Referendariat in Zeiten von Corona

HLZ 6/2020

Die Corona-Pandemie hat auch große Auswirkungen auf die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in der zweiten Phase. So erfolgte die Vereidigung der neuen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) Anfang Mai in Kleingruppen. Hospitationen sind zurzeit für sie nicht möglich, können aber – je nach Entwicklung der Lage – eventuell gegen Ende des Schuljahres durchgeführt werden. Unterricht findet häufig nur im Rahmen des sogenannten „Homeschooling“ statt, Unterrichtsbesuche sind nicht möglich. Christina Nickel und Maike Wiedwald stellen die aktuell geltenden Regelungen für Bewertungen und Prüfungen vor, so wie sie bis Mitte Mai 2020 vorlagen.

Die meisten LiV haben im Moment – sofern sie nicht in Abschlussklassen eingesetzt sind – noch keine Unterrichtspraxis nach der Schulwiederöffnung. Sie waren und sind vor die Situation gestellt, dass ein Großteil ihrer unterrichtlichen Praxis in der Planung und Organisation des Lernens zu Hause für ihre Lerngruppen liegt. Alle bemühen sich darum, dass sie in ihren Seminaren zumindest Gespräche über Praxis und Probleme aus der unterrichtlichen Praxis führen können – in Videokonferenzen oder Onlineseminaren.

Wenn LiV schon im Unterricht eingesetzt sind, berichten sie von einer hohen Zunahme ihrer Arbeitszeiten, weil sie häufig nacheinander im Unterricht in beiden Gruppen einer geteilten Klasse eingesetzt werden. Klar ist aber, dass ein doppelter Einsatz in geteilten Lerngruppen auch doppelt gerechnet werden muss. Die anderen Lerngruppen, die im „Homeschooling“ unterrichtet werden, werden selbstverständlich als Lerngruppe gewertet. Auch ein Einsatz in der Notbetreuung muss angerechnet werden. Ein weiterer Unterrichtseinsatz am Seminartag darf nicht stattfinden.

Aus hygienischen Gründen und Gründen des Infektionsschutzes führen Schulen nur Frontalunterricht durch. Die Schülerinnen und Schüler dürfen ihren Platz oft nicht verlassen und auch die Lehrkraft muss Abstand halten. Dies ist aber sicherlich keine sinnvolle Praxis, die dem Anspruch an „guten Unterricht“ gerecht wird oder auch nur annähernd das widerspiegelt, was in Modul- und Ausbildungsveranstaltungen vermittelt wird.
 
Bewertung der Unterrichtsbesuche

Es finden derzeit keine bewerteten Unterrichtsbesuche (UB) statt. Die Modulveranstaltungen können als Präsenzveranstaltungen oder digital ablaufen und es sollen beratende Unterrichtsbesuche ermöglicht werden. Bei einigen LiV des 1. und 2. Hauptsemesters hat bereits ein Unterrichtsbesuch stattgefunden. Die Bewertung findet entsprechend auf der Basis dieses Besuches statt.

Sollte der gezeigte Besuch nicht im ausreichenden Bereich bewertet worden sein, kann als Ersatzleistung ein Unterrichtsentwurf verfasst werden, der dann mit der modulverantwortlichen Person erörtert wird. Die Lehrkräfte im 1. Hauptsemester sollen hierfür einen sogenannten „kleinen Unterrichtsentwurf“, die Lehrkräfte im 2. Hauptsemester einen „vollständigen Unterrichtsentwurf“ verfassen. Dasselbe gilt für die LiV des 1. und 2. Hauptsemesters, bei denen es noch keinen Unterrichtsbesuch gab. Wenn diese Ersatzleistung unter 5 Punkten bewertet worden sein sollte, muss von der LiV eine zweite Ersatzleistung in gleicher Form erbracht werden.

Eine Ausnahme hiervon stellt die Modulprüfung dar, wenn sie durch eine nicht ausreichende Leistung im Unterricht im Zeitraum von August 2019 bis Januar 2020 notwendig wurde und noch nicht durchgeführt worden ist. Diese Minderleistung kann nicht durch die Vorlage eines Entwurfes mit entsprechender Erörterung ausgeglichen werden, sondern nur im Unterricht.

Pädagogische Facharbeit

Wurde der Unterricht bereits gehalten, so kann die Pädagogische Facharbeit wie üblich geschrieben werden. Sollte der Unterricht im Rahmen der Unterrichtsreihe erst teilweise durchgeführt worden sein, so kann dieser fortgesetzt werden, sobald der Unterricht in der Lerngruppe wieder beginnt und auch in diesem Fall wird die Facharbeit dann wie üblich geschrieben werden.

Es ist auch möglich, neue Akzentuierungen und Schwerpunktsetzungen unter Einbeziehung des Homeschoolings vorzunehmen und auch über eine bereits durchgeführte Unterrichtseinheit retroperspektiv zu schreiben. Die Frist zur Abgabe der pädagogischen Facharbeit wurde für das jetzige 2. Hauptsemester um einen Monat auf den 1. Oktober 2020 verlängert.

Zweite Staatsprüfung

Auch das Zweite Staatsexamen selbst ist unter sehr außergewöhnlichen Vorzeichen zu absolvieren. Für die Bewertung der LiV gelten für die Bewertung des letzten Moduls vergleichbare Regelungen wie für die LiV anderer Semester. Wenn zwei UB stattgefunden haben, erfolgt eine Bewertung wie üblich. Sollte aber erst ein UB stattgefunden haben, wird auf der Grundlage dieses einen Besuches bewertet. Sollte noch kein UB stattgefunden haben, wird die Leistung der sieben bisher absolvierten Module auf acht Module hochgerechnet.

Wegen „des eingeschränkten Unterrichtsbetriebs infolge der Corona-Virus-Pandemie“ wurde die Durchführungsverordnung zum Hessischen Lehrerbildungsgesetz (HLbGDV) durch eine Änderungsverordnung vom 17. April 2020 ergänzt. Danach erfolgt die Prüfung selbst auf Grundlage von zwei ausführlichen Unterrichtsentwürfen, die mit der Prüfungskommission in 60 Minuten erörtert werden. Die mündliche Prüfung erfolgt in der üblichen Form. Die Prüfung selbst kann in Form einer Videoschaltkonferenz erfolgen. Diese besondere Form der Prüfung soll jedoch nur in Einzelfällen bei Zustimmung aller Beteiligten möglich sein. Über die nähere Ausführung, unter anderem auch über die Zulassung von Gästen, entscheidet die Seminarleitung unter Zustimmung des örtlichen Personalrates des Studienseminars. Bei Unklarheiten, Fragen und Problemen sollten sich LiV auf jeden Fall an den Personalrat des Studienseminars wenden.

Wiederholungsprüfungen

Wiederholungsprüfungen sind von den Möglichkeiten der Prüfung ohne Unterrichtspraxis ausgenommen. Diese LiV müssen Unterricht zeigen, was bedeutet, dass dies vielleicht in diesem Semester nicht mehr zu leisten ist. Lehrkräfteakademie und Kultusministerium sind der Auffassung, dass man im Unterricht gezeigte Defizite auch im Unterricht wieder ausgleichen müsse und eine Prüfung vollständig ablegen müsse. Die GEW Hessen kritisiert dieses Vorgehen und sieht hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes um längstens sechs Monate beginnt mit dem geplanten Datum der Wiederholungsprüfung für den Fall, dass Unterricht in den Lerngruppen der LiV in diesem Semester nicht mehr möglich sein sollte. Wenn beide zu zeigenden Lerngruppen wieder im Unterricht sind, ist die Wiederholungsprüfung in diesem Semester zu ermöglichen. Wir haben uns als GEW dafür eingesetzt, dass es für LiV, die eine Wiederholungsprüfung ablegen müssen, keine Kürzung der Bezüge gibt. Mit Erfolg: Die Herabsetzung des Anwärtergrundbetrages um 15 Prozent wird für alle betroffenen LiV ausgesetzt.

Wie geht es weiter?

Sicherlich wird es auch im kommenden Schuljahr noch viele Unwägbarkeiten geben: Unterricht in geteilten Lerngruppen, unterschiedlich viele Stunden in einzelnen Fächern oder nur an einzelnen Tagen, Wechsel von Präsenzunterricht und Lernen zu Hause. Das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Ausbildung der LiV und auf deren Bewertung und Prüfung. Auf diese Situation muss auch in den kommenden Monaten bei der Bewertung von LiV in den Modulen und in den Prüfungen Rücksicht genommen werden und ihnen dürfen keine Nachteile aus dieser Situation erwachsen. Hierfür wird sich die GEW Hessen weiterhin aktiv einsetzen.

Maike Wiedwald und Christina Nickel

Maike Wiedwald ist Vorsitzende der GEW Hessen. Christina Nickel ist Ausbilderin am GHRF-Studienseminar Wiesbaden und leitet zusammen mit Andrea Gergen das Referat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand und kümmert sich als stellvertretende Vorsitzende des Hauptpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer insbesondere auch um die Belange der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst.