Lehrerbildung mit neuen Inhalten

HLZ 7-8/2016 Kommentar: "Neue Baustelle Lehrerausbildung

Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer ist reformbedürftig, will sie den Anforderungen an eine sich rasant verändernde Gesellschaft und Schule gerecht werden. Diese Einsicht hat die Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker in einigen Bundesländern zu beachtlichen Veränderungen bewegt. So kann beispielsweise in Berlin künftig kein separates Lehramt für Förderschulen, sehr wohl aber ein Förderschwerpunkt neben einem Fach studiert werden. Ziel ist es, die angehenden Lehrkräfte sowohl für den Fachunterricht als auch für die Förderung der Lernenden gleichermaßen zu qualifizieren. Nordrhein-Westfalen hat für alle Lehrämter die Studiendauer auf zehn Semester festgelegt, weil alle Lehrkräfte gleichermaßen fundiert qualifiziert sein müssen.
Die GEW hat auf ihrem Gewerkschaftstag 2013 die Einrichtung eines „Zukunftsforums Lehrer_Innenbildung“ beschlossen, das eine Beschlussvorlage für den nächsten Gewerkschaftstag 2017 in Freiburg entwickelt. Inzwischen arbeiten in diesem Zukunftsforum GEW-Kolleginnen und GEW-Kollegen an einem zukunftsträchtigen Konzept für die Ausbildung angehender Lehrkräfte und bringen in einem befruchtenden Prozess die Erfahrung der Defizite und Reform­ansätze ihrer Bundesländer ein.

In Hessen steht 2017 die Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes (HLbG) und der Durchführungsverordnung (HLbGDV) an. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, die Lehrerbildung auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen einer inklusiven Schule in der Einwanderungsgesellschaft auszurichten. Inhalte wie Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Zweitsprache, sprachsensibler Fachunterricht, interkulturelle, antirassistische und antisexistische Bildung sowie Medienpädagogik müssen feste Bestandteile der Ausbildung der angehenden Lehrkräfte werden. Demokratiepädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind ebenfalls notwendige Inhalte, wenn die Lehrkräfte ihren Erziehungsauftrag nach dem Hessischen Schulgesetz qualifiziert umsetzen sollen. Im Vorbereitungsdienst sollte die in acht Halbjahresmodule und drei Ausbildungsveranstaltungen zergliederte Ausbildung durch eine stärkere Prozessorientierung und durch bewertungsfreie Räume ersetzt werden, um Erfahrungsspielräume zu erweitern. Das Erlernen der multiprofessionellen Teamarbeit für die inklusive Schule benötigt Spielräume für die Kooperation der Studienseminare miteinander und für die Zusammenarbeit mit Schulen und Unterstützungssystemen. Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung müssen verstärkt werden. Andere Bundesländer haben diese Kooperation bei der Durchführung von Praxisphasen oder des Praxissemesters institutionalisiert. In Hessen dagegen wird trotz aller Kritik das Praxissemester gegenwärtig ohne Beteiligung der Studienseminare erprobt. Etliche Bundesländer unterstützen die jungen Lehrkräfte durch Angebote in der Berufseingangsphase. Auch hier hat Hessen Nachholbedarf. Eine weitere Herausforderung ist der Aufbau einer adressatenbezogenen und qualitätsgerechten Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, die u.a. Didaktik und Methodik inklusiven Unterrichts und inklusive Schulentwicklung zum Gegenstand hat.

Die Novellierung bietet also Chancen für eine zukunftsorientierte Lehrerbildung. Wie bisher wird sich die GEW in den Prozess der Novellierung mit differenzierter Analyse der Defizite und mit der Entwicklung von Optionen einbringen.

Franziska Conrad, Referat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand