Der GEW-Landesvorstand forderte im Anschluss an einen Antrag an die Landesdelegiertenkonferenz das Hessische Kultusministerium (HKM) und die Landesregierung auf, endlich alle 4.800 im Landeshaushalt vorgesehenen Stellen für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) zu besetzen, denn auch nach den Einstellungen zum 1. November 2017 bleiben mehr als 350 Stellen nicht besetzt. Sie stehen im Haushalt, wurden aber von vornherein nicht als freie Stellen im Einstellungsverfahren zur Verfügung gestellt.
Im Bereich des Lehramts an Grundschulen gab es 216 Einstellungen, alle Bewerberinnen und Bewerber erhielten ein Einstellungsangebot. Im Rahmen einer Sondermaßnahme des HKM wurden erstmals Kolleginnen und Kollegen mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien (28) bzw. für das HR-Lehramt (23) in das Referendariat für das Lehramt an Grundschulen eingestellt.
Auch im Lehramt an Förderschulen erhielten alle Bewerberinnen und Bewerber ein Einstellungsangebot (110 Einstellungen). Im Bereich des Lehramts an beruflichen Schulen gab es 106 Einstellungen, 13 LiV-Stellen konnten trotz der Einstellung von 25 Quereinsteigern nicht besetzt werden.
Im Bereich des Lehramts an Haupt- und Realschulen wurden 177 neue LiV eingestellt, 194 Bewerberinnen und Bewerber blieben vor der Tür, insbesondere mit den Fächern Deutsch (85), Geschichte (57), Mathematik (55), Biologie (45), Politik und Wirtschaft (30), Erdkunde (26), Sport (20) und auch Evangelische Religion (20). 15 Kolleginnen und Kollegen erhielten schon zum dritten Mal kein Angebot (siehe Kasten). Keine Wartezeiten gab es für die Fächer Chemie, Physik, Informatik, Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache, Ethik, Musik und Kunst.
Beim Lehramt für Gymnasien wurden am 1. November 432 Kolleginnen und Kollegen in den Vorbereitungsdienst eingestellt. 787 blieben ohne Angebot, besonders viele mit den Fächern Deutsch (323), Englisch (214), Geschichte (194), Sport (133), PoWi (104) und Erdkunde (102). Die Fächer, mit denen alle Bewerberinnen und Bewerber eingestellt wurden, entsprechen denen im HR-Lehramt – außer Ethik. Die Bewerbung von 35 Kolleginnen und Kollegen blieb schon zum vierten Mal erfolglos. Diese langen Wartezeiten sind angesichts nicht besetzter, aber im Haushalt vorgesehener Stellen ein Skandal.
Der auf dieser Seite veröffentlichte Brief einer Bewerberin, die zum dritten Mal abgelehnt wurde, macht eindrucksvoll deutlich, wohin die Kürzungspolitik in der Lehrkräfteausbildung führt. Insbesondere im Gymnasiallehramt wurden viele Ausbildungsstellen gestrichen, weil derzeit nicht so viele Gymnasiallehrkräfte gebraucht würden. Die Folgen dieser Politik nach Kassenlage oder ausschließlich nach aktuellem, zum Teil zweifelhaft erhobenem Bedarf sehen wir derzeit vor allem im Bereich der Grundschulen. Steigende Schülerzahlen in den Grundschulen werden schon in wenigen Jahren auch in der Sekundarstufe I ankommen. Und auch die Kolleginnen und Kollegen, die sich nach dem Zweiten Staatsexamen in einem anderen Bundesland bewerben, falls sie in Hessen keine Stelle bekommen, müssen erst einmal eine Chance für ein Referendariat bekommen.
Besonders absurd ist die Argumentation des HKM, dass viele Schulen mit der Einstellung einer LiV überbesetzt wären. Diese Situation hat das HKM selbst geschaffen, weil es die Anrechnung der LiV auf die Stundenbilanz einer Schule in den letzten Jahren von 4,8 Stunden pro LiV auf 6,4 Stunden und dann auf 8 Stunden erhöht hat, statt die Ressourcen für die Entlastung von Mentorinnen und Mentoren und für Doppelsteckungen zu nutzen.
Berufs- und Lebensplanungen sind nicht möglich, wenn Bewerbungen einfach „auf Halde“ gelegt werden. Deshalb fordert die GEW, dass alle 4.800 LiV-Stellen besetzt werden, dass zusätzliche Stellen geschaffen werden, um lange Wartelisten abzu-bauen, die kontraproduktive Anrechnung der LiV auf die Stundenbilanz der Schulen zu reduzieren und den Schulen Anrechnungsstunden für Mentorinnen und Mentoren zuzuweisen.
Heike Lühmann
Heike Lühmann leitete bis November 2017 das Referat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand im Team mit Franziska Conrad und Andrea Gergen.