Hausaufgaben gehören für die meisten selbstverständlich zu unserem Schulsystem. Die ältesten Belege für Hausaufgaben an Lateinschulen sind 500 Jahre alt. Seit inzwischen 130 Jahren setzt sich die Pädagogik mit dem Thema auseinander – ohne allerdings bislang einen eindeutigen Beleg für deren Nutzen aufgezeigt zu haben. Allenfalls lerne man durch Hausaufgaben ein Spiel mitzuspielen, das auf gegenseitiger Täuschung beruhe. Dies sind einige der provokanten Thesen aus dem Buch „Hausaufgaben – Nein Danke!“ des Bildungsjournalisten Armin Himmelrath, die er auch am 9. Juni so an der Frankfurter Elisabethenschule im Rahmen einer Podiumsdiskussion vertrat.
Die Landesschülervertretung (LSV) hatte zu der Veranstaltung eingeladen, die unter dem Titel „Auslaufmodell Hausaufgaben – geht’s auch moderner?“ die von der LSV erhobene Forderung nach der Abschaffung der Hausaufgaben in ihrer bisherigen Form einerseits bekannt machen und andererseits inhaltlich begründen sollte. Dass sie damit das Interesse der Schülerschaft wecken konnte, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die Mensa der Elisabethenschule mit etwa 200 Gästen voll besetzt war. Auch aus anderen Frankfurter Schulen kamen Schülerinnen und Schüler zu der Veranstaltung.
Achim Kaewnetara, Fachbereichsleiter an der Elisabethenschule, eröffnete die Veranstaltung und wies sogleich auf die Ambivalenz von Hausaufgaben hin: Als Vater habe er einerseits schon oft am Nutzen der Hausaufgaben seiner Kinder gezweifelt, während er andererseits als Lehrer selbstverständlich regelmäßig auf diese zurückgreife. Anschließend stellte Fabian Pflume als stellvertretender Landesschülersprecher die Argumente der LSV vor: Hausaufgaben verursachten Milliardenkosten durch Nachhilfeunterricht, seien pädagogisch fragwürdig und beanspruchten zu viel Zeit und schädigten so die Gesundheit und gingen auf Kosten der Freizeit. Daher fordert die LSV lehrergestützte Übungsstunden, eine Straffung der Lehrpläne sowie nicht bewertete Übungsaufgaben auf freiwilliger Basis.
Die Diskussion wurde von Peter Hanack moderiert, der Leserinnen und Lesern der Frankfurter Rundschau als Autor von Artikeln zu Schulthemen bekannt ist. Der skeptischen Haltung gegenüber Hausaufgaben von Armin Himmelrath pflichtete Maike Wiedwald bei. Die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen ist Lehrerin an der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt, die als integrierte Gesamtschule ganztägig arbeitet. Diese Schule verzichtet in der fünften und sechsten Klasse mit guten Erfahrungen auf Hausaufgaben.
Jörn Bauer, Inhaber einer private Nachhilfeschule in Neustadt, stellte klar, dass professionelle Nachhilfe keine Hausaufgabenbetreuung sei, sondern nur „bestehende Lücken füllen“ könne. Erfolgreicher Nachhilfeunterricht führe zu besseren Noten und wirke so motivationssteigernd. Maike Wiedwald und die Schülerinnen und Schüler, die sich sehr rege in die Diskussion einbrachten, hielten dem entgegen, dass die Förderung bei bestehenden Bedarfen eigentlich von den Schulen geleistet werden muss. Dazu müssen diese entsprechend besser ausgestattet werden – auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, denn nicht jede Familie könne sich professionellen Nachhilfeunterricht leisten.
Reiner Pilz, Vorsitzender des Landeselternbeirates, berichtete von sehr unterschiedlichen Positionen in der Elternschaft. Viele Eltern würden sicher die Abschaffung der Hausaufgaben begrüßen, die sie mitunter als „Hausfriedensbruch“ wahrnehmen würden, andere legten großen Wert darauf, einen Einblick in den Lernstand ihrer Kinder zu erhalten und zu wissen, welche Unterrichtsinhalte behandelt werden. Die Forderung nach einer Abschaffung von Hausaufgaben könne daher auch Ängste vor einem Kontrollverlust wecken. Daher müssten die Eltern durch die Entwicklung eines schulischen Konzepts zum besseren Austausch zwischen Eltern und Lehrkräften mitgenommen werden.
Fazit der lebendigen Debatte: Es geht bei der Abschaffung von Hausaufgaben – zumindest in der hier kritisierten Form – nicht um die Abwertung des selbständigen Lernens. Vielmehr bergen unbenotete und auf Freiwilligkeit beruhende Übungsaufgaben, bei deren Erledigung bei Bedarf eine Lehrkraft zur Verfügung steht, ein viel höheres Potenzial zur nachhaltigen Aneignung von Wissen. Dieses soll möglichst selbstgesteuert geschehen und auf einem inhaltlichen Interesse am Gegenstand beruhen. Zweitens ist die Abschaffung von Hausaufgaben nur als Teil eines weiterreichenden Prozesses der Veränderung von Schule sinnvoll zu denken. Dazu gehört insbesondere auch die Entwicklung von rhythmisierten Ganztagsschulen.