

95

119

126

130

183

194

323

117

 

74,3%

87,1%

95,7%

83,0%

Frankfurt

149

191

185

181

188

144

110

156

220

175

198

281

 

70,5%

77,2%

83,0%

80,5%

Kassel

92

99

109

133

118

114

105

125

203

222

240

73

 

70,5%

78,9%

99,9%

57,2%

Hessen

341

433

415

427

410

379

344

417

606

591

761

471

 

71,3%

80,1%

92,5%

75,1%

Zahl der Absolventinnen und Absolventen und Erfolgsquote, Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Berechnung

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen im Grundschullehramt schwankte in den letzten Jahren hessenweit um den Wert von 400 pro Jahr. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesamtzahl für Hessen auch Absolventinnen und Absolventen von weiteren Hochschulen zugeschlagen werden, die hier aber nicht gesondert ausgewiesen werden. Das gilt insbesondere für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, an welcher nur das einzelne Fach Musik belegt wird. Während in den Jahren von 2009 bis 2011 rechnerisch rund 90 Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger der Vorjahre ihr Studium erfolgreich abschlossen, waren es im Zeitraum von 2015 bis 2017 nur noch gut 70 Prozent. So verließen im Jahr 2017 hessenweit nur 341 Absolventinnen und Absolventen eine hessische Universität mit dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Grundschulen – die geringste Zahl im gesamten betrachteten Zeitraum. Der Studienerfolg ist an der Universität Gießen tendenziell am höchsten.

Lehramt Haupt- und Realschule

 

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

Gießen

286

328

290

299

252

251

217

254

286

242

151

152

 

65,4%

69,0%

80,9%

58,3%

Frankfurt

198

212

281

240

235

195

232

239

289

293

205

139

 

69,7%

62,5%

56,3%

47,9%

Kassel

135

133

132

158

150

129

144

124

190

193

96

29

 

74,0%

70,3%

68,7%

41,1%

Hessen

625

673

712

703

639

588

593

623

765

728

452

320

 

67,9%

66,8%

67,0%

49,6%

Zahl der Absolventinnen und Absolventen und Erfolgsquote, Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Berechnung

Auch beim Lehramt für Haupt- und Realschule ist die Zahl der Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2017 gegenüber den beiden Vorjahren zurückgegangen. Der Rückgang ist aber geringer ausgeprägt als beim Grundschullehramt. Zwar hat sich die Erfolgsquote nicht wesentlich geändert, gleichwohl bringen im Durchschnitt bei diesem Lehramt rechnerisch nur zwei von drei Studienanfängerinnen und -anfängern ihr Studium zu Ende. Die Erfolgsquote ist an der Universität Kassel am höchsten und hat sich dort im Zeitverlauf am deutlichsten gesteigert.

Lehramt Gymnasien

 

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

Gießen

357

322

343

350

296

275

294

266

226

196

188

105

 

52,8%

65,9%

71,4%

49,6%

Frankfurt

365

331

346

347

314

227

300

229

228

209

162

120

 

77,8%

79,0%

50,6%

37,7%

Kassel

210

193

168

218

231

176

230

206

190

183

111

39

 

59,9%

63,0%

61,9%

57,3%

Marburg

333

354

413

369

286

372

393

339

294

224

173

135

 

68,8%

61,9%

61,7%

46,2%

Darmstadt

104

128

112

148

126

77

65

72

63

55

36

38

 

62,9%

54,4%

47,1%

31,1%

Hessen

1407

1355

1401

1451

1271

1142

1300

1135

1027

887

687

445

 

64,3%

65,4%

59,7%

40,9%

Zahl der Absolventinnen und Absolventen und Erfolgsquote, Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Berechnung

Die Zahl der Abschlüsse für das Gymnasiallehramt hat sich im hier analysierten Zeitraum deutlich erhöht, auch die Erfolgsquote hat sich tendenziell verbessert. Im Jahr 2017 entfiel mit einer Gesamtzahl von 1.407 annähernd jeder zweite von allen Studienabschlüssen auf das Gymnasiallehramt, während es 2006 mit 445 noch ein gutes Viertel gewesen ist. Die Erfolgsquote hat sich insbesondere an der Universität Frankfurt deutlich erhöht, diese liegt nun erkennbar vor den anderen Universitäten.

Lehramt Förderschulen

 

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

Gießen

115

144

118

128

108

117

140

151

128

146

100

132

 

90,5%

93,9%

99,8%

72,4%

Frankfurt

78

83

107

72

70

77

81

102

106

91

84

62

 

89,8%

98,8%

97,9%

65,9%

Hessen

196

227

227

201

178

194

222

253

234

237

184

194

 

91,0%

95,1%

99,1%

69,7%

Zahl der Absolventinnen und Absolventen und Erfolgsquote, Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Berechnung

Das Förderschullehramt ist unter den Lehrämtern für die allgemeinbildenden Schulen einerseits das mit den geringsten Studierendenzahl, andererseits aber auch das mit der höchsten Erfolgsquote: An beiden Standorten, den Universitäten Gießen und Frankfurt, haben in den letzten Jahren rechnerisch neun von zehn Studienanfängerinnen und -anfängern das Studium erfolgreich abgeschlossen.

Lehramt Berufliche Schulen

 

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

Gießen

36

47

23

21

8

11

16

16

8

13

22

18

 

65,6%

63,8%

238,3%

61,0%

Kassel

68

76

84

91

65

80

88

82

103

92

84

86

 

38,2%

38,5%

45,5%

36,9%

Darmstadt

45

56

41

55

48

54

41

36

36

58

60

44

 

68,9%

65,3%

66,9%

97,6%

Hessen

149

179

148

167

124

148

145

158

182

230

205

207

 

49,3%

46,9%

56,5%

58,6%

Zahl der Absolventinnen und Absolventen und Erfolgsquote, Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Berechnung

Wie bereits aufgezeigt, wurde in Hessen einzig das Lehramt Berufliche Schulen auf gestufte Studiengänge umgestellt. Lag die Zahl der Absolventinnen und Absolventen 2006 bis 2009 jeweils noch bei über 200 Personen im Jahr, so hat sich deren Zahl seit 2010 in der Größenordnung von 150 eingependelt. Auch die Erfolgsquote ist im Trend gesunken und liegt deutlich niedriger als in den anderen Lehrämtern: Rechnerisch hat in den letzten Jahren von zwei Studienanfängerinnen und -anfängern nur eine oder einer das Studium abgeschlossen. Besonders gering ist die Erfolgsquote an der Universität Kassel. Im Zusammenhang mit zwischenzeitlich stark zurückgehenden Zahlen in Gießen wird dort für den Zeitraum von 2009 bis 2011 eine, für sich genommen nicht plausible, ungewöhnlich hohe Erfolgsquote ausgewiesen. Das Studium an der Universität Frankfurt wurde zwischenzeitlich eingestellt, schlägt sich aber bis 2010 noch in den Zahlen für das gesamte Bundesland nieder.

Diese Ergebnisse lassen einige Schlussfolgerungen zu, werfen aber auch Fragen auf:

  • Auffällig ist, dass der Studienerfolg sich bei allen Lehrämtern für allgemeinbildende Schulen ab 2009 zunächst erkennbar erhöht hat. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass sich der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte in diesem Zeitraum gedreht hat, so dass die Chancen auf eine spätere Einstellung in diesem Beruf deutlich angestiegen sind. Das könnte die Motivation zum Studienabschluss erhöht haben, anstatt sich beruflich anders zu orientieren. Ab 2015 sind aber wieder geringere Abschlussquoten zu beobachten, welche nicht zuletzt auf schlechtere Studienbedingungen zurückzuführen sein könnten. So ist die Studierendenzahl in Hessen deutlich stärker angestiegen als das wissenschaftliche Personal, die Betreuungsrelationen haben sich demnach deutlich verschlechtert.
  • Besorgniserregend ist auch, dass sich bei zwei aktuellen Mangellehrämtern die Erfolgsquote merklich verschlechtert hat, nämlich beim Lehramt für Berufliche Schulen und beim Lehramt für Grundschulen. Insbesondere hier wären Maßnahmen für eine Verbesserung des Studienerfolgs dringend erforderlich.
  • Eine Analyse nach Studienfächern war, wie aufgezeigt, auf dieser Datenbasis leider nicht möglich. Es gibt allerdings Erfahrungsberichte, die nahelegen, dass diese eine erhebliche Rolle spielen. Entsprechende Auswertungen sollten, auch auf Hochschulebene, angestrebt werden, um besondere Problembereiche identifizieren zu können.
  • Das Lehramt für Förderschulen weist bislang die höchste Erfolgsquote aus. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der seit 2017 vorgenommene deutliche Ausbau der Studienplätze zu einer Verschlechterung der Studienbedingungen führen könnte. Angesichts des auch in diesem Lehramt bestehenden Mangels, ist auch hier Aufmerksamkeit geboten, damit der Ausbau der Studienplätze tatsächlich zu entsprechend steigenden Absolventinnen- und Absolventenzahlen führt.
  • Die Erfolgsquoten der einzelnen Universitäten weichen je nach Lehramt deutlich voneinander ab: Beim Grundschullehramt weist Gießen den besten Wert auf, beim Lehramt für Haupt- und Realschule Kassel und beim Gymnasiallehramt Frankfurt. Möglicherweise ließen sich einzelne erfolgreiche Maßnahmen identifiziere, die auch anderswo als Best-Practice-Beispiele aufgegriffen werden können.

Roman George

(1) Ulrich Heublein/Robert Schmelzer (2018): Die Entwicklung der Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Berechnungen auf Basis des Absolventenjahrgangs 2016, DZHW-Projektbericht, Hannover.

(2) Dieter Dohmen/Maren Thomsen (2018): Prognose der Schülerzahl und des Lehrkräftebedarfs an allgemeinbildenden Schulen in Hessen bis 2030. Endbericht einer Studie für die Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag, Berlin, S. 33-34.

(3) Die erforderlichen Daten wurden dem Autor seitens des Hessischen Statistischen Landesamtes zur Verfügung gestellt. Für die kompetente Beratung und die rasche Zurverfügungstellung sei der Hochschulabteilung des Landesamtes herzlich gedankt.